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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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so verschwenderisch sind, sagte er heiter, während er sorgfältig den Lack
ringsnm abwischte, aber am Weihnachtsabend darf man schon seine gewöhnliche
Sparsamkeit vergessein Heraus mit den Liqueurgläsern, Frauchen! Welch ein
Duft! Ja ich weiß, daß du dich darauf verstehst, du Leckermüulcheu! Er
lachte seine Frau an, die die Tassen und Gläser auf dem Brett ordnete,
damit alles Platz fände,

Herr Tobicisseu saß mit dem Arm um deu kleinen und sah dein Neffen
zu. Dieser Familienvater war ein Bild der Gesundheit, Seine Gestalt fing
schon an, etwas in die Breite zu gehen, aber nur wie aus Übermaß um Wohl¬
befinden. Schien es dem etwa, wenn er den seinen etwas gab, als nähme er es
andern weg? Nie! Der war mit sich im Reinen darüber, was für ihn über-
oder untergeordnet war. Da gab e^ keine" Zwiespalt zwischen einseitigem
Egoismus und einseitigem Selbstvergessen, hier gab es nur eine" Regulators
die Familie, Das, was für Herrn Tvbinsfen so unvereinbar gewesen war
der eigne Borten und das Wohlwollen gegen andre, das verschmolz hier ganz
natürlich und begrenzte sich wohlthuend,

Der alte Herr versank in Gedanken, wie er öfters zu thu" pflegte; sein
Blick war wie abwesend, er achtete nicht auf den Neffen, der, nachdem er seine
Flasche geöffnet hatte, nur dasaß und ihn betrachtete.

Über dus gutmütige junge Gesicht mit dem großen Knebelbart und den
freundlichen Angen hatte sich innige Teilnahme gelegt. Sei" eignes Herz
war so reich nud voll, nnn rührte ihn die Armut in dein Leben des Alten,
auf untre Weise als früher, wo er ein lustiger Student gewesen war, der von
der geringen häuslichen Gemütlichkeit zehrte, die sich der Einsiedler zu ver¬
schaffen wußte.

Wie gran er doch geworden war! Wie durchfurcht dieses ehrliche, gut¬
mütige Gesicht! Er legte seiue Hand ans seines Weibes Arm, und ihre Augen
folgte" der Richtung seines Blickes,

Man sieht, daß Onkel a" die Einsamkeit gewöhnt ist, sagte er, "ut die
Stimme war weicher al^ vorher; dieser nach i""e" gekehrte, gesammelte Blick
ist typisch für de", der a"f sich selbst angewiesen ist.

Wie eine weiche Hand weckten diese Worte deu Alte" in>5 seine"! Grübel",
Er sah auf, und die bewegliche" Züge ebneten sich z" einen, freundliche"
Lächeln. Welch el" hübscher Patriarchenkopf war es doch!

Jawohl; und deshalb bi" ich dir dankbar, daß d" auch mit hierher ge-
"onuue" hast, sagte er, vo" selbst wäre ich doch "le gekommen.

Sein Dank war aufrichtig. Bei diesem jungen Paar und in diesem gesunden
Alltagsglück war etwas, das heilend auf sei" zergrübeltes Gemüt wirkte, und das
ihm etwas vo" der Gemütsruhe gab, uach der er sich so lange gesehnt hatte. Und
auch das trug dazu bei, daß er diesen wurmen, weichen Leib in seinen Armen
fühlte, der das zerstreute Mitgefühl für alles Lebende dahin gebracht halte,


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so verschwenderisch sind, sagte er heiter, während er sorgfältig den Lack
ringsnm abwischte, aber am Weihnachtsabend darf man schon seine gewöhnliche
Sparsamkeit vergessein Heraus mit den Liqueurgläsern, Frauchen! Welch ein
Duft! Ja ich weiß, daß du dich darauf verstehst, du Leckermüulcheu! Er
lachte seine Frau an, die die Tassen und Gläser auf dem Brett ordnete,
damit alles Platz fände,

Herr Tobicisseu saß mit dem Arm um deu kleinen und sah dein Neffen
zu. Dieser Familienvater war ein Bild der Gesundheit, Seine Gestalt fing
schon an, etwas in die Breite zu gehen, aber nur wie aus Übermaß um Wohl¬
befinden. Schien es dem etwa, wenn er den seinen etwas gab, als nähme er es
andern weg? Nie! Der war mit sich im Reinen darüber, was für ihn über-
oder untergeordnet war. Da gab e^ keine» Zwiespalt zwischen einseitigem
Egoismus und einseitigem Selbstvergessen, hier gab es nur eine» Regulators
die Familie, Das, was für Herrn Tvbinsfen so unvereinbar gewesen war
der eigne Borten und das Wohlwollen gegen andre, das verschmolz hier ganz
natürlich und begrenzte sich wohlthuend,

Der alte Herr versank in Gedanken, wie er öfters zu thu» pflegte; sein
Blick war wie abwesend, er achtete nicht auf den Neffen, der, nachdem er seine
Flasche geöffnet hatte, nur dasaß und ihn betrachtete.

Über dus gutmütige junge Gesicht mit dem großen Knebelbart und den
freundlichen Angen hatte sich innige Teilnahme gelegt. Sei» eignes Herz
war so reich nud voll, nnn rührte ihn die Armut in dein Leben des Alten,
auf untre Weise als früher, wo er ein lustiger Student gewesen war, der von
der geringen häuslichen Gemütlichkeit zehrte, die sich der Einsiedler zu ver¬
schaffen wußte.

Wie gran er doch geworden war! Wie durchfurcht dieses ehrliche, gut¬
mütige Gesicht! Er legte seiue Hand ans seines Weibes Arm, und ihre Augen
folgte» der Richtung seines Blickes,

Man sieht, daß Onkel a» die Einsamkeit gewöhnt ist, sagte er, »ut die
Stimme war weicher al^ vorher; dieser nach i»»e» gekehrte, gesammelte Blick
ist typisch für de», der a»f sich selbst angewiesen ist.

Wie eine weiche Hand weckten diese Worte deu Alte» in>5 seine»! Grübel»,
Er sah auf, und die bewegliche» Züge ebneten sich z» einen, freundliche»
Lächeln. Welch el» hübscher Patriarchenkopf war es doch!

Jawohl; und deshalb bi» ich dir dankbar, daß d» auch mit hierher ge-
»onuue» hast, sagte er, vo» selbst wäre ich doch »le gekommen.

Sein Dank war aufrichtig. Bei diesem jungen Paar und in diesem gesunden
Alltagsglück war etwas, das heilend auf sei« zergrübeltes Gemüt wirkte, und das
ihm etwas vo» der Gemütsruhe gab, uach der er sich so lange gesehnt hatte. Und
auch das trug dazu bei, daß er diesen wurmen, weichen Leib in seinen Armen
fühlte, der das zerstreute Mitgefühl für alles Lebende dahin gebracht halte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/635>, abgerufen am 17.06.2024.