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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die Man- Ainley-Bill

und den Zankes zu wenig Ehre anthun. Europa hätte zu einer andern Zeit
die Maßregel ebensowenig hindern können, "ut das wirtschaftlich starke Nord¬
amerika hätte sich niemals dreinreden lassen. Wenn der Kongreß der Ver¬
einigten Staaten in dieser Bill das Heil des Landes sah, würde" ihn Drohungen
nicht abgehalten haben, es zu wahre"; wären aber hinter den Drohungen
Thaten zu furchten gewesen --- el,' warum geschehe" den" diese Thäte" jetzt
nicht, um die Zurücknahme des Gesetzes zu erzwingen? Keine Zeit ist bekanntlich
günstiger für eine gemeinsame handels-politische Aktion der Mächte, als die
Gegenwart. Wir stehen unmittelbar vor dem Ablaufe fast sämtlicher enropüischen
Handelsverträge: das Jahr 1892 könnte eine mächtige Freihandelsliga mit der
Kehrseite gegen Amerika Front machen lasse". Statt dessen zeigen sich überall die
Schutzzöllner rege; zum wenigsten strebt mau überall nach autonomen Tarifen.
Weder Frankreich, noch Spanien, noch Italien erscheinen zum Abschlüsse neuer
Verträge bereit. Dagegen stehen Schutz und Abwehr auf der Tagesordnung,
"ud der "cuc französische Maximal- und Miuimaltarif wird seine Nachahmer
sinden. Nur zwischen Deutschland und Osterreich herrscht eine wahrhaft ver¬
söhnliche Stimmung, die sich vou dem politischen auf das volkswirtschaftliche
Gebiet übertragen hat; mit ihr verträgt sich der fortwährende Zollkrieg schlecht,
der die Grenze der Verbündeten bisher umspielte. Er wird zur Ruhe kommen;
aber das ist auch alles. Von einer "Zvlleinignng" kann vorläufig keine Rede
sein, geschweige denn, wie hie und da geäußert worden ist, vo" einer Maßregel
gemeinsamer Vergeltung gegen den nordamerikanischen Ubelthäter. Und so dürste
es mich mit der "mitteleuropäische" Zollliga" gute Wege haben, deren Be-
gründung der internationale landwirtschaftliche Kongreß zu Wien im September
dieses Jahres beschlossen hat.

Also die Vereinigte" Staaten von Nordamerika haben einer Anzahl euro¬
päischer Industrien durch Errichtung einer hohen Zvllmaner plötzlich den Stuhl
vor die Thür gesetzt. Man könnte, wenn ans nichts ander",, so doch ans der
erregten Beurteilung, die diese Maßregel allenthalben findet, entnehmen, daß
sie von einschneidender Wirkung sein müsse. Man bezeichnet sie vielfach als
"Übermut" und "Rücksichtslosigkeit"; wenn sich aber z. B. das "Wiener
Fremdenblatt" i" die Brust wirft und ausruft: "Amerika für die Amerikaner,
ist ihre Parole. Und diese wird in der Stille des Gemütes dnrch den
bedeutungsvollen Zusatz ergänzt, daß amerikanische Produkte für die ganze
Welt seien," so spricht das Blatt doch eben "ur etwas ans, was ganz selbst¬
verständlich ist; denn auf wirtschaftlichem Gebiete hat noch kein Staat der
Welt eine andre Politik getrieben, als die seiner eignen Interessen. Die eng¬
lische" Freihändler sind ihrerseits überzeugt, daß Amerika a" der prinzipielle"
Giftigkeit der Schutzzölle werde zu Grunde gehen müssen: "man lasse sie "ur
i" ihrem eignen Fette schmoren!" heißt es. Allein der Unbefangne Hort ans
diesen Worte" schlecht verhalten" Ärger und die sauersüße Miene heraus.


Die Man- Ainley-Bill

und den Zankes zu wenig Ehre anthun. Europa hätte zu einer andern Zeit
die Maßregel ebensowenig hindern können, »ut das wirtschaftlich starke Nord¬
amerika hätte sich niemals dreinreden lassen. Wenn der Kongreß der Ver¬
einigten Staaten in dieser Bill das Heil des Landes sah, würde» ihn Drohungen
nicht abgehalten haben, es zu wahre»; wären aber hinter den Drohungen
Thaten zu furchten gewesen —- el,' warum geschehe» den» diese Thäte» jetzt
nicht, um die Zurücknahme des Gesetzes zu erzwingen? Keine Zeit ist bekanntlich
günstiger für eine gemeinsame handels-politische Aktion der Mächte, als die
Gegenwart. Wir stehen unmittelbar vor dem Ablaufe fast sämtlicher enropüischen
Handelsverträge: das Jahr 1892 könnte eine mächtige Freihandelsliga mit der
Kehrseite gegen Amerika Front machen lasse». Statt dessen zeigen sich überall die
Schutzzöllner rege; zum wenigsten strebt mau überall nach autonomen Tarifen.
Weder Frankreich, noch Spanien, noch Italien erscheinen zum Abschlüsse neuer
Verträge bereit. Dagegen stehen Schutz und Abwehr auf der Tagesordnung,
»ud der »cuc französische Maximal- und Miuimaltarif wird seine Nachahmer
sinden. Nur zwischen Deutschland und Osterreich herrscht eine wahrhaft ver¬
söhnliche Stimmung, die sich vou dem politischen auf das volkswirtschaftliche
Gebiet übertragen hat; mit ihr verträgt sich der fortwährende Zollkrieg schlecht,
der die Grenze der Verbündeten bisher umspielte. Er wird zur Ruhe kommen;
aber das ist auch alles. Von einer „Zvlleinignng" kann vorläufig keine Rede
sein, geschweige denn, wie hie und da geäußert worden ist, vo» einer Maßregel
gemeinsamer Vergeltung gegen den nordamerikanischen Ubelthäter. Und so dürste
es mich mit der „mitteleuropäische» Zollliga" gute Wege haben, deren Be-
gründung der internationale landwirtschaftliche Kongreß zu Wien im September
dieses Jahres beschlossen hat.

Also die Vereinigte» Staaten von Nordamerika haben einer Anzahl euro¬
päischer Industrien durch Errichtung einer hohen Zvllmaner plötzlich den Stuhl
vor die Thür gesetzt. Man könnte, wenn ans nichts ander»,, so doch ans der
erregten Beurteilung, die diese Maßregel allenthalben findet, entnehmen, daß
sie von einschneidender Wirkung sein müsse. Man bezeichnet sie vielfach als
„Übermut" und „Rücksichtslosigkeit"; wenn sich aber z. B. das „Wiener
Fremdenblatt" i» die Brust wirft und ausruft: „Amerika für die Amerikaner,
ist ihre Parole. Und diese wird in der Stille des Gemütes dnrch den
bedeutungsvollen Zusatz ergänzt, daß amerikanische Produkte für die ganze
Welt seien," so spricht das Blatt doch eben »ur etwas ans, was ganz selbst¬
verständlich ist; denn auf wirtschaftlichem Gebiete hat noch kein Staat der
Welt eine andre Politik getrieben, als die seiner eignen Interessen. Die eng¬
lische» Freihändler sind ihrerseits überzeugt, daß Amerika a» der prinzipielle»
Giftigkeit der Schutzzölle werde zu Grunde gehen müssen: „man lasse sie »ur
i» ihrem eignen Fette schmoren!" heißt es. Allein der Unbefangne Hort ans
diesen Worte» schlecht verhalten» Ärger und die sauersüße Miene heraus.


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[0306] Die Man- Ainley-Bill und den Zankes zu wenig Ehre anthun. Europa hätte zu einer andern Zeit die Maßregel ebensowenig hindern können, »ut das wirtschaftlich starke Nord¬ amerika hätte sich niemals dreinreden lassen. Wenn der Kongreß der Ver¬ einigten Staaten in dieser Bill das Heil des Landes sah, würde» ihn Drohungen nicht abgehalten haben, es zu wahre»; wären aber hinter den Drohungen Thaten zu furchten gewesen —- el,' warum geschehe» den» diese Thäte» jetzt nicht, um die Zurücknahme des Gesetzes zu erzwingen? Keine Zeit ist bekanntlich günstiger für eine gemeinsame handels-politische Aktion der Mächte, als die Gegenwart. Wir stehen unmittelbar vor dem Ablaufe fast sämtlicher enropüischen Handelsverträge: das Jahr 1892 könnte eine mächtige Freihandelsliga mit der Kehrseite gegen Amerika Front machen lasse». Statt dessen zeigen sich überall die Schutzzöllner rege; zum wenigsten strebt mau überall nach autonomen Tarifen. Weder Frankreich, noch Spanien, noch Italien erscheinen zum Abschlüsse neuer Verträge bereit. Dagegen stehen Schutz und Abwehr auf der Tagesordnung, »ud der »cuc französische Maximal- und Miuimaltarif wird seine Nachahmer sinden. Nur zwischen Deutschland und Osterreich herrscht eine wahrhaft ver¬ söhnliche Stimmung, die sich vou dem politischen auf das volkswirtschaftliche Gebiet übertragen hat; mit ihr verträgt sich der fortwährende Zollkrieg schlecht, der die Grenze der Verbündeten bisher umspielte. Er wird zur Ruhe kommen; aber das ist auch alles. Von einer „Zvlleinignng" kann vorläufig keine Rede sein, geschweige denn, wie hie und da geäußert worden ist, vo» einer Maßregel gemeinsamer Vergeltung gegen den nordamerikanischen Ubelthäter. Und so dürste es mich mit der „mitteleuropäische» Zollliga" gute Wege haben, deren Be- gründung der internationale landwirtschaftliche Kongreß zu Wien im September dieses Jahres beschlossen hat. Also die Vereinigte» Staaten von Nordamerika haben einer Anzahl euro¬ päischer Industrien durch Errichtung einer hohen Zvllmaner plötzlich den Stuhl vor die Thür gesetzt. Man könnte, wenn ans nichts ander»,, so doch ans der erregten Beurteilung, die diese Maßregel allenthalben findet, entnehmen, daß sie von einschneidender Wirkung sein müsse. Man bezeichnet sie vielfach als „Übermut" und „Rücksichtslosigkeit"; wenn sich aber z. B. das „Wiener Fremdenblatt" i» die Brust wirft und ausruft: „Amerika für die Amerikaner, ist ihre Parole. Und diese wird in der Stille des Gemütes dnrch den bedeutungsvollen Zusatz ergänzt, daß amerikanische Produkte für die ganze Welt seien," so spricht das Blatt doch eben »ur etwas ans, was ganz selbst¬ verständlich ist; denn auf wirtschaftlichem Gebiete hat noch kein Staat der Welt eine andre Politik getrieben, als die seiner eignen Interessen. Die eng¬ lische» Freihändler sind ihrerseits überzeugt, daß Amerika a» der prinzipielle» Giftigkeit der Schutzzölle werde zu Grunde gehen müssen: „man lasse sie »ur i» ihrem eignen Fette schmoren!" heißt es. Allein der Unbefangne Hort ans diesen Worte» schlecht verhalten» Ärger und die sauersüße Miene heraus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/306>, abgerufen am 14.05.2024.