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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Zur Erhöhung der (vffiziersgehalte

in allen äußerlichen Beziehungen selbst behaglich gestalten kann, das Bedürfnis
eines eiguen Herdes geringer ist, als für den Unbemittelten. Aus dem reichen
Lebemann, dem Genußmenschen von Beruf, wird selten ein Ehemann, noch
seltener ein deutscher Ehemann. Auch von dieser Seite also stoßen wir auf
die Wahrnehmung, daß ein Überwiegen des Privatreichtums innerhalb eines
Offizierkorps dem Geiste desselben selten dienlich sein wird. Der unbemittelte
Offizier aber hat unter dem Zwange der Verhältnisse gegenwärtig nur die
Wahl, entweder Junggesell zu bleiben oder eine Ehe unter dem maßgebende"
Gesichtspunkte der Mitgift einzugehen und damit dem heiligsten Lebensverhältnis
das Brandmal einer geschäftlichen Unternehmung aufzudrücken.

Das sind die oftmals beklagten Erscheinungen eines Zustandes, von dem
ich schwerlich zu viel behauptet habe, wenn ich sagte, daß seine Wirkungen
denen eines Eheverbotes wenig nachstünden. Mit dem herkömmlichen Schelten
auf diese Übelstände ist es aber nicht gethan: ihre Wurzel muß beseitigt, und
sie kann nur durch die Staatsgewalt beseitigt werden. Entspricht es wirklich
einem hervorragenden Staatsinteresse, den Offizierstand -- der doch thatsächlich
gegenüber den wechselnden Jahrgängen der zur Fahne einberufenen Mannschaft
die dauernde Kraft des Wehrstandes zu bewahren hat, dessen Bedeutung für
die Volkserziehung ja auch mehr und mehr gewürdigt wird -- auf sittlich
und wirtschaftlich gesunde Grundlagen zu stellen, so wird sich die Forderung
auf die Dauer nicht abweisen lassen, ihn so zu besolden, daß er nicht mehr
auf tüchtige Kräfte wegen ihrer Mittellosigkeit zu verzichten braucht und zum
Ersatz auf weniger tüchtige Sprößlinge begüterter Familien angewiesen ist, und
daß gleichzeitig der deutsche Offizier nicht mehr vor der Wahl steht, ein ver¬
mögendes Mädchen zu heiraten oder unvermählt zu bleiben, sondern daß er
mit dreißig oder fünfunddreißig Jahren frei vor das Mädchen seiner Neigung
treten und um sie anhalten darf.

Wie anspruchsvoll sich auch unter der Herrschaft der heutzutage noch ma߬
gebenden Anschauungen diese Forderung ausnimmt, so zweifle ich doch nicht
daran, daß in kurzem die öffentliche Meinung auf ihrer Seite stehen wird.
Für die gesamte Bevölkerung mit alleiniger Ausnahme der bewaffneten und
nicht bewaffneten Diener des Vaterlandes, sowie der produzirenden Künstler
fallen die Begriffe Erwerb und Beruf zusammen. Der Gelderwerb bildet für
die Masse des Volkes den ausschließlichen Gegenstand der gesamten Arbeit
ihres Lebens. Für die genannten Klassen nicht. Für das Gemeinwesen ergiebt
sich aus dieser Gegenüberstellung die unbestreitbare Pflicht, seine Diener so zu
stellen, daß nicht bloß ihre Gegenwart, sondern auch ihre Zukunft und die
Gründung einer Familie gesichert ist. Es gehört kein besondrer Scharfblick
dazu, an die innere Gleichartigkeit dieses Problems und der Arbeiterfrage
wahrzunehmen. Mehr und mehr wird freilich auch anderseits von den
Dienern des Gemeinwesens verlangt werden müssen, daß sie in ihrer dem


Zur Erhöhung der (vffiziersgehalte

in allen äußerlichen Beziehungen selbst behaglich gestalten kann, das Bedürfnis
eines eiguen Herdes geringer ist, als für den Unbemittelten. Aus dem reichen
Lebemann, dem Genußmenschen von Beruf, wird selten ein Ehemann, noch
seltener ein deutscher Ehemann. Auch von dieser Seite also stoßen wir auf
die Wahrnehmung, daß ein Überwiegen des Privatreichtums innerhalb eines
Offizierkorps dem Geiste desselben selten dienlich sein wird. Der unbemittelte
Offizier aber hat unter dem Zwange der Verhältnisse gegenwärtig nur die
Wahl, entweder Junggesell zu bleiben oder eine Ehe unter dem maßgebende«
Gesichtspunkte der Mitgift einzugehen und damit dem heiligsten Lebensverhältnis
das Brandmal einer geschäftlichen Unternehmung aufzudrücken.

Das sind die oftmals beklagten Erscheinungen eines Zustandes, von dem
ich schwerlich zu viel behauptet habe, wenn ich sagte, daß seine Wirkungen
denen eines Eheverbotes wenig nachstünden. Mit dem herkömmlichen Schelten
auf diese Übelstände ist es aber nicht gethan: ihre Wurzel muß beseitigt, und
sie kann nur durch die Staatsgewalt beseitigt werden. Entspricht es wirklich
einem hervorragenden Staatsinteresse, den Offizierstand — der doch thatsächlich
gegenüber den wechselnden Jahrgängen der zur Fahne einberufenen Mannschaft
die dauernde Kraft des Wehrstandes zu bewahren hat, dessen Bedeutung für
die Volkserziehung ja auch mehr und mehr gewürdigt wird — auf sittlich
und wirtschaftlich gesunde Grundlagen zu stellen, so wird sich die Forderung
auf die Dauer nicht abweisen lassen, ihn so zu besolden, daß er nicht mehr
auf tüchtige Kräfte wegen ihrer Mittellosigkeit zu verzichten braucht und zum
Ersatz auf weniger tüchtige Sprößlinge begüterter Familien angewiesen ist, und
daß gleichzeitig der deutsche Offizier nicht mehr vor der Wahl steht, ein ver¬
mögendes Mädchen zu heiraten oder unvermählt zu bleiben, sondern daß er
mit dreißig oder fünfunddreißig Jahren frei vor das Mädchen seiner Neigung
treten und um sie anhalten darf.

Wie anspruchsvoll sich auch unter der Herrschaft der heutzutage noch ma߬
gebenden Anschauungen diese Forderung ausnimmt, so zweifle ich doch nicht
daran, daß in kurzem die öffentliche Meinung auf ihrer Seite stehen wird.
Für die gesamte Bevölkerung mit alleiniger Ausnahme der bewaffneten und
nicht bewaffneten Diener des Vaterlandes, sowie der produzirenden Künstler
fallen die Begriffe Erwerb und Beruf zusammen. Der Gelderwerb bildet für
die Masse des Volkes den ausschließlichen Gegenstand der gesamten Arbeit
ihres Lebens. Für die genannten Klassen nicht. Für das Gemeinwesen ergiebt
sich aus dieser Gegenüberstellung die unbestreitbare Pflicht, seine Diener so zu
stellen, daß nicht bloß ihre Gegenwart, sondern auch ihre Zukunft und die
Gründung einer Familie gesichert ist. Es gehört kein besondrer Scharfblick
dazu, an die innere Gleichartigkeit dieses Problems und der Arbeiterfrage
wahrzunehmen. Mehr und mehr wird freilich auch anderseits von den
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/29>, abgerufen am 12.05.2024.