Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Berlin und sein Hof im Icihre !^6<Z6 Kreuz auf der Brust tragen. Es ist das eine Auszeichnung, die vom Kur¬ Mittwoch den 23. Mai kehrte ich in der Frühe mit dem Signor Ferdi¬ In Berlin lernte ich Herrn Hernaut, den berühmten piemontesischen Ich fand hier mich eine kürzlich von einigen Venetianern erbaute Glas¬ In Berlin sieht man zweirüdrige Wagen höchst merkmürdiger Bauart, Während meines Anfenthaltes in Potsdam waren die Minister des Fürsten Berlin und sein Hof im Icihre !^6<Z6 Kreuz auf der Brust tragen. Es ist das eine Auszeichnung, die vom Kur¬ Mittwoch den 23. Mai kehrte ich in der Frühe mit dem Signor Ferdi¬ In Berlin lernte ich Herrn Hernaut, den berühmten piemontesischen Ich fand hier mich eine kürzlich von einigen Venetianern erbaute Glas¬ In Berlin sieht man zweirüdrige Wagen höchst merkmürdiger Bauart, Während meines Anfenthaltes in Potsdam waren die Minister des Fürsten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209321"/> <fw type="header" place="top"> Berlin und sein Hof im Icihre !^6<Z6</fw><lb/> <p xml:id="ID_230" prev="#ID_229"> Kreuz auf der Brust tragen. Es ist das eine Auszeichnung, die vom Kur¬<lb/> fürsten seinen beliebtesten Kavalieren verliehen wird; sie ist außerdem mit einem<lb/> Titel und einer Dotation verbunden.</p><lb/> <p xml:id="ID_231"> Mittwoch den 23. Mai kehrte ich in der Frühe mit dem Signor Ferdi¬<lb/> nands nach Berlin zurück, nachdem ich mich bei den kurfürstlichen Hoheiten,<lb/> die nur jede mögliche Auszeichnung hatten zu teil werden lassen, verab¬<lb/> schiedet hatte. An demselben Morgen brach auch der Hof nach einem andern<lb/> Schlosse auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_232"> In Berlin lernte ich Herrn Hernaut, den berühmten piemontesischen<lb/> Waffenschmied, kennen, der neben der Herstellung von Pistolen-, Arkebnsen-<lb/> und Flintenläufen, sowie der Verzierung derselben mit Beschlägen, die in er¬<lb/> habener Arbeit Figuren, geschichtliche Begebenheiten und andres darstellen, auch<lb/> Eisen und Stahl in der höchsten Vollkommenheit bearbeitet. Er verfertigt<lb/> auch stählerne Nockknöpfe in Facettenfvrm, die so blank geschliffen sind, daß<lb/> sie wie Diamanten aussehen. Er ist der Erfinder der Knopfe, und obgleich<lb/> andre von derselben Kunstfertigkeit Probe abgelegt haben, so sind ihre Knöpfe<lb/> nicht von der Vollendung der seinigen; er wendet nämlich ein besondres Ver¬<lb/> fahren an, den Stahl zu läutern und geschmeidig zu machen, dann aber hart,<lb/> spröde und dicht werden zu lassen-</p><lb/> <p xml:id="ID_233"> Ich fand hier mich eine kürzlich von einigen Venetianern erbaute Glas¬<lb/> hütte, worin ein sehr vollkommenes Spiegelglas, das an Güte dem venetia-<lb/> nischen kaum nachsteht, verfertigt wird; das gesamte hierzu erforderliche<lb/> Material findet sich in der Umgebung der Stadt.</p><lb/> <p xml:id="ID_234"> In Berlin sieht man zweirüdrige Wagen höchst merkmürdiger Bauart,<lb/> weil jedermann bemüht ist, eine neuere und bequemere Einrichtung zu ersinnen.<lb/> Einige dieser Neuerungen sind anch in der That ganz zweckmäßig, aber<lb/> auch nur in diesem völlig ebnen Lande; in einem andern würden sie nur<lb/> lästig sein. Den Brandenburgern gebührt die Erfindung eines Seiles, das<lb/> von einer Winde unterhalb der Wagenstange gezogen wird, sowie eines ans<lb/> den Wageustangen befindlichen, mittels eines Eisendrahtes beweglichen, ledernen<lb/> Verdecks, das verhindert, daß der von den Rädern ausspritzende Kot den<lb/> Wagen und die Insassen trifft. Ferner haben sie, wie sie behaupten, das<lb/> „Magazin" erfunden, d. h. einen großen, vorn zwischen den Wagenstangen<lb/> befindlichen kalbledernen Behälter, worin sie ihr Silberzeug oder ihre Papiere<lb/> und andre gewöhnlichere Gegenstände aufbewahren können. Als Kissen be¬<lb/> dienen sie sich einer Matratze, die zur Hälfte als Sitzunterlage, zur Hälfte<lb/> als Rückenpolster und nachts in den Wirtshäusern als Lagerstätte benutzt<lb/> wird. Die so erbauten zweirüdrigeu Wagen, die gewöhnlich „Berliner" heißen,<lb/> sind zwei- bis viersitzig.</p><lb/> <p xml:id="ID_235" next="#ID_236"> Während meines Anfenthaltes in Potsdam waren die Minister des Fürsten<lb/> von Berlin uach Hamburg gereist, um dort die Streitigkeiten zwischen Däne-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
Berlin und sein Hof im Icihre !^6<Z6
Kreuz auf der Brust tragen. Es ist das eine Auszeichnung, die vom Kur¬
fürsten seinen beliebtesten Kavalieren verliehen wird; sie ist außerdem mit einem
Titel und einer Dotation verbunden.
