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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Zur Erhöhung der Vffiziersgehalte

vorgeschlagenen Gehaltserhöhungen anführen lassen, nur eine zusätzliche Be¬
deutung besitzen. Ein Punkt aber sei noch zum Schlüsse hervorgehoben,
der mit dem Kerne dieser Ausführungen unmittelbar zusammenhängt und
meines Erachtens auf das ganze Gebiet der erörterten Frage das schärfste
Schlaglicht wirft.

Ich habe oben die Frage aufgeworfen, ob es möglich sein werde, inmitten
des hochgeschwellten Stromes der Genußsucht unsrer Zeit den Offiziersftcmd
zu isoliren. Ich antworte darauf, daß eine gänzliche Jsolirung desselben -- ein
modernes Mönchstum, bei dem an die Stelle des Klosters die Kaserne getreten
wäre -- nicht denkbar, aber auch im Interesse des Standes nicht geboten ist.
Die überkommene und in den verschiedensten Ursachen heute wie zu irgend einer
Zeit begründete Abgeschlossenheit des Offizierstandes innerhalb der Bevölkerung
ist niemals mit der abstrakten Folgerichtigkeit durchgeführt worden, mit der der
romanische Geist des Papsttums den Klerus aus dem Zusammenhange des natür¬
lichen Lebens heraushob: bis zu dem Gebote der Ehelosigkeit. Unverkennbar
bildet aber dieses Gebot das einzige Mittel, mit dem sich der völlige Abschluß eines
Standes dem Volksleben gegenüber herstellen läßt. Es ist ja keine Frage, daß es
dem katholischen Priester nur durch seine Ehelosigkeit menschlich möglich gemacht
wird, allen Zeitströmungen zum Trotz seine äußere und innere Unabhängigkeit
zu wahren und zeitlebens ein mit der Zuverlässigkeit eines Mechanismus
arbeitendes Glied seiner Kirche zu bleiben. Allein so großem Gewinn steht
ein Verlust gegenüber, für den es keine Ausgleichung giebt: der Verlust der
vollen Persönlichkeit. Indem durch den Cölibat wie durch die mit ihm zu¬
sammenhängenden Gelübde die Freiheit des Willens auf dem gefahrvollsten
Gebiete feiner Bethätigung zerstört, die Willensfreiheit als Ganzes also ver¬
stümmelt wird, verliert der Priester mit ihrer unteilbaren Einheit die unent¬
behrlichste Voraussetzung alles sittlichen Strebens. War es Gregor dem
Siebenten nur um die äußere Machtstellung der Kirche, um die Stärkung der
Hierarchie zu thun, so hat er allein schon durch die Einführung des Cölibats
sein Recht aus den Ehrennamen des Großen dargethan. Denn in diesem
Betracht kann die Weisheit dieser Maßregel und die Tragweite ihres Erfolges
nicht hoch genug angeschlagen werden. Ebenso gewiß aber ist, daß der innere
Widerspruch des römischen Katholizismus, der nur auszureisen brauchte, um
alsbald aus dem germanischen Geiste die heute noch nicht abgeschlossene Be¬
wegung der Reformation hervorzutreiben, durch nichts so fehr wie durch die
seelischen Mißbildungen, die der Cölibat erzeugte, auf den Wahrheitsinftinkt
der Deutschen gewirkt hat. Brachte doch diese Kirchensatzung im Grunde die¬
selbe Unempfindlichkeit gegen das innere Wesen der Dinge zum Ausdruck, wie
der Ablaßhandel und -- auf weniger innerlichem Gebiete -- der Ämterkauf,
die sogenannte Simonie. Wie die Sündenvergebung für keinen Ablaßbrief, ist
auch die sittliche Persönlichkeit für kein Gelübde feil: sie will in unablässigem


Zur Erhöhung der Vffiziersgehalte

vorgeschlagenen Gehaltserhöhungen anführen lassen, nur eine zusätzliche Be¬
deutung besitzen. Ein Punkt aber sei noch zum Schlüsse hervorgehoben,
der mit dem Kerne dieser Ausführungen unmittelbar zusammenhängt und
meines Erachtens auf das ganze Gebiet der erörterten Frage das schärfste
Schlaglicht wirft.

Ich habe oben die Frage aufgeworfen, ob es möglich sein werde, inmitten
des hochgeschwellten Stromes der Genußsucht unsrer Zeit den Offiziersftcmd
zu isoliren. Ich antworte darauf, daß eine gänzliche Jsolirung desselben — ein
modernes Mönchstum, bei dem an die Stelle des Klosters die Kaserne getreten
wäre — nicht denkbar, aber auch im Interesse des Standes nicht geboten ist.
Die überkommene und in den verschiedensten Ursachen heute wie zu irgend einer
Zeit begründete Abgeschlossenheit des Offizierstandes innerhalb der Bevölkerung
ist niemals mit der abstrakten Folgerichtigkeit durchgeführt worden, mit der der
romanische Geist des Papsttums den Klerus aus dem Zusammenhange des natür¬
lichen Lebens heraushob: bis zu dem Gebote der Ehelosigkeit. Unverkennbar
bildet aber dieses Gebot das einzige Mittel, mit dem sich der völlige Abschluß eines
Standes dem Volksleben gegenüber herstellen läßt. Es ist ja keine Frage, daß es
dem katholischen Priester nur durch seine Ehelosigkeit menschlich möglich gemacht
wird, allen Zeitströmungen zum Trotz seine äußere und innere Unabhängigkeit
zu wahren und zeitlebens ein mit der Zuverlässigkeit eines Mechanismus
arbeitendes Glied seiner Kirche zu bleiben. Allein so großem Gewinn steht
ein Verlust gegenüber, für den es keine Ausgleichung giebt: der Verlust der
vollen Persönlichkeit. Indem durch den Cölibat wie durch die mit ihm zu¬
sammenhängenden Gelübde die Freiheit des Willens auf dem gefahrvollsten
Gebiete feiner Bethätigung zerstört, die Willensfreiheit als Ganzes also ver¬
stümmelt wird, verliert der Priester mit ihrer unteilbaren Einheit die unent¬
behrlichste Voraussetzung alles sittlichen Strebens. War es Gregor dem
Siebenten nur um die äußere Machtstellung der Kirche, um die Stärkung der
Hierarchie zu thun, so hat er allein schon durch die Einführung des Cölibats
sein Recht aus den Ehrennamen des Großen dargethan. Denn in diesem
Betracht kann die Weisheit dieser Maßregel und die Tragweite ihres Erfolges
nicht hoch genug angeschlagen werden. Ebenso gewiß aber ist, daß der innere
Widerspruch des römischen Katholizismus, der nur auszureisen brauchte, um
alsbald aus dem germanischen Geiste die heute noch nicht abgeschlossene Be¬
wegung der Reformation hervorzutreiben, durch nichts so fehr wie durch die
seelischen Mißbildungen, die der Cölibat erzeugte, auf den Wahrheitsinftinkt
der Deutschen gewirkt hat. Brachte doch diese Kirchensatzung im Grunde die¬
selbe Unempfindlichkeit gegen das innere Wesen der Dinge zum Ausdruck, wie
der Ablaßhandel und — auf weniger innerlichem Gebiete — der Ämterkauf,
die sogenannte Simonie. Wie die Sündenvergebung für keinen Ablaßbrief, ist
auch die sittliche Persönlichkeit für kein Gelübde feil: sie will in unablässigem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/27>, abgerufen am 12.05.2024.