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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Hingebung und Entsagung erfordert, ohne Grauen übertragen werden? Hat
sie auch mir Zeit dazu, die einer Amme übertragene Pflege ihres Kindchens
zu überwachen?

Vou der Fran, von der gebildeten Frau soll die erste, grundlegende Er¬
ziehung ausgehen. Sie soll dem Kinde das erste Gebet vorsprechen, sie soll
ihm Liebe zu seinen Mitmenschen, Achtung vor dem Alter einflößen, ihm die
ersten Sittenlehren beibringen, es durch eignes Beispiel zu einem Pflanzung
erziehen, der das Umpflanzen in die Schule lind die Unbilden der Schule des
Lebens über sich ergehen lassen kann, ohne Schaden an Leib und Seele zu
nehmen; sie soll aber auch zugleich durch ihr Beispiel die Dienstboten, die
künftigen Frauen der niedern Stände, die Mütter des Volkes, aus dessen
Kreisen jetzt das unzufriedene Murren, der Schrei nach Gleichberechtigung
herauftönt, belehre" und zur Nacheiferung bestimmen. "Die gebildete Frau
muß in jeder Hinsicht ein Beispiel für die weniger gebildete sein. Die echte
Ladhship fühlt sich durch Arbeit und Pflichterfüllung nicht herabgesetzt, sondern
sie sucht einen Stolz darin, weil Arbeit adelt." (E. Hüppe, Kliu. Wochen¬
schrift 1890, Seite 8!!4.) Solche Frauen können sich dann auch eine Kritik
ihrer Untergebenen gestatten, sie werden ein gutes Regiment führen und Achtung
und damit Nachachtung finden. Sie werden nicht nötig haben, in die Jere-
miaden über Dienstbotennvt einzustimmen. Selbst Beispiele strenger Pflicht¬
erfüllung und folglich seelischen Gleichgewichtes, werden sie Belehrung, Trost
nud Frieden in die Hütte des Ärmeren tragen und so ein gutes Teil des
sozialen Elends Heilen.

Also not thut uns vor allein mehr Selbsterziehung, Rückverleqen der
Erziehung ius Haus, in die Familie und -- Beiseitelassen des schimpflichen
Bertuschuugsshstems in der Erkenntnis, daß zu gutes Zeugnis dasselbe wirkt
wie "falsch Zeugnis reden."




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Pariser Reise.

Die (An'nzlwten könnten sich jetzt das Vergnügen
machen, nachzuweisen, wie oft sie im Laufe der letzten Jahre eine Thatsache er--
wähnt haben, durch die jetzt viele Leute so unangenehm überrascht zu sein scheinen,
die Thatsache, daß es in Frankreich wohl Personen von gesunden, Menschen¬
verstande giebt, daß sie sich aber viel zu sehr vor dem litterarischen Pöbel von
Paris fürchten, um Farbe zu bekennen, wenn dies notwendig wäre. Was will
man anch von andern verlangen, wenn der allen Ultras als nüchterner und am


Grenzlwten 1 1891 <!"

Hingebung und Entsagung erfordert, ohne Grauen übertragen werden? Hat
sie auch mir Zeit dazu, die einer Amme übertragene Pflege ihres Kindchens
zu überwachen?

Vou der Fran, von der gebildeten Frau soll die erste, grundlegende Er¬
ziehung ausgehen. Sie soll dem Kinde das erste Gebet vorsprechen, sie soll
ihm Liebe zu seinen Mitmenschen, Achtung vor dem Alter einflößen, ihm die
ersten Sittenlehren beibringen, es durch eignes Beispiel zu einem Pflanzung
erziehen, der das Umpflanzen in die Schule lind die Unbilden der Schule des
Lebens über sich ergehen lassen kann, ohne Schaden an Leib und Seele zu
nehmen; sie soll aber auch zugleich durch ihr Beispiel die Dienstboten, die
künftigen Frauen der niedern Stände, die Mütter des Volkes, aus dessen
Kreisen jetzt das unzufriedene Murren, der Schrei nach Gleichberechtigung
herauftönt, belehre» und zur Nacheiferung bestimmen. „Die gebildete Frau
muß in jeder Hinsicht ein Beispiel für die weniger gebildete sein. Die echte
Ladhship fühlt sich durch Arbeit und Pflichterfüllung nicht herabgesetzt, sondern
sie sucht einen Stolz darin, weil Arbeit adelt." (E. Hüppe, Kliu. Wochen¬
schrift 1890, Seite 8!!4.) Solche Frauen können sich dann auch eine Kritik
ihrer Untergebenen gestatten, sie werden ein gutes Regiment führen und Achtung
und damit Nachachtung finden. Sie werden nicht nötig haben, in die Jere-
miaden über Dienstbotennvt einzustimmen. Selbst Beispiele strenger Pflicht¬
erfüllung und folglich seelischen Gleichgewichtes, werden sie Belehrung, Trost
nud Frieden in die Hütte des Ärmeren tragen und so ein gutes Teil des
sozialen Elends Heilen.

Also not thut uns vor allein mehr Selbsterziehung, Rückverleqen der
Erziehung ius Haus, in die Familie und — Beiseitelassen des schimpflichen
Bertuschuugsshstems in der Erkenntnis, daß zu gutes Zeugnis dasselbe wirkt
wie „falsch Zeugnis reden."




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Pariser Reise.

Die (An'nzlwten könnten sich jetzt das Vergnügen
machen, nachzuweisen, wie oft sie im Laufe der letzten Jahre eine Thatsache er--
wähnt haben, durch die jetzt viele Leute so unangenehm überrascht zu sein scheinen,
die Thatsache, daß es in Frankreich wohl Personen von gesunden, Menschen¬
verstande giebt, daß sie sich aber viel zu sehr vor dem litterarischen Pöbel von
Paris fürchten, um Farbe zu bekennen, wenn dies notwendig wäre. Was will
man anch von andern verlangen, wenn der allen Ultras als nüchterner und am


Grenzlwten 1 1891 <!»
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/481>, abgerufen am 26.05.2024.