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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Römische Lrühlingsbilder

Die Porta und die Piazza del Popolo, die unmittelbar unter der Balustrade
der großen Terrasse des Monte Pincio liegen, sind längst nicht mehr Eingang
und Vorhof der ewigen Stadt, was sie so viele Jahrhunderte gewesen sind.
Aber um das trinmphbvgennrtig geschmückte Thor, den großen Obelisken, die
Brunnen des Platzes und die Kirchen an den Eingängen zur Bin Babuino,
zum Korso und zur Via ti Ripettn schwebt fort und fort ein Hauch der Er¬
innerung. Mau kann keinen Blick auf den Thorbogen thun, ohne der Tausende
und aber Tausende von großen und kleinen Meuscheu zu gedenken, die klopfenden
Herzens, hoher Erwartungen voll auf der Straße von Ponte Molle her
durch ihn in Rom einfuhren. Und man kann nicht auf dem charakteristisch
schönen Platze verweilen, ohne sich ins Gedächtnis zu rufen, wie früh Phan¬
tasie und Leben beinahe jedes Einzelnen mit dieser Stadt verknüpft worden
sind. Ich entsann mich nicht mir der lebendigen Erzählungen, die mir vor
Jahrzehnten noch lebende und schon verstorbene Küustlerfreuude gemacht haben,
die noch dnrch die Porta del Popolo ihren Einzug gehalten hatten, sondern
ich fühlte auch andre Erinnerungen erwachen. Der Obelisk, den Kaiser Augustus
vom nghptischen Heliopolis nach Rom geführt und den Fontana nnter der
Regierung Si^tus des Fünfte" hier aufgerichtet hat, ragte in die ersten
Novellen hinein, die ich jemals gelesen hatte, und muß in einer vergessenen
Erzählung Leopold Schefers oder WachSmanns eine Rolle spielen. Die In¬
schriften der Porta del Popolo, die dein Platze zugekehrt sind, hatte ich bei
Studien über den Aufenthalt der Königin Christine von Schwede" in Rom schon
vor Jahrzehnten gelesen, denn sie sind zu Ehren des Einzugs der große" Kon¬
vertitin am 21. Dezember l">5>5> ans den, Thore angebracht und zur Feier eines
außerordentlichen Triumphes der Kirche gedruckt in alle Welt verbreitet worden.
Die angeblich rafaelische Statue des Jonas in der Chigikapelle gehörte in einer
guten Nachbildung in einer kleinen böhmischen Kirche zu den ersten Eindrücken,
die ich von plastischen Kunstwerken empfangen habe. Und wie nur, so ergeht
es Hunderten; wenn er sich recht besinnt, findet jeder, der nach Rom kommt,
überall Anknüpfungen und erfährt in sich selbst, daß er hier in einem Welt¬
mittelpunkte steht, von dem unübersehbare Ausstrahlungen und Wirkungen nach
allen Seiten hin ausgegangen sind. Die lebendigste Gegenwart ist hier überall
so mit der Vergangenheit gesättigt, daß nur ganz öde Gemüter und ganz flache
Naturen ausschließlich dem Augenblick leben können.

Wenige Schritte von der Piazza del Popolo in den Korso hinein führen
zu dein stattlichen Hanse auf der linke" Seite der römischen Hauptstraße, das
Goethe während seines Aufenthaltes bewohnte, das jetzt durch eine vom
römischen Gemeinderat gestiftete Erinnerungstafel bezeichnet ist, und an dem ich
wenigstens nie vorübergehen konnte, ohne die Blicke zu den Fenstern empor-
zulenken. Ein großer Teil des halb heimatlichen Gefühls, mit dem Nur
Deutschen durch Rom gehen, stammt ans der italienischen Reise des Dichters,


Grenzboten IV 1890 l >.
Römische Lrühlingsbilder

Die Porta und die Piazza del Popolo, die unmittelbar unter der Balustrade
der großen Terrasse des Monte Pincio liegen, sind längst nicht mehr Eingang
und Vorhof der ewigen Stadt, was sie so viele Jahrhunderte gewesen sind.
Aber um das trinmphbvgennrtig geschmückte Thor, den großen Obelisken, die
Brunnen des Platzes und die Kirchen an den Eingängen zur Bin Babuino,
zum Korso und zur Via ti Ripettn schwebt fort und fort ein Hauch der Er¬
innerung. Mau kann keinen Blick auf den Thorbogen thun, ohne der Tausende
und aber Tausende von großen und kleinen Meuscheu zu gedenken, die klopfenden
Herzens, hoher Erwartungen voll auf der Straße von Ponte Molle her
durch ihn in Rom einfuhren. Und man kann nicht auf dem charakteristisch
schönen Platze verweilen, ohne sich ins Gedächtnis zu rufen, wie früh Phan¬
tasie und Leben beinahe jedes Einzelnen mit dieser Stadt verknüpft worden
sind. Ich entsann mich nicht mir der lebendigen Erzählungen, die mir vor
Jahrzehnten noch lebende und schon verstorbene Küustlerfreuude gemacht haben,
die noch dnrch die Porta del Popolo ihren Einzug gehalten hatten, sondern
ich fühlte auch andre Erinnerungen erwachen. Der Obelisk, den Kaiser Augustus
vom nghptischen Heliopolis nach Rom geführt und den Fontana nnter der
Regierung Si^tus des Fünfte» hier aufgerichtet hat, ragte in die ersten
Novellen hinein, die ich jemals gelesen hatte, und muß in einer vergessenen
Erzählung Leopold Schefers oder WachSmanns eine Rolle spielen. Die In¬
schriften der Porta del Popolo, die dein Platze zugekehrt sind, hatte ich bei
Studien über den Aufenthalt der Königin Christine von Schwede» in Rom schon
vor Jahrzehnten gelesen, denn sie sind zu Ehren des Einzugs der große» Kon¬
vertitin am 21. Dezember l«>5>5> ans den, Thore angebracht und zur Feier eines
außerordentlichen Triumphes der Kirche gedruckt in alle Welt verbreitet worden.
Die angeblich rafaelische Statue des Jonas in der Chigikapelle gehörte in einer
guten Nachbildung in einer kleinen böhmischen Kirche zu den ersten Eindrücken,
die ich von plastischen Kunstwerken empfangen habe. Und wie nur, so ergeht
es Hunderten; wenn er sich recht besinnt, findet jeder, der nach Rom kommt,
überall Anknüpfungen und erfährt in sich selbst, daß er hier in einem Welt¬
mittelpunkte steht, von dem unübersehbare Ausstrahlungen und Wirkungen nach
allen Seiten hin ausgegangen sind. Die lebendigste Gegenwart ist hier überall
so mit der Vergangenheit gesättigt, daß nur ganz öde Gemüter und ganz flache
Naturen ausschließlich dem Augenblick leben können.

