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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Ranke und Gentz

Herrn spöttisch gefragt hatte, was denn dies um Himmels willen für eine Mode
sei. Es ist meine Mode! habe Tilly entgegnet.

Hormnyr, der damalige Vorstand des Haus-, Hof- und Staatsarchivs,
war der erste, den Ranke besuchte. "Wir waren gleich in der ersten Minute
alte Bekannte," schreibt er an einen Freund. "Es ist in ihm eine regsame und
frische Empfänglichkeit. Er ist ganz offen und voll Güte. Wir gerieten auf der
Stelle in die Historie Karls V.; meine Charakteristik Karls V. billigt er sehr. An
Philipp II. will er nicht so gern; er findet ihn weit böser, als ich ihn geschildert
habe. ^) Jedermann, den ich noch gesprochen -- fährt er dann fort --, kennt
meine Arbeiten und läßt sie gelten, der eine lobt mich der kreuz , der andre
der quer. Ebenso tadeln sie mich vielleicht morgen. Nichts ist notwendiger
als fest seine Straße zu gehen. Auf der Bibliothek finde ich außerordentlich
wichtige Sachen. Das Archiv, versichern mir Kopitar, Pilat, Gentz, Adam
Müller und andre einstimmig, wird mir geöffnet werden." Von Gentz meldet
er nichts besondres, obwohl er ihm offenbar schon vorgestellt worden war, er
nennt ihn nur. Ende November berichtet er seinem Bruder Heinrich, daß ihm
,,durch die unmittelbare Teilnahme des Fürsten Metternich und des Hofrath
Gentz das Archiv eröffnet worden sei, d. h. ein Teil eben jenes venetianischen
Archivs, von dem ich in der Vorrede zu meinem ersten Teil gehandelt habe."
Ausführlicher ergeht er sich über diese ersten Beziehungen mit den Männern
der Stnatstanzlei in einem Schreiben vom 9. Dezember: ,,Wisse zuerst -- der
Brief ist an seinen Freund, den Philosophen Ritter gerichtet --, daß bereits
seit Wochen auch das Archiv mir geöffnet ist. Es hatte sehr viel Schwierig¬
keiten. Der Gesandte, der meinen Antrag gemacht, erhielt eine abschlägige
Antwort, in aller Form abschlägig: es sei zu neu, was ich suche; es laufe
Wider alle Regeln eines Archivs, dies einen Fremden benutzen zu lassen u. s. w.
Mir war nicht wohl zu Mut. Aber einige Tage darauf beschied mich Gentz
ans eine bestimmte Zeit zu dem Fürsten Metternich. Ich traf sie beide. Der
Fürst zeigte sich geistreich, lebhaft, offen lind zutraulich. Er sieht wohl ein,
worin es unsrer Geschichtskunde mangelt und äußert hierfiir großartige Absichten.
Wie gütig mich Gentz von Anfang an bis gegenwärtig behandelt hat, kann ich
Dir nicht sagen. Nicht selten besuche ich ihn nach Tisch und finde ihn immer
wohlgesinnt und mir so behilflich wie damals. Nach dem Gespräch entwarf
ich auf einen Zettel ein kurzes Verzeichnis von denjenigen Dingen, die ich zu¬
nächst aus dem venetianischen Archiv zu sehen wünschte, ohne Überschrift und
Unterschrift. Diesen Zettel hat man dein Archiv herabgegeben mit der Weisung,
mir das Verzeichnete zukommen zu lassen. Und so find ich mich denn hier
mitten unter Manuskripten."



Beide in den "Fürsten und Völkern von Südenropa" erschienen im Sommer 1827.
Eine Rezension war wohl in Wien noch nicht erschienen.
Ranke und Gentz

Herrn spöttisch gefragt hatte, was denn dies um Himmels willen für eine Mode
sei. Es ist meine Mode! habe Tilly entgegnet.

Hormnyr, der damalige Vorstand des Haus-, Hof- und Staatsarchivs,
war der erste, den Ranke besuchte. „Wir waren gleich in der ersten Minute
alte Bekannte," schreibt er an einen Freund. „Es ist in ihm eine regsame und
frische Empfänglichkeit. Er ist ganz offen und voll Güte. Wir gerieten auf der
Stelle in die Historie Karls V.; meine Charakteristik Karls V. billigt er sehr. An
Philipp II. will er nicht so gern; er findet ihn weit böser, als ich ihn geschildert
habe. ^) Jedermann, den ich noch gesprochen — fährt er dann fort —, kennt
meine Arbeiten und läßt sie gelten, der eine lobt mich der kreuz , der andre
der quer. Ebenso tadeln sie mich vielleicht morgen. Nichts ist notwendiger
als fest seine Straße zu gehen. Auf der Bibliothek finde ich außerordentlich
wichtige Sachen. Das Archiv, versichern mir Kopitar, Pilat, Gentz, Adam
Müller und andre einstimmig, wird mir geöffnet werden." Von Gentz meldet
er nichts besondres, obwohl er ihm offenbar schon vorgestellt worden war, er
nennt ihn nur. Ende November berichtet er seinem Bruder Heinrich, daß ihm
,,durch die unmittelbare Teilnahme des Fürsten Metternich und des Hofrath
Gentz das Archiv eröffnet worden sei, d. h. ein Teil eben jenes venetianischen
Archivs, von dem ich in der Vorrede zu meinem ersten Teil gehandelt habe."
Ausführlicher ergeht er sich über diese ersten Beziehungen mit den Männern
der Stnatstanzlei in einem Schreiben vom 9. Dezember: ,,Wisse zuerst — der
Brief ist an seinen Freund, den Philosophen Ritter gerichtet —, daß bereits
seit Wochen auch das Archiv mir geöffnet ist. Es hatte sehr viel Schwierig¬
keiten. Der Gesandte, der meinen Antrag gemacht, erhielt eine abschlägige
Antwort, in aller Form abschlägig: es sei zu neu, was ich suche; es laufe
Wider alle Regeln eines Archivs, dies einen Fremden benutzen zu lassen u. s. w.
Mir war nicht wohl zu Mut. Aber einige Tage darauf beschied mich Gentz
ans eine bestimmte Zeit zu dem Fürsten Metternich. Ich traf sie beide. Der
Fürst zeigte sich geistreich, lebhaft, offen lind zutraulich. Er sieht wohl ein,
worin es unsrer Geschichtskunde mangelt und äußert hierfiir großartige Absichten.
Wie gütig mich Gentz von Anfang an bis gegenwärtig behandelt hat, kann ich
Dir nicht sagen. Nicht selten besuche ich ihn nach Tisch und finde ihn immer
wohlgesinnt und mir so behilflich wie damals. Nach dem Gespräch entwarf
ich auf einen Zettel ein kurzes Verzeichnis von denjenigen Dingen, die ich zu¬
nächst aus dem venetianischen Archiv zu sehen wünschte, ohne Überschrift und
Unterschrift. Diesen Zettel hat man dein Archiv herabgegeben mit der Weisung,
mir das Verzeichnete zukommen zu lassen. Und so find ich mich denn hier
mitten unter Manuskripten."



Beide in den „Fürsten und Völkern von Südenropa" erschienen im Sommer 1827.
Eine Rezension war wohl in Wien noch nicht erschienen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/419>, abgerufen am 10.06.2024.