Mittwoch den 23. Mai kehrte ich in der Frühe mit dem Signor Ferdi¬
nands nach Berlin zurück, nachdem ich mich bei den kurfürstlichen Hoheiten,
die nur jede mögliche Auszeichnung hatten zu teil werden lassen, verab¬
schiedet hatte. An demselben Morgen brach auch der Hof nach einem andern
Schlosse auf.
In Berlin lernte ich Herrn Hernaut, den berühmten piemontesischen
Waffenschmied, kennen, der neben der Herstellung von Pistolen-, Arkebnsen-
und Flintenläufen, sowie der Verzierung derselben mit Beschlägen, die in er¬
habener Arbeit Figuren, geschichtliche Begebenheiten und andres darstellen, auch
Eisen und Stahl in der höchsten Vollkommenheit bearbeitet. Er verfertigt
auch stählerne Nockknöpfe in Facettenfvrm, die so blank geschliffen sind, daß
sie wie Diamanten aussehen. Er ist der Erfinder der Knopfe, und obgleich
andre von derselben Kunstfertigkeit Probe abgelegt haben, so sind ihre Knöpfe
nicht von der Vollendung der seinigen; er wendet nämlich ein besondres Ver¬
fahren an, den Stahl zu läutern und geschmeidig zu machen, dann aber hart,
spröde und dicht werden zu lassen-
Ich fand hier mich eine kürzlich von einigen Venetianern erbaute Glas¬
hütte, worin ein sehr vollkommenes Spiegelglas, das an Güte dem venetia-
nischen kaum nachsteht, verfertigt wird; das gesamte hierzu erforderliche
Material findet sich in der Umgebung der Stadt.
In Berlin sieht man zweirüdrige Wagen höchst merkmürdiger Bauart,
weil jedermann bemüht ist, eine neuere und bequemere Einrichtung zu ersinnen.
Einige dieser Neuerungen sind anch in der That ganz zweckmäßig, aber
auch nur in diesem völlig ebnen Lande; in einem andern würden sie nur
lästig sein. Den Brandenburgern gebührt die Erfindung eines Seiles, das
von einer Winde unterhalb der Wagenstange gezogen wird, sowie eines ans
den Wageustangen befindlichen, mittels eines Eisendrahtes beweglichen, ledernen
Verdecks, das verhindert, daß der von den Rädern ausspritzende Kot den
Wagen und die Insassen trifft. Ferner haben sie, wie sie behaupten, das
„Magazin" erfunden, d. h. einen großen, vorn zwischen den Wagenstangen
befindlichen kalbledernen Behälter, worin sie ihr Silberzeug oder ihre Papiere
und andre gewöhnlichere Gegenstände aufbewahren können. Als Kissen be¬
dienen sie sich einer Matratze, die zur Hälfte als Sitzunterlage, zur Hälfte
als Rückenpolster und nachts in den Wirtshäusern als Lagerstätte benutzt
wird. Die so erbauten zweirüdrigeu Wagen, die gewöhnlich „Berliner" heißen,
sind zwei- bis viersitzig.
Während meines Anfenthaltes in Potsdam waren die Minister des Fürsten
von Berlin uach Hamburg gereist, um dort die Streitigkeiten zwischen Däne-
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