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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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sittlichen Nihilismus geliefert, den er beständig zur Schau trägt. In Bezug
auf Litteratur, Kunst, Politik, aber vor allein in Bezug auf Moral erklärt er
sich für durch und durch skeptisch, gründlich enttäuscht, blasirt, angeekelt von
dem alten Zander, ausgemergelt, abgewirtschaftet bis aufs Mark, <>6olräöick
^'us<zu'i),ux moellos, fogar zerlaufend und bis zu dem Punkte zerlaufend -- a
xoint, (i61i<zu<)8<Z6ut, daß man, wie er stolz sagt, bald gezwungen sein würde,
ihn mit einem Löffel zusammenzustreichen. Ein herrliches Bild! Zum Lachen
ist die Szene, wie ?in as 8loci"z in der Hochzeitsnacht seine junge Gullin
allem läßt, um mit diesem Hauptspaß, deu er sich schon Wochen laug vor¬
genommen hat, seine Freunde völlig "platt zu drücken." Er will gerade diese
Nacht bei seiner Maitresse zubringen, entfernt sich, besinnt sich aber doch noch
und kommt ziemlich kleinlaut nach einer Weile wieder zurück. Er geht durch
alle Zimmer, er stutzt, seiue Frau ist nicht da! Er sucht überall, fragt die
Bedienten, fährt in der Nacht zu allen Bekannten -- die junge Baronin ist
nicht zu finden. Endlich frühmorgens erscheint sie.

Wahrhaftig, das ist ein bischen stark! rief der Baron ihr entgegen.

Nicht wahr? sagte Marianne.

Aber ich habe doch nur einem Scherz machen wollen!

Ich auch, erwiderte die junge Frau.

Für wen hältst du mich eigentlich? sagte er vor Wut stotternd.

Ich halte dich für einen armen Jungen, der wie ein ans dein Grabe
geholter aussieht. Lege dich schlafen, mein Freund, glaube mir! -- Geh, geh!

Sie zeigte ihm die Thür und er ging hinaus, denn er war einfach --
cPa.t6!

Mein Lieber, sagte er einige Tage später in vertraulichem Töne zum
Marquis Pierrepont, du kannst beurteilen, ob ich l^in et<z siövlö bin, weißt du,
meine Frau -- ist es noch mehr!

Du setzest mich in Erstaunen, Julius! antwortete Pierrepont, der am
besten wußte, bei wem Marianne in jener Nacht geblieben war.

Im Vergleich zu der Art unsrer Naturalisten weiß Feuillee derartige
verfängliche Szenen mit einer Zurückhaltung zu schildern, daß man keinen
Anstand zu nehmen braucht, seine Romane auch Frauen in die Hand zu geben.
Für einen achtundsiebzigjährigen Schriftsteller, wie Octave Feuillee, ist der
Roman Ilonucmr ä'artinw eine bewunderungswürdige Leistung. Möge es
nicht seiue letzte sein.




sittlichen Nihilismus geliefert, den er beständig zur Schau trägt. In Bezug
auf Litteratur, Kunst, Politik, aber vor allein in Bezug auf Moral erklärt er
sich für durch und durch skeptisch, gründlich enttäuscht, blasirt, angeekelt von
dem alten Zander, ausgemergelt, abgewirtschaftet bis aufs Mark, <>6olräöick
^'us<zu'i),ux moellos, fogar zerlaufend und bis zu dem Punkte zerlaufend — a
xoint, (i61i<zu<)8<Z6ut, daß man, wie er stolz sagt, bald gezwungen sein würde,
ihn mit einem Löffel zusammenzustreichen. Ein herrliches Bild! Zum Lachen
ist die Szene, wie ?in as 8loci«z in der Hochzeitsnacht seine junge Gullin
allem läßt, um mit diesem Hauptspaß, deu er sich schon Wochen laug vor¬
genommen hat, seine Freunde völlig „platt zu drücken." Er will gerade diese
Nacht bei seiner Maitresse zubringen, entfernt sich, besinnt sich aber doch noch
und kommt ziemlich kleinlaut nach einer Weile wieder zurück. Er geht durch
alle Zimmer, er stutzt, seiue Frau ist nicht da! Er sucht überall, fragt die
Bedienten, fährt in der Nacht zu allen Bekannten — die junge Baronin ist
nicht zu finden. Endlich frühmorgens erscheint sie.

Wahrhaftig, das ist ein bischen stark! rief der Baron ihr entgegen.

Nicht wahr? sagte Marianne.

Aber ich habe doch nur einem Scherz machen wollen!

Ich auch, erwiderte die junge Frau.

Für wen hältst du mich eigentlich? sagte er vor Wut stotternd.

Ich halte dich für einen armen Jungen, der wie ein ans dein Grabe
geholter aussieht. Lege dich schlafen, mein Freund, glaube mir! — Geh, geh!

Sie zeigte ihm die Thür und er ging hinaus, denn er war einfach —
cPa.t6!

Mein Lieber, sagte er einige Tage später in vertraulichem Töne zum
Marquis Pierrepont, du kannst beurteilen, ob ich l^in et<z siövlö bin, weißt du,
meine Frau — ist es noch mehr!

Du setzest mich in Erstaunen, Julius! antwortete Pierrepont, der am
besten wußte, bei wem Marianne in jener Nacht geblieben war.

Im Vergleich zu der Art unsrer Naturalisten weiß Feuillee derartige
verfängliche Szenen mit einer Zurückhaltung zu schildern, daß man keinen
Anstand zu nehmen braucht, seine Romane auch Frauen in die Hand zu geben.
Für einen achtundsiebzigjährigen Schriftsteller, wie Octave Feuillee, ist der
Roman Ilonucmr ä'artinw eine bewunderungswürdige Leistung. Möge es
nicht seiue letzte sein.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/192>, abgerufen am 13.05.2024.