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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Das Iesuitengesetz

dieses Alisinnen zurückwies, da war das Zentrum als eine dein neuen gleiche
feindselig geschlossen gegenüberstehende Partei fertig. Unter den Mitgliedern
des Zentrums sind sicherlich manche ehrliche Deutsche, ivie im Jesuitenorden
mancher persönliche höchst achtbare Mann; dennoch ist und bleibt dieser wie
jenes ein Todfeind nicht des Protestantischen, sondern des glanbensfreien
Reiches,

Der ultramontanen Kriegserklärung hat das Reich mit dem Jesuitengesetz
geantwortet; es war, wir wiederholen es, ein Akt der Notwehr, und dabei
ist es gegangen, wie es bei der Notwehr oft geht: der Angegriffene hat die
Grenzen der Notwehr überschritten, er ist in der Abwehr weiter gegangen,
als notwendig und gerecht war. Aber wenn der mutwillige Angreifer dabei
etwas unsanft berührt worden ist, so kann er sich darüber nicht viel beklagen.
Heute ist Deutschland wie mit Österreich so auch mit Italien eng verbündet;
die Wiederherstellung des Kirchenstaates paradirt zwar ab und zu noch auf
dem Programm der Katholikentage, im Ernst wird aber kaum noch ein deut¬
scher Ultramoutaner darau denken. Jede That zur Verwirklichung des Ge¬
dankens, der Ströme von Blut kosten würde, wäre eine Ruchlosigkeit. Die
Leidenschaft des kirchlichen Kampfes ist verraucht, der weltgeschichtliche Kampf
selbst ist nicht zu Ende und wird fortdauern, so lange das deutsche Reich und
das römische Papsttum neben einander bestehen. Das Jesuitengesetz hat sich
in seiner gegen die inländischen Mitglieder des Ordens gerichteten Bestimmung
als eine unbrauchbare, dem Reiche viel mehr schädliche als nützliche Waffe er¬
wiesen, werfen wir darum diese Waffe lieber heute als morgen weg!

Was die deutschen Katholiken mit Recht verlangen, und was die deutschen
Protestanten mit Recht nicht verweigern können, das ist ein Gesetz des Inhalts:

Die Bestimmung des NeichSgesetzes vom l. Juli 1872, wonach inländischen
Augehörigen des Ordens der Gesellschaft Jesu der Aufenthalt an einzelnen be¬
stimmten Orten des Bnndesciebietes versagt oder angewiesen werden kann, ist
aufgehoben.

Das Zentrum wird mit einem solchen Gesetzesvvrschlag nicht zufrieden
sein, seine Führer verlangen, um den beliebten parlamentarischen Knoten¬
ansdruck zu gebrauchen, den Jesuitenorden "voll und ganz," und die Mit¬
glieder, zu stummem Gehorsam und zum suvrilivium iutölleow" verpflichtet,
stimme" zu. Die Sozialdemokraten stimmen auch zu: ihnen schadet die Zu¬
lassung des Ordens gewiß nichts, davon überzeugt sie ein Blick über die
belgische Grenze. Diejenigen Deutschfreisinuigen, die keine höhere Ehre kennen.
als die gehorsamen Diener Eugen Richters zu sei", stimmen auch zu, denn Eugen
Richter stimmt zu - weil er Eugen Richter ist. Wer aber ein Herz für
Deutschlands Recht und Ehre hat, wein der innere Frieden des Reiches am
Herzen liegt, der wird ein Gesetz, wie wir es vorschlagen, willkommen heißen,
dann aber sagen: Bis hierher und nicht weiter! Wir hoffen, daß die konser-


Das Iesuitengesetz

dieses Alisinnen zurückwies, da war das Zentrum als eine dein neuen gleiche
feindselig geschlossen gegenüberstehende Partei fertig. Unter den Mitgliedern
des Zentrums sind sicherlich manche ehrliche Deutsche, ivie im Jesuitenorden
mancher persönliche höchst achtbare Mann; dennoch ist und bleibt dieser wie
jenes ein Todfeind nicht des Protestantischen, sondern des glanbensfreien
Reiches,

Der ultramontanen Kriegserklärung hat das Reich mit dem Jesuitengesetz
geantwortet; es war, wir wiederholen es, ein Akt der Notwehr, und dabei
ist es gegangen, wie es bei der Notwehr oft geht: der Angegriffene hat die
Grenzen der Notwehr überschritten, er ist in der Abwehr weiter gegangen,
als notwendig und gerecht war. Aber wenn der mutwillige Angreifer dabei
etwas unsanft berührt worden ist, so kann er sich darüber nicht viel beklagen.
Heute ist Deutschland wie mit Österreich so auch mit Italien eng verbündet;
die Wiederherstellung des Kirchenstaates paradirt zwar ab und zu noch auf
dem Programm der Katholikentage, im Ernst wird aber kaum noch ein deut¬
scher Ultramoutaner darau denken. Jede That zur Verwirklichung des Ge¬
dankens, der Ströme von Blut kosten würde, wäre eine Ruchlosigkeit. Die
Leidenschaft des kirchlichen Kampfes ist verraucht, der weltgeschichtliche Kampf
selbst ist nicht zu Ende und wird fortdauern, so lange das deutsche Reich und
das römische Papsttum neben einander bestehen. Das Jesuitengesetz hat sich
in seiner gegen die inländischen Mitglieder des Ordens gerichteten Bestimmung
als eine unbrauchbare, dem Reiche viel mehr schädliche als nützliche Waffe er¬
wiesen, werfen wir darum diese Waffe lieber heute als morgen weg!

Was die deutschen Katholiken mit Recht verlangen, und was die deutschen
Protestanten mit Recht nicht verweigern können, das ist ein Gesetz des Inhalts:

Die Bestimmung des NeichSgesetzes vom l. Juli 1872, wonach inländischen
Augehörigen des Ordens der Gesellschaft Jesu der Aufenthalt an einzelnen be¬
stimmten Orten des Bnndesciebietes versagt oder angewiesen werden kann, ist
aufgehoben.

Das Zentrum wird mit einem solchen Gesetzesvvrschlag nicht zufrieden
sein, seine Führer verlangen, um den beliebten parlamentarischen Knoten¬
ansdruck zu gebrauchen, den Jesuitenorden „voll und ganz," und die Mit¬
glieder, zu stummem Gehorsam und zum suvrilivium iutölleow» verpflichtet,
stimme» zu. Die Sozialdemokraten stimmen auch zu: ihnen schadet die Zu¬
lassung des Ordens gewiß nichts, davon überzeugt sie ein Blick über die
belgische Grenze. Diejenigen Deutschfreisinuigen, die keine höhere Ehre kennen.
als die gehorsamen Diener Eugen Richters zu sei», stimmen auch zu, denn Eugen
Richter stimmt zu - weil er Eugen Richter ist. Wer aber ein Herz für
Deutschlands Recht und Ehre hat, wein der innere Frieden des Reiches am
Herzen liegt, der wird ein Gesetz, wie wir es vorschlagen, willkommen heißen,
dann aber sagen: Bis hierher und nicht weiter! Wir hoffen, daß die konser-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/557>, abgerufen am 13.05.2024.