Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.Alexander wollte ein mächtiges Deutschland bloß als Bollwerk gegen Frank¬ Erst mit dein 15!. Mai 1815, mit dem entscheidenden Entwurf Metternicho, Mit Hochachtung gegen den Verfasser, aber ohne Freude über so viele Wir Bürger des neuen Reiches können uns jetzt über diese schwindsüchtige R. Schäfer Alexander wollte ein mächtiges Deutschland bloß als Bollwerk gegen Frank¬ Erst mit dein 15!. Mai 1815, mit dem entscheidenden Entwurf Metternicho, Mit Hochachtung gegen den Verfasser, aber ohne Freude über so viele Wir Bürger des neuen Reiches können uns jetzt über diese schwindsüchtige R. Schäfer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0562" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209141"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1636" prev="#ID_1635"> Alexander wollte ein mächtiges Deutschland bloß als Bollwerk gegen Frank¬<lb/> reich! Es war kein Wunder, daß Metternichs Verfassnngsplan unmittelbar gegen<lb/> Preußen und auf die deutsche kaiserliche Würde zu Gunsten Österreichs zielte,<lb/> ja daß die Gefahr eines Tripelallianzkrieges gegen Preußen drohte, und daß<lb/> selbst ein kleiner Staat wie Württemberg Verwicklungen anrichten konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1637"> Erst mit dein 15!. Mai 1815, mit dem entscheidenden Entwurf Metternicho,<lb/> den Humboldt mit Anmerkungen versah, geschah ein großer Schritt vorwärts.<lb/> Und dennoch erforderte es eines „Ultimatnms" und eines „Memorandums"<lb/> vonseite» Humboldts, um in den Sitzungen mit ihrer Sturmflut von An¬<lb/> trägen, der Anfechtung sämtlicher vorgelegten siebzehn Artikel, überhaupt zu<lb/> einem Ziele zu kommen. Die Unterzeichnung der Bundesurkunde geschah am<lb/> 10. Juni 1815. Dieser Teil des Schmidtschen Werkes ist ein Beweis deutsche»<lb/> Gelehrtensleißes; »lit »»ermüdlicher Sorgfalt sind hier die verschiednen Ent¬<lb/> würfe mit ihren Noten und Abänderungen verglichen und auseiuaiidergehaltcu;<lb/> wenn wir etwas vermißt bilden, so wäre es nur eine übersichtliche zusammen¬<lb/> fassende Skizzirung des Werdeprozesses, sonne ein chronologischer Überblick über<lb/> die Verfassungsgeschichte der deutschen Staaten nach 1815, die Schmidt geplant<lb/> hat und Stern wohl hätte schreiben können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1638"> Mit Hochachtung gegen den Verfasser, aber ohne Freude über so viele<lb/> Verlorne Liebesmühe der damaligen Staatsmänner legt mau das Buch aus der<lb/> Hemd, das mit deu Worten schließt: „War auch el» erbliches Kaisertum damals<lb/> unerreichbar, eine straffere Zentralisation würde jedenfalls bei wirklich opfere<lb/> bereiter Gesinnung erreichbar gewesen sein; statt dessen trat ein Bund ins<lb/> Leben, der von vornherein unverkennbar phthisische Anlagen in sich trug."</p><lb/> <p xml:id="ID_1639"> Wir Bürger des neuen Reiches können uns jetzt über diese schwindsüchtige<lb/> Anlage trösten; wurde doch in demselben Frühling, wo die verhängnisvolle<lb/> Bundesurkunde unterschrieben wurde, der Genius geboren, der das einzige Heil¬<lb/> verfahren der politischen deutscheu „Phthisis" kunnte: Otto vou Bismarck.</p><lb/> <note type="byline"> R. Schäfer</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0562]
Alexander wollte ein mächtiges Deutschland bloß als Bollwerk gegen Frank¬
reich! Es war kein Wunder, daß Metternichs Verfassnngsplan unmittelbar gegen
Preußen und auf die deutsche kaiserliche Würde zu Gunsten Österreichs zielte,
ja daß die Gefahr eines Tripelallianzkrieges gegen Preußen drohte, und daß
selbst ein kleiner Staat wie Württemberg Verwicklungen anrichten konnte.
Erst mit dein 15!. Mai 1815, mit dem entscheidenden Entwurf Metternicho,
den Humboldt mit Anmerkungen versah, geschah ein großer Schritt vorwärts.
Und dennoch erforderte es eines „Ultimatnms" und eines „Memorandums"
vonseite» Humboldts, um in den Sitzungen mit ihrer Sturmflut von An¬
trägen, der Anfechtung sämtlicher vorgelegten siebzehn Artikel, überhaupt zu
einem Ziele zu kommen. Die Unterzeichnung der Bundesurkunde geschah am
10. Juni 1815. Dieser Teil des Schmidtschen Werkes ist ein Beweis deutsche»
Gelehrtensleißes; »lit »»ermüdlicher Sorgfalt sind hier die verschiednen Ent¬
würfe mit ihren Noten und Abänderungen verglichen und auseiuaiidergehaltcu;
wenn wir etwas vermißt bilden, so wäre es nur eine übersichtliche zusammen¬
fassende Skizzirung des Werdeprozesses, sonne ein chronologischer Überblick über
die Verfassungsgeschichte der deutschen Staaten nach 1815, die Schmidt geplant
hat und Stern wohl hätte schreiben können.
Mit Hochachtung gegen den Verfasser, aber ohne Freude über so viele
Verlorne Liebesmühe der damaligen Staatsmänner legt mau das Buch aus der
Hemd, das mit deu Worten schließt: „War auch el» erbliches Kaisertum damals
unerreichbar, eine straffere Zentralisation würde jedenfalls bei wirklich opfere
bereiter Gesinnung erreichbar gewesen sein; statt dessen trat ein Bund ins
Leben, der von vornherein unverkennbar phthisische Anlagen in sich trug."
Wir Bürger des neuen Reiches können uns jetzt über diese schwindsüchtige
Anlage trösten; wurde doch in demselben Frühling, wo die verhängnisvolle
Bundesurkunde unterschrieben wurde, der Genius geboren, der das einzige Heil¬
verfahren der politischen deutscheu „Phthisis" kunnte: Otto vou Bismarck.
R. Schäfer
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