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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Der Kolonialrat und die Zukunft Vstafrikas

Fragen, die, wenn dies hier nicht zu weit führte, durch eine große Anzahl
vermehrt werden könnten, sollten und werden wohl alle Gegenstand eingehender
Prüfung des Kolonialrates werden. Sie berühren so verschiedne Gebiete,
daß, wie gesagt, eine Körperschaft von Fachmännern vieler Kreise erforderlich
sein wird, sie ihrer Lösung näher zu bringen. Sie gipfeln jedoch in zwei
Hauptfragen, die wir deshalb auch weitläufiger behandelt haben: der Arbeiter¬
frage und der über die Bedingungen des Landerwerbes. Da die erstere im
engsten Zusammenhange steht mit unsrer im Schutzgebiete zu unterhaltenden
Truppe, so mußte diese eingehender betrachtet werden. Der Vollständigkeit
halber will ich noch hinzufügen, daß ich eine Truppe von sechshundert Mann
für unsre Erfordernisse als ausreichend erachten zu dürfen glaube, jedoch nicht
verkenne, daß es ohne Kenntnis der zeitweiligen Sachlage äußerst schwierig
ist, ein Urteil zu füllen.

Ich teile vollkommen die Ansicht, daß bei der Erziehung wilder Völker
die Furcht ein wesentliches Mittel sei, aber wir wollen nicht vergessen, daß
Güte mit ihr Hand in Hand gehen soll. Diese soll sich nicht in einer Ver¬
zärtelung des Negers äußern, sondern darin, daß wir nicht voreilig und mit
Gewalt versuchen, ihn in Gewohnheiten und in einen Gehorsam zu zwängen,
der ihm zunächst als Joch erscheinen muß. Haben wir nur ein wenig Geduld
mit ihm und bestrafen wir ihn nur da, aber energisch da, wo uns böser Wille
entgegentritt. Man kommt gewöhnlich ganz gut mit dem Neger aus, wenn
man ihn nach dem Grundsatze behandelt, der in dem alten französischen Sprich¬
worte liegt: av ehr ässsous, Mut as vslour. Ist der Neger und seine
Arbeitskraft der größte Schatz Afrikas, so kann dieser Schatz doch nur gehoben
werden durch den Europäer. Es mußte daher ein Weg gezeigt werden, wie
man diesen ins Land zieht, und dies ist in der Behandlung der zweiten Haupt¬
frage geschehen.

Das Endziel aller meiner Erörterungen aber ist das, die Mittel zur Er¬
zielung materiellen Vorteils zu finden. Das wird auch bei allen Beratungen
des Kolonialrates der leitende Gesichtspunkt bleiben müssen. Ob dieses End¬
ziel auf dem hier angedeuteten, ob auf anderen Wege erreicht werden wird,
kann mir gleich sein; ich halte keine meiner Ansichten für unfehlbar und werde
mit Freuden jede Maßnahme begrüßen, die schneller zum Ziele führt. Meine
Absicht, und sie ist hiermit erledigt, war nur, ein Bild zu entwerfen von dein
neuen, nunmehr wohl bald ins Leben tretenden Kolonialrate und die Auf¬
gaben anzudeuten, die seiner harren.




Der Kolonialrat und die Zukunft Vstafrikas

Fragen, die, wenn dies hier nicht zu weit führte, durch eine große Anzahl
vermehrt werden könnten, sollten und werden wohl alle Gegenstand eingehender
Prüfung des Kolonialrates werden. Sie berühren so verschiedne Gebiete,
daß, wie gesagt, eine Körperschaft von Fachmännern vieler Kreise erforderlich
sein wird, sie ihrer Lösung näher zu bringen. Sie gipfeln jedoch in zwei
Hauptfragen, die wir deshalb auch weitläufiger behandelt haben: der Arbeiter¬
frage und der über die Bedingungen des Landerwerbes. Da die erstere im
engsten Zusammenhange steht mit unsrer im Schutzgebiete zu unterhaltenden
Truppe, so mußte diese eingehender betrachtet werden. Der Vollständigkeit
halber will ich noch hinzufügen, daß ich eine Truppe von sechshundert Mann
für unsre Erfordernisse als ausreichend erachten zu dürfen glaube, jedoch nicht
verkenne, daß es ohne Kenntnis der zeitweiligen Sachlage äußerst schwierig
ist, ein Urteil zu füllen.

