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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Das Iesuitengesetz

sinnung aus dem Reiche verbannen, da müßte man noch viel mehr und ganz
andre Leute packen als die paar hundert deutschen Professen des Jesuitenordens!

Und nun noch ein paar Worte über die Zweckmäßigkeit der Maßregel,
Was hat sie geholfen? Nichts. Hat sie den Bestrebungen und Wahlerfolgen
des Ultramontanismus irgend welchen Abbruch gethan? Nein. Das war auch
gar nicht anders zu erwarten; die paar hundert Männer mit den langen
Röcken und den runden Hüten sind über die Grenze gegangen, die viel größere
Zahl der Jesuiten, die es ohne Ordensgelübde sind, und mit ihnen der
Jesuitieunus mit seinein ganzen Einfluß auf Kirche und Staat ist uns geblieben.
Der einzige Erfolg ist ein billiges und bei den reichen Mitteln des Ordens
gewiß nicht eutbehrnngsvolles Martyrium der Ausgewanderten oder Aus-
getriebenen -- die Luft des Vaterlandes entbehrt ja der Ordensjesuit, der sein
Baterland abschwört, nicht! --, den ultramontanen Führern und Machern der
Katholikentage aber, denen es um das Recht dieser einzelnen Jesuiten so wenig
wie um die Bekämpfung der Sozialdemokratie, sondern nur um die Herrschaft
Roms über Deutschland zu thun ist, giebt dieses Martyrium eine höchst er¬
wünschte Waffe in die Hand, um bei dem katholischen Volte mit einem Schein
von Recht Klage über Unterdrückung und Verfolgung der katholischen Kirche
zu sichren. Die große Masse des katholischen Volkes ist nicht fanatisch, an
den Jesuiten als solchen ist ihm blutwenig gelegen, und wenn mau ihm nichts
weiteres zu sagen hat, als daß das Reich dem Jesuitenorden keine "Nieder¬
lassung" gestatte, so wird das bei ihm nicht die mindeste Aufregung oder
Erbitterung hervorrufen; aber wenn man ihm sagt: "Eure Glaubensgenossen
werden um ihres Glaubens mulier ohne Urteil und Recht von Ort zu Ort
gehetzt und aus dem Reiche vertrieben, sie werden schlechter behandelt als
überwiesen" gemeine Verbrecher!" das wirkt, und das muß wirken, denn das
Gefühl für Recht und Unrecht, das Mitgefühl mit dem ohne eigne Schuld
verfolgten ist im katholischen Deutschen so lebendig wie im protestantischen.

Das Jesuitengesetz war ein Akt der Notwehr des Reiches gegen den
Ultramontanismus. Knirschend vor Wild hatte dieser im Jahre 1866 den
Sieg Preußens über das (damals) gut jesuitische Österreich mit angesehen.
Das Jahr 1870 brachte den von der Jesuitenfreuudiu Eugenie gewünschten
Krieg; mindestens bei den süddeutschen Ultramontanen war damals von
patriotischer Begeisterung wenig zu verspüren. Und kaum war der glorreiche
Sieg erfochten und das Reich mit Mühe aufgerichtet, da trat der gesamte
deutsche Ultramontanismus mit dem Verlangen auf, das Reich solle dein
braven Jesuiteufreund Pio Nouv zum Danke dafür, daß er uns in Gemein¬
schaft mit seiner schönen Freundin eine Grube gegraben hatte, in die sie dann
verdientermaßen beide, er von italienischen, sie von deutschen Gewehrkolben
gestoßen, selbst hineinfielen -- zum Danke für diese freundliche Gesinnung solle
das Reich dem Papste seinen Kirchenstaat wieder erobern. Und als das Reich


Das Iesuitengesetz

sinnung aus dem Reiche verbannen, da müßte man noch viel mehr und ganz
andre Leute packen als die paar hundert deutschen Professen des Jesuitenordens!

Und nun noch ein paar Worte über die Zweckmäßigkeit der Maßregel,
Was hat sie geholfen? Nichts. Hat sie den Bestrebungen und Wahlerfolgen
des Ultramontanismus irgend welchen Abbruch gethan? Nein. Das war auch
gar nicht anders zu erwarten; die paar hundert Männer mit den langen
Röcken und den runden Hüten sind über die Grenze gegangen, die viel größere
Zahl der Jesuiten, die es ohne Ordensgelübde sind, und mit ihnen der
Jesuitieunus mit seinein ganzen Einfluß auf Kirche und Staat ist uns geblieben.
Der einzige Erfolg ist ein billiges und bei den reichen Mitteln des Ordens
gewiß nicht eutbehrnngsvolles Martyrium der Ausgewanderten oder Aus-
getriebenen — die Luft des Vaterlandes entbehrt ja der Ordensjesuit, der sein
Baterland abschwört, nicht! —, den ultramontanen Führern und Machern der
Katholikentage aber, denen es um das Recht dieser einzelnen Jesuiten so wenig
wie um die Bekämpfung der Sozialdemokratie, sondern nur um die Herrschaft
Roms über Deutschland zu thun ist, giebt dieses Martyrium eine höchst er¬
wünschte Waffe in die Hand, um bei dem katholischen Volte mit einem Schein
von Recht Klage über Unterdrückung und Verfolgung der katholischen Kirche
zu sichren. Die große Masse des katholischen Volkes ist nicht fanatisch, an
den Jesuiten als solchen ist ihm blutwenig gelegen, und wenn mau ihm nichts
weiteres zu sagen hat, als daß das Reich dem Jesuitenorden keine „Nieder¬
lassung" gestatte, so wird das bei ihm nicht die mindeste Aufregung oder
Erbitterung hervorrufen; aber wenn man ihm sagt: „Eure Glaubensgenossen
werden um ihres Glaubens mulier ohne Urteil und Recht von Ort zu Ort
gehetzt und aus dem Reiche vertrieben, sie werden schlechter behandelt als
überwiesen« gemeine Verbrecher!" das wirkt, und das muß wirken, denn das
Gefühl für Recht und Unrecht, das Mitgefühl mit dem ohne eigne Schuld
verfolgten ist im katholischen Deutschen so lebendig wie im protestantischen.

Das Jesuitengesetz war ein Akt der Notwehr des Reiches gegen den
Ultramontanismus. Knirschend vor Wild hatte dieser im Jahre 1866 den
Sieg Preußens über das (damals) gut jesuitische Österreich mit angesehen.
Das Jahr 1870 brachte den von der Jesuitenfreuudiu Eugenie gewünschten
Krieg; mindestens bei den süddeutschen Ultramontanen war damals von
patriotischer Begeisterung wenig zu verspüren. Und kaum war der glorreiche
Sieg erfochten und das Reich mit Mühe aufgerichtet, da trat der gesamte
deutsche Ultramontanismus mit dem Verlangen auf, das Reich solle dein
braven Jesuiteufreund Pio Nouv zum Danke dafür, daß er uns in Gemein¬
schaft mit seiner schönen Freundin eine Grube gegraben hatte, in die sie dann
verdientermaßen beide, er von italienischen, sie von deutschen Gewehrkolben
gestoßen, selbst hineinfielen — zum Danke für diese freundliche Gesinnung solle
das Reich dem Papste seinen Kirchenstaat wieder erobern. Und als das Reich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/556>, abgerufen am 06.06.2024.