Wenige Schritte von der Piazza del Popolo in den Korso hinein führen
zu dein stattlichen Hanse auf der linke» Seite der römischen Hauptstraße, das
Goethe während seines Aufenthaltes bewohnte, das jetzt durch eine vom
römischen Gemeinderat gestiftete Erinnerungstafel bezeichnet ist, und an dem ich
wenigstens nie vorübergehen konnte, ohne die Blicke zu den Fenstern empor-
zulenken. Ein großer Teil des halb heimatlichen Gefühls, mit dem Nur
Deutschen durch Rom gehen, stammt ans der italienischen Reise des Dichters,


Grenzboten IV 1890 l >.
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[0089] Römische Lrühlingsbilder Die Porta und die Piazza del Popolo, die unmittelbar unter der Balustrade der großen Terrasse des Monte Pincio liegen, sind längst nicht mehr Eingang und Vorhof der ewigen Stadt, was sie so viele Jahrhunderte gewesen sind. Aber um das trinmphbvgennrtig geschmückte Thor, den großen Obelisken, die Brunnen des Platzes und die Kirchen an den Eingängen zur Bin Babuino, zum Korso und zur Via ti Ripettn schwebt fort und fort ein Hauch der Er¬ innerung. Mau kann keinen Blick auf den Thorbogen thun, ohne der Tausende und aber Tausende von großen und kleinen Meuscheu zu gedenken, die klopfenden Herzens, hoher Erwartungen voll auf der Straße von Ponte Molle her durch ihn in Rom einfuhren. Und man kann nicht auf dem charakteristisch schönen Platze verweilen, ohne sich ins Gedächtnis zu rufen, wie früh Phan¬ tasie und Leben beinahe jedes Einzelnen mit dieser Stadt verknüpft worden sind. Ich entsann mich nicht mir der lebendigen Erzählungen, die mir vor Jahrzehnten noch lebende und schon verstorbene Küustlerfreuude gemacht haben, die noch dnrch die Porta del Popolo ihren Einzug gehalten hatten, sondern ich fühlte auch andre Erinnerungen erwachen. Der Obelisk, den Kaiser Augustus vom nghptischen Heliopolis nach Rom geführt und den Fontana nnter der Regierung Si^tus des Fünfte» hier aufgerichtet hat, ragte in die ersten Novellen hinein, die ich jemals gelesen hatte, und muß in einer vergessenen Erzählung Leopold Schefers oder WachSmanns eine Rolle spielen. Die In¬ schriften der Porta del Popolo, die dein Platze zugekehrt sind, hatte ich bei Studien über den Aufenthalt der Königin Christine von Schwede» in Rom schon vor Jahrzehnten gelesen, denn sie sind zu Ehren des Einzugs der große» Kon¬ vertitin am 21. Dezember l«>5>5> ans den, Thore angebracht und zur Feier eines außerordentlichen Triumphes der Kirche gedruckt in alle Welt verbreitet worden. Die angeblich rafaelische Statue des Jonas in der Chigikapelle gehörte in einer guten Nachbildung in einer kleinen böhmischen Kirche zu den ersten Eindrücken, die ich von plastischen Kunstwerken empfangen habe. Und wie nur, so ergeht es Hunderten; wenn er sich recht besinnt, findet jeder, der nach Rom kommt, überall Anknüpfungen und erfährt in sich selbst, daß er hier in einem Welt¬ mittelpunkte steht, von dem unübersehbare Ausstrahlungen und Wirkungen nach allen Seiten hin ausgegangen sind. Die lebendigste Gegenwart ist hier überall so mit der Vergangenheit gesättigt, daß nur ganz öde Gemüter und ganz flache Naturen ausschließlich dem Augenblick leben können. Wenige Schritte von der Piazza del Popolo in den Korso hinein führen zu dein stattlichen Hanse auf der linke» Seite der römischen Hauptstraße, das Goethe während seines Aufenthaltes bewohnte, das jetzt durch eine vom römischen Gemeinderat gestiftete Erinnerungstafel bezeichnet ist, und an dem ich wenigstens nie vorübergehen konnte, ohne die Blicke zu den Fenstern empor- zulenken. Ein großer Teil des halb heimatlichen Gefühls, mit dem Nur Deutschen durch Rom gehen, stammt ans der italienischen Reise des Dichters, Grenzboten IV 1890 l >.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/89>, abgerufen am 16.06.2024.