Ich teile vollkommen die Ansicht, daß bei der Erziehung wilder Völker
die Furcht ein wesentliches Mittel sei, aber wir wollen nicht vergessen, daß
Güte mit ihr Hand in Hand gehen soll. Diese soll sich nicht in einer Ver¬
zärtelung des Negers äußern, sondern darin, daß wir nicht voreilig und mit
Gewalt versuchen, ihn in Gewohnheiten und in einen Gehorsam zu zwängen,
der ihm zunächst als Joch erscheinen muß. Haben wir nur ein wenig Geduld
mit ihm und bestrafen wir ihn nur da, aber energisch da, wo uns böser Wille
entgegentritt. Man kommt gewöhnlich ganz gut mit dem Neger aus, wenn
man ihn nach dem Grundsatze behandelt, der in dem alten französischen Sprich¬
worte liegt: av ehr ässsous, Mut as vslour. Ist der Neger und seine
Arbeitskraft der größte Schatz Afrikas, so kann dieser Schatz doch nur gehoben
werden durch den Europäer. Es mußte daher ein Weg gezeigt werden, wie
man diesen ins Land zieht, und dies ist in der Behandlung der zweiten Haupt¬
frage geschehen.

Das Endziel aller meiner Erörterungen aber ist das, die Mittel zur Er¬
zielung materiellen Vorteils zu finden. Das wird auch bei allen Beratungen
des Kolonialrates der leitende Gesichtspunkt bleiben müssen. Ob dieses End¬
ziel auf dem hier angedeuteten, ob auf anderen Wege erreicht werden wird,
kann mir gleich sein; ich halte keine meiner Ansichten für unfehlbar und werde
mit Freuden jede Maßnahme begrüßen, die schneller zum Ziele führt. Meine
Absicht, und sie ist hiermit erledigt, war nur, ein Bild zu entwerfen von dein
neuen, nunmehr wohl bald ins Leben tretenden Kolonialrate und die Auf¬
gaben anzudeuten, die seiner harren.




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[0542] Der Kolonialrat und die Zukunft Vstafrikas Fragen, die, wenn dies hier nicht zu weit führte, durch eine große Anzahl vermehrt werden könnten, sollten und werden wohl alle Gegenstand eingehender Prüfung des Kolonialrates werden. Sie berühren so verschiedne Gebiete, daß, wie gesagt, eine Körperschaft von Fachmännern vieler Kreise erforderlich sein wird, sie ihrer Lösung näher zu bringen. Sie gipfeln jedoch in zwei Hauptfragen, die wir deshalb auch weitläufiger behandelt haben: der Arbeiter¬ frage und der über die Bedingungen des Landerwerbes. Da die erstere im engsten Zusammenhange steht mit unsrer im Schutzgebiete zu unterhaltenden Truppe, so mußte diese eingehender betrachtet werden. Der Vollständigkeit halber will ich noch hinzufügen, daß ich eine Truppe von sechshundert Mann für unsre Erfordernisse als ausreichend erachten zu dürfen glaube, jedoch nicht verkenne, daß es ohne Kenntnis der zeitweiligen Sachlage äußerst schwierig ist, ein Urteil zu füllen. Ich teile vollkommen die Ansicht, daß bei der Erziehung wilder Völker die Furcht ein wesentliches Mittel sei, aber wir wollen nicht vergessen, daß Güte mit ihr Hand in Hand gehen soll. Diese soll sich nicht in einer Ver¬ zärtelung des Negers äußern, sondern darin, daß wir nicht voreilig und mit Gewalt versuchen, ihn in Gewohnheiten und in einen Gehorsam zu zwängen, der ihm zunächst als Joch erscheinen muß. Haben wir nur ein wenig Geduld mit ihm und bestrafen wir ihn nur da, aber energisch da, wo uns böser Wille entgegentritt. Man kommt gewöhnlich ganz gut mit dem Neger aus, wenn man ihn nach dem Grundsatze behandelt, der in dem alten französischen Sprich¬ worte liegt: av ehr ässsous, Mut as vslour. Ist der Neger und seine Arbeitskraft der größte Schatz Afrikas, so kann dieser Schatz doch nur gehoben werden durch den Europäer. Es mußte daher ein Weg gezeigt werden, wie man diesen ins Land zieht, und dies ist in der Behandlung der zweiten Haupt¬ frage geschehen. Das Endziel aller meiner Erörterungen aber ist das, die Mittel zur Er¬ zielung materiellen Vorteils zu finden. Das wird auch bei allen Beratungen des Kolonialrates der leitende Gesichtspunkt bleiben müssen. Ob dieses End¬ ziel auf dem hier angedeuteten, ob auf anderen Wege erreicht werden wird, kann mir gleich sein; ich halte keine meiner Ansichten für unfehlbar und werde mit Freuden jede Maßnahme begrüßen, die schneller zum Ziele führt. Meine Absicht, und sie ist hiermit erledigt, war nur, ein Bild zu entwerfen von dein neuen, nunmehr wohl bald ins Leben tretenden Kolonialrate und die Auf¬ gaben anzudeuten, die seiner harren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/542>, abgerufen am 12.05.2024.