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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Major von lvißmann und die evangelische Mission

durch dieses Vorgehen waren die evangelischen Missionskrcise in schwere Be¬
sorgnis versetzt, sie wird aber dadurch vergrößert, daß nach den veröffentlichten
Äußerungen des Herr" Reichskommissars seine Handlungsweise auf System zu
beruhen scheint.

Von der Warneckschen Schrift hoffen wir einen doppelten Nutzen. Der
evangelischen Bevölkerung in Deutschland ist die verdiente Genugthuung gegeben,
indem die evangelische Missionsmethode ins rechte Licht gesetzt worden ist.
Herr von Wißmann aber wird gewiß nicht anstehen, offen zu erklären, daß
seine Voraussetzungen irrtümlich gewesen sind. Die Schrift des Dr. Warneck
wird auch ihn überzeugen. Sind in Einzelnheiten Fehler und Mängel vor¬
handen, so werden sie beseitigt werden müssen.

Es mag endlich noch ein Gedanke angeregt werden, zu dein die vorliegende
Broschüre Anlaß giebt. Wie früher in einem größer" Artikel, so wendet sich
Dr. Warneck auch diesmal in einer scharfen Bemerkung gegen diejenigen An¬
hänger der Kolonialpolitik, die den Grundsatz aussprechen, daß die Mission
nationalen Interessen dienen müsse. Sollte mit diesem Grundsatz der Sinn ver¬
bunden sein, daß. die Mission nicht sowohl die Ausbreitung des Christentums als
vielmehr in erster Linie die Verbreitung deutscher Bildung zum Hauptpfeiler ihrer
Thätigkeit erhebe" müßte, so wäre der Vorwurf berechtigt, denn dadurch wäre
das Wesen christlicher Missionsthätigkeit beseitigt. So weit ist dein Dr. Warneck
zuzustimmen. Allein der Satz hat eine ganz andre Bedeutung. Er will sagen,
daß es die Pflicht der evangelischen Mission Deutschlands sei, in erster Linie
für die Verbreitung des Christentums in den deutschen Schutzgebieten zu sorgen.
Die römisch-katholische Kirche ist international, die evangelische Kirche Deutsch¬
lands läßt sich seit Luthers Zeit von dein Deutschtum nicht trennen. Die
Heiden in den deutschen Kolonien sind jedenfalls unsre Brüder, die uns näher
stehe", als die Heiden der übrigen Welt, und es entspricht gewiß nicht den
Vorschriften des Evangeliums, wenn man für den Fremdling vor den Thoren
sorgt lind dem Bruder im Hause das Brot versagt. Es ist dies aber ein
Vorwurf, der lediglich in der geschichtlichen Entwicklung seinen Ursprung hat,
denn vor der Einheit des Reiches und vor seinem Kolonialerwerb lag der
deutschevangelischen Missionsthätigkeit jeder Heide gleich am Herzen, und sie
mußte sich an die englischen Schwestergesellschaften anschließen, weil sie durch
sie Unterstützung und Schutz erhielt, den sie brauchte, und den sie von der
Heimat nicht erhalten konnte. Jetzt ist es anders geworden, aber es bedarf
jedenfalls einer gewissen Organisation, um das evangelische Missiouswerk in
den Schutzgebieten so zu gestalten, daß die evangelische Kirche nicht hinter der
katholischen zurücksteht. Denn Deutschland ist ein paritätischer Staat, und die
kaiserliche Regierung kann in Bezug auf die Missionsthätigkeit in den Schutz-
gebieteu nur den Grundsatz befolgen: "National, nicht konfessionell"; ihr muß
jede Mission, sie mag katholisch oder evangelisch sein, willkommen sein, voraus-


Major von lvißmann und die evangelische Mission

durch dieses Vorgehen waren die evangelischen Missionskrcise in schwere Be¬
sorgnis versetzt, sie wird aber dadurch vergrößert, daß nach den veröffentlichten
Äußerungen des Herr» Reichskommissars seine Handlungsweise auf System zu
beruhen scheint.

Von der Warneckschen Schrift hoffen wir einen doppelten Nutzen. Der
evangelischen Bevölkerung in Deutschland ist die verdiente Genugthuung gegeben,
indem die evangelische Missionsmethode ins rechte Licht gesetzt worden ist.
Herr von Wißmann aber wird gewiß nicht anstehen, offen zu erklären, daß
seine Voraussetzungen irrtümlich gewesen sind. Die Schrift des Dr. Warneck
wird auch ihn überzeugen. Sind in Einzelnheiten Fehler und Mängel vor¬
handen, so werden sie beseitigt werden müssen.

Es mag endlich noch ein Gedanke angeregt werden, zu dein die vorliegende
Broschüre Anlaß giebt. Wie früher in einem größer» Artikel, so wendet sich
Dr. Warneck auch diesmal in einer scharfen Bemerkung gegen diejenigen An¬
hänger der Kolonialpolitik, die den Grundsatz aussprechen, daß die Mission
nationalen Interessen dienen müsse. Sollte mit diesem Grundsatz der Sinn ver¬
bunden sein, daß. die Mission nicht sowohl die Ausbreitung des Christentums als
vielmehr in erster Linie die Verbreitung deutscher Bildung zum Hauptpfeiler ihrer
Thätigkeit erhebe» müßte, so wäre der Vorwurf berechtigt, denn dadurch wäre
das Wesen christlicher Missionsthätigkeit beseitigt. So weit ist dein Dr. Warneck
zuzustimmen. Allein der Satz hat eine ganz andre Bedeutung. Er will sagen,
daß es die Pflicht der evangelischen Mission Deutschlands sei, in erster Linie
für die Verbreitung des Christentums in den deutschen Schutzgebieten zu sorgen.
Die römisch-katholische Kirche ist international, die evangelische Kirche Deutsch¬
lands läßt sich seit Luthers Zeit von dein Deutschtum nicht trennen. Die
Heiden in den deutschen Kolonien sind jedenfalls unsre Brüder, die uns näher
stehe», als die Heiden der übrigen Welt, und es entspricht gewiß nicht den
Vorschriften des Evangeliums, wenn man für den Fremdling vor den Thoren
sorgt lind dem Bruder im Hause das Brot versagt. Es ist dies aber ein
Vorwurf, der lediglich in der geschichtlichen Entwicklung seinen Ursprung hat,
denn vor der Einheit des Reiches und vor seinem Kolonialerwerb lag der
deutschevangelischen Missionsthätigkeit jeder Heide gleich am Herzen, und sie
mußte sich an die englischen Schwestergesellschaften anschließen, weil sie durch
sie Unterstützung und Schutz erhielt, den sie brauchte, und den sie von der
Heimat nicht erhalten konnte. Jetzt ist es anders geworden, aber es bedarf
jedenfalls einer gewissen Organisation, um das evangelische Missiouswerk in
den Schutzgebieten so zu gestalten, daß die evangelische Kirche nicht hinter der
katholischen zurücksteht. Denn Deutschland ist ein paritätischer Staat, und die
kaiserliche Regierung kann in Bezug auf die Missionsthätigkeit in den Schutz-
gebieteu nur den Grundsatz befolgen: „National, nicht konfessionell"; ihr muß
jede Mission, sie mag katholisch oder evangelisch sein, willkommen sein, voraus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/472>, abgerufen am 12.05.2024.