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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Die internationale Kunstausstellung in Berlin

mit allen Ehren der Gastfreundschaft entgegengekommen. Er hat ihren Bildern
die besten Platze seines Ausstellungslokals eingeräumt, und, wenn dieses nicht
ausreichte, andre Räume gemietet. Das rohe Benehmen, das der "höf¬
lichsten Nation der Welt" in diesem Falle beliebt hat, trifft also uicht als
beleidigende Herausforderung das deutsche Volk und die deutsche Reichsregiernng,
sondern uur einen Verein, der sich mit dieser Roheit so gut wie möglich
abzufinden hat, und der auch mit großer Gelassenheit darüber zu seinem Tage¬
werk übergegangen ist, ohne sich aufzuregen und den empfindliche" zu spielen.

Wir Deutschen haben das Kräutlein Geduld stets im Schatzkästchen unsers
Humors, und es bewahrt uns anch davor, eine Kraftprobe zu unrechter Zeit
zu macheu. Dieser und jener hat um des lieben Friedens willen manche
Zugeständnisse gemacht und mauche Demütigungen ans sich genommen, um
-- nach guter deutscher Art -- ein mit warmer Begeisterung begonnenes Werk
auch äußerlich und innerlich vollendet zu machen. Nun das durch die kurdische
Empfindlichkeit der Pariser äußerlich uicht geglückt ist, muß man das jetzt
entstandene Werk auf seinen innern Gehalt prüfen und darnach beurteilen, ob
und was wir durch die Zurückhaltung der Franzosen verloren haben.

Man wird dabei einige sehr nüchterne, aber anch den Ausschlag gebende
Erwägungen in den Vordergrund zu stellen haben. Einmal ist der Verkehr
zwischen Verliu und Paris seit dem Anfang der dreißiger Jahre sehr rege,
der geschäftliche wie der Verkehr der Verguüguugsreiseudeu, und er nimmt seit
etwa 1876 in steigendem Maße zu. Der Vorteil, soweit er sich ans Bildung
und Uberbildung, auf Ansammlung von nützlichen und unnützen Kenntnissen
erstreckt, liegt dabei auf selten der Berliner. Der Berliner, d. h. der in Berlin
wohnende Kulturmensch, der sich für Kunst und Litteratur interessirt und dazu
das nötige Geld hat, seinen Wissensdurst oder, wenn man will, sein Renommir-
gelüste durch Reisen nach dem Auslande zu befriedigen, ist der Großstädter
Europas, dessen Aneignungsfähigkeit die größte, dessen Fassungsgnbe die
schnellste ist. Mit großer Leichtigkeit findet er sich in Paris und in dessen
Welt- und Kunstleben zurecht, und der Berlinische Kunstfreund, Knustsammler
und Kunsthändler weiß in der Galerie des Luxembourgmuseums und im
Hotel Drouot ebenso gut, vielleicht uoch besser Bescheid als in der Berliner
Nationalgalerie und in Lepkes Kunstauktioushaus. Dazu kommt noch, daß
gewisse Pariser Kunsthändler in immer kürzer werdenden Zwischenräumen
große Mengen französischer Bilder aus neuerer Zeit, die immer mit großen
Namen -- Rousseau, Troyon, Diaz, Dnprö, Corot, Daubigny, I. F. Millet,
Meissonier, Detaille, Neuville, Ribot u. dergl. in, -- geschmückt sind, sich
aber bei näherer Prüfung als flüchtige Skizzen, als Ausschuß französischer
Privatsammlungen oder gar als verdächtige Schwarten herausstelle", in den
Berliner Kunsthandel abstoßen. Bei aller Franzosenverehrnng sind aber die
Berliner Kunstfreunde meist so vorsichtig, daß sie auf diesen "faulen Zauber"


Die internationale Kunstausstellung in Berlin

mit allen Ehren der Gastfreundschaft entgegengekommen. Er hat ihren Bildern
die besten Platze seines Ausstellungslokals eingeräumt, und, wenn dieses nicht
ausreichte, andre Räume gemietet. Das rohe Benehmen, das der „höf¬
lichsten Nation der Welt" in diesem Falle beliebt hat, trifft also uicht als
beleidigende Herausforderung das deutsche Volk und die deutsche Reichsregiernng,
sondern uur einen Verein, der sich mit dieser Roheit so gut wie möglich
abzufinden hat, und der auch mit großer Gelassenheit darüber zu seinem Tage¬
werk übergegangen ist, ohne sich aufzuregen und den empfindliche« zu spielen.

Wir Deutschen haben das Kräutlein Geduld stets im Schatzkästchen unsers
Humors, und es bewahrt uns anch davor, eine Kraftprobe zu unrechter Zeit
zu macheu. Dieser und jener hat um des lieben Friedens willen manche
Zugeständnisse gemacht und mauche Demütigungen ans sich genommen, um
— nach guter deutscher Art — ein mit warmer Begeisterung begonnenes Werk
auch äußerlich und innerlich vollendet zu machen. Nun das durch die kurdische
Empfindlichkeit der Pariser äußerlich uicht geglückt ist, muß man das jetzt
entstandene Werk auf seinen innern Gehalt prüfen und darnach beurteilen, ob
und was wir durch die Zurückhaltung der Franzosen verