Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Vereinfachungen ans dem Gebiete des Zivilprozesses

in vielen dieser Fälle der Wechselprozeß entbehrlich gemacht werden kann.
Die Geschichte des Wechsels und des Protestes deuten hierzu den Weg an.
Der Wechsel, der ursprünglich wie jedes Rechtsgeschäft allen Einreden aus¬
gesetzt war, ist im heutigen Rechte eine abstrakte und fast einredefreie Schrift¬
verbindlichkeit geworden. Ähnlich ist es dem Wechselprotest ergangen. Ur¬
sprünglich, wie hente noch in England, sollte er nur die Sorgfalt des
Gläubigers bei der Einziehung der Wechselsumme darthun; in dem entwickelter"
deutschen Wechselrecht ist er zu einem notwendigen Akt insofern geworden, als
ohne ihn keine Regreßansprüche an die Vormänner des Wechselschuldners er¬
hoben werden können. Aber noch vollkommener würde der Protest werden,
wenn die Antworten des Wechselschuldners nicht bloß aus Billigkeit auf¬
genommen würden, sondern einen wechselstrengen Charakter erhielten. Beweist
der Protest schon jetzt, daß der Wechsel nicht gezahlt worden ist, so ist es nur
ein kleiner Schritt, die Beweiskraft im gegebenen Falle auch darauf zu er¬
strecken, daß der Schuldner die Wechselschuld anerkannt hat. Es muß dem
protesterhebenden Beamten zur Pflicht gemacht werden, den Schuldner zu
fragen, ob er die Schuld anerkenne. Einem solchen im Protest vermerkten
Anerkenntnis gegenüber ist aber ein nachfolgender Wechselprozeß nur eine leere
Umständlichkeit. Denn es genügt alsdann für die Beitreibung der Wechsel¬
summe, wenn der Wechsel gerichtlich unmittelbar für vorläufig vollstreckbar
erklärt wird, z. B. in Form eines auf den Protest zu setzenden Vollstreckungs¬
befehles; ein Vorbild hierfür giebt schon das in der Prozeßordnung geordnete
Mahnverfahren.

3. Die Behandlung der Prozeßkosten ist heute keine einheitliche. Zu¬
nächst wird über die Kostenpflicht, und dann im besondern Festsetzungsverfahren
über den Betrag der Kosten des Gegners entschieden. Ist es theoretisch richtig,
daß beide Punkte nur in einer Entscheidung erledigt werden, so hätte die
Zivilprozeßordnung diesen Grundsatz möglichst wahren sollen. Sie hätte es
namentlich bei den so häufigen im ersten Verhandlungstermin ergehenden
Versäumnis- und Anerkenntnisurteilen thun können, wo ohne weiteres eine
sofortige Berechnung der Kosten bei der Erteilung der Urteilsausfertigung
z. B. in Form einer Anhaugsberechnung möglich ist oder doch möglich gemacht
werden kann. Denn die Anwaltsgebühren betragen nach festem Tarife das
anderthalbfache der gewöhnlichen Prozeßgebühr, die Parteiauslagen können
nach dem Zeugcntarif berechnet, für Zustellungs-, Porto- und Schrcibauslagen
können richterlich zu bemessende Pauschquanta eingeführt werden. Die Praxis
wird schon zweckmäßige Anhalte schaffen; auch bleibt es der Partei unbe¬
nommen, in der Klage und im Verhandlungstermin ihre besondern Kosten
anzugeben. Die Umständlichkeit und Kostspieligkeit der jetzigen Festsetzung der
Kosten würde dadurch sehr vermindert, insbesondre dem Schuldner die heute
nicht seltene zweite Zwangsvollstreckung aus dem Kostenbeschluß erspart werden.




Vereinfachungen ans dem Gebiete des Zivilprozesses

in vielen dieser Fälle der Wechselprozeß entbehrlich gemacht werden kann.
Die Geschichte des Wechsels und des Protestes deuten hierzu den Weg an.
Der Wechsel, der ursprünglich wie jedes Rechtsgeschäft allen Einreden aus¬
gesetzt war, ist im heutigen Rechte eine abstrakte und fast einredefreie Schrift¬
verbindlichkeit geworden. Ähnlich ist es dem Wechselprotest ergangen. Ur¬
sprünglich, wie hente noch in England, sollte er nur die Sorgfalt des
Gläubigers bei der Einziehung der Wechselsumme darthun; in dem entwickelter»
deutschen Wechselrecht ist er zu einem notwendigen Akt insofern geworden, als
ohne ihn keine Regreßansprüche an die Vormänner des Wechselschuldners er¬
hoben werden können. Aber noch vollkommener würde der Protest werden,
wenn die Antworten des Wechselschuldners nicht bloß aus Billigkeit auf¬
genommen würden, sondern einen wechselstrengen Charakter erhielten. Beweist
der Protest schon jetzt, daß der Wechsel nicht gezahlt worden ist, so ist es nur
ein kleiner Schritt, die Beweiskraft im gegebenen Falle auch darauf zu er¬
strecken, daß der Schuldner die Wechselschuld anerkannt hat. Es muß dem
protesterhebenden Beamten zur Pflicht gemacht werden, den Schuldner zu
fragen, ob er die Schuld anerkenne. Einem solchen im Protest vermerkten
Anerkenntnis gegenüber ist aber ein nachfolgender Wechselprozeß nur eine leere
Umständlichkeit. Denn es genügt alsdann für die Beitreibung der Wechsel¬
summe, wenn der Wechsel gerichtlich unmittelbar für vorläufig vollstreckbar
erklärt wird, z. B. in Form eines auf den Protest zu setzenden Vollstreckungs¬
befehles; ein Vorbild hierfür giebt schon das in der Prozeßordnung geordnete
Mahnverfahren.

3. Die Behandlung der Prozeßkosten ist heute keine einheitliche. Zu¬
nächst wird über die Kostenpflicht, und dann im besondern Festsetzungsverfahren
über den Betrag der Kosten des Gegners entschieden. Ist es theoretisch richtig,
daß beide Punkte nur in einer Entscheidung erledigt werden, so hätte die
Zivilprozeßordnung diesen Grundsatz möglichst wahren sollen. Sie hätte es
namentlich bei den so häufigen im ersten Verhandlungstermin ergehenden
Versäumnis- und Anerkenntnisurteilen thun können, wo ohne weiteres eine
sofortige Berechnung der Kosten bei der Erteilung der Urteilsausfertigung
z. B. in Form einer Anhaugsberechnung möglich ist oder doch möglich gemacht
werden kann. Denn die Anwaltsgebühren betragen nach festem Tarife das
anderthalbfache der gewöhnlichen Prozeßgebühr, die Parteiauslagen können
nach dem Zeugcntarif berechnet, für Zustellungs-, Porto- und Schrcibauslagen
können richterlich zu bemessende Pauschquanta eingeführt werden. Die Praxis
wird schon zweckmäßige Anhalte schaffen; auch bleibt es der Partei unbe¬
nommen, in der Klage und im Verhandlungstermin ihre besondern Kosten
anzugeben. Die Umständlichkeit und Kostspieligkeit der jetzigen Festsetzung der
Kosten würde dadurch sehr vermindert, insbesondre dem Schuldner die heute
nicht seltene zweite Zwangsvollstreckung aus dem Kostenbeschluß erspart werden.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0416" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208995"/>
          <fw type="header" place="top"> Vereinfachungen ans dem Gebiete des Zivilprozesses</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1203" prev="#ID_1202"> in vielen dieser Fälle der Wechselprozeß entbehrlich gemacht werden kann.<lb/>
Die Geschichte des Wechsels und des Protestes deuten hierzu den Weg an.<lb/>
Der Wechsel, der ursprünglich wie jedes Rechtsgeschäft allen Einreden aus¬<lb/>
gesetzt war, ist im heutigen Rechte eine abstrakte und fast einredefreie Schrift¬<lb/>
verbindlichkeit geworden. Ähnlich ist es dem Wechselprotest ergangen. Ur¬<lb/>
sprünglich, wie hente noch in England, sollte er nur die Sorgfalt des<lb/>
Gläubigers bei der Einziehung der Wechselsumme darthun; in dem entwickelter»<lb/>
deutschen Wechselrecht ist er zu einem notwendigen Akt insofern geworden, als<lb/>
ohne ihn keine Regreßansprüche an die Vormänner des Wechselschuldners er¬<lb/>
hoben werden können. Aber noch vollkommener würde der Protest werden,<lb/>
wenn die Antworten des Wechselschuldners nicht bloß aus Billigkeit auf¬<lb/>
genommen würden, sondern einen wechselstrengen Charakter erhielten. Beweist<lb/>
der Protest schon jetzt, daß der Wechsel nicht gezahlt worden ist, so ist es nur<lb/>
ein kleiner Schritt, die Beweiskraft im gegebenen Falle auch darauf zu er¬<lb/>
strecken, daß der Schuldner die Wechselschuld anerkannt hat. Es muß dem<lb/>
protesterhebenden Beamten zur Pflicht gemacht werden, den Schuldner zu<lb/>
fragen, ob er die Schuld anerkenne. Einem solchen im Protest vermerkten<lb/>
Anerkenntnis gegenüber ist aber ein nachfolgender Wechselprozeß nur eine leere<lb/>
Umständlichkeit. Denn es genügt alsdann für die Beitreibung der Wechsel¬<lb/>
summe, wenn der Wechsel gerichtlich unmittelbar für vorläufig vollstreckbar<lb/>
erklärt wird, z. B. in Form eines auf den Protest zu setzenden Vollstreckungs¬<lb/>
befehles; ein Vorbild hierfür giebt schon das in der Prozeßordnung geordnete<lb/>
Mahnverfahren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1204"> 3. Die Behandlung der Prozeßkosten ist heute keine einheitliche. Zu¬<lb/>
nächst wird über die Kostenpflicht, und dann im besondern Festsetzungsverfahren<lb/>
über den Betrag der Kosten des Gegners entschieden. Ist es theoretisch richtig,<lb/>
daß beide Punkte nur in einer Entscheidung erledigt werden, so hätte die<lb/>
Zivilprozeßordnung diesen Grundsatz möglichst wahren sollen. Sie hätte es<lb/>
namentlich bei den so häufigen im ersten Verhandlungstermin ergehenden<lb/>
Versäumnis- und Anerkenntnisurteilen thun können, wo ohne weiteres eine<lb/>
sofortige Berechnung der Kosten bei der Erteilung der Urteilsausfertigung<lb/>
z. B. in Form einer Anhaugsberechnung möglich ist oder doch möglich gemacht<lb/>
werden kann. Denn die Anwaltsgebühren betragen nach festem Tarife das<lb/>
anderthalbfache der gewöhnlichen Prozeßgebühr, die Parteiauslagen können<lb/>
nach dem Zeugcntarif berechnet, für Zustellungs-, Porto- und Schrcibauslagen<lb/>
können richterlich zu bemessende Pauschquanta eingeführt werden. Die Praxis<lb/>
wird schon zweckmäßige Anhalte schaffen; auch bleibt es der Partei unbe¬<lb/>
nommen, in der Klage und im Verhandlungstermin ihre besondern Kosten<lb/>
anzugeben. Die Umständlichkeit und Kostspieligkeit der jetzigen Festsetzung der<lb/>
Kosten würde dadurch sehr vermindert, insbesondre dem Schuldner die heute<lb/>
nicht seltene zweite Zwangsvollstreckung aus dem Kostenbeschluß erspart werden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0416] Vereinfachungen ans dem Gebiete des Zivilprozesses in vielen dieser Fälle der Wechselprozeß entbehrlich gemacht werden kann. Die Geschichte des Wechsels und des Protestes deuten hierzu den Weg an. Der Wechsel, der ursprünglich wie jedes Rechtsgeschäft allen Einreden aus¬ gesetzt war, ist im heutigen Rechte eine abstrakte und fast einredefreie Schrift¬ verbindlichkeit geworden. Ähnlich ist es dem Wechselprotest ergangen. Ur¬ sprünglich, wie hente noch in England, sollte er nur die Sorgfalt des Gläubigers bei der Einziehung der Wechselsumme darthun; in dem entwickelter» deutschen Wechselrecht ist er zu einem notwendigen Akt insofern geworden, als ohne ihn keine Regreßansprüche an die Vormänner des Wechselschuldners er¬ hoben werden können. Aber noch vollkommener würde der Protest werden, wenn die Antworten des Wechselschuldners nicht bloß aus Billigkeit auf¬ genommen würden, sondern einen wechselstrengen Charakter erhielten. Beweist der Protest schon jetzt, daß der Wechsel nicht gezahlt worden ist, so ist es nur ein kleiner Schritt, die Beweiskraft im gegebenen Falle auch darauf zu er¬ strecken, daß der Schuldner die Wechselschuld anerkannt hat. Es muß dem protesterhebenden Beamten zur Pflicht gemacht werden, den Schuldner zu fragen, ob er die Schuld anerkenne. Einem solchen im Protest vermerkten Anerkenntnis gegenüber ist aber ein nachfolgender Wechselprozeß nur eine leere Umständlichkeit. Denn es genügt alsdann für die Beitreibung der Wechsel¬ summe, wenn der Wechsel gerichtlich unmittelbar für vorläufig vollstreckbar erklärt wird, z. B. in Form eines auf den Protest zu setzenden Vollstreckungs¬ befehles; ein Vorbild hierfür giebt schon das in der Prozeßordnung geordnete Mahnverfahren. 3. Die Behandlung der Prozeßkosten ist heute keine einheitliche. Zu¬ nächst wird über die Kostenpflicht, und dann im besondern Festsetzungsverfahren über den Betrag der Kosten des Gegners entschieden. Ist es theoretisch richtig, daß beide Punkte nur in einer Entscheidung erledigt werden, so hätte die Zivilprozeßordnung diesen Grundsatz möglichst wahren sollen. Sie hätte es namentlich bei den so häufigen im ersten Verhandlungstermin ergehenden Versäumnis- und Anerkenntnisurteilen thun können, wo ohne weiteres eine sofortige Berechnung der Kosten bei der Erteilung der Urteilsausfertigung z. B. in Form einer Anhaugsberechnung möglich ist oder doch möglich gemacht werden kann. Denn die Anwaltsgebühren betragen nach festem Tarife das anderthalbfache der gewöhnlichen Prozeßgebühr, die Parteiauslagen können nach dem Zeugcntarif berechnet, für Zustellungs-, Porto- und Schrcibauslagen können richterlich zu bemessende Pauschquanta eingeführt werden. Die Praxis wird schon zweckmäßige Anhalte schaffen; auch bleibt es der Partei unbe¬ nommen, in der Klage und im Verhandlungstermin ihre besondern Kosten anzugeben. Die Umständlichkeit und Kostspieligkeit der jetzigen Festsetzung der Kosten würde dadurch sehr vermindert, insbesondre dem Schuldner die heute nicht seltene zweite Zwangsvollstreckung aus dem Kostenbeschluß erspart werden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/416
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/416>, abgerufen am 13.05.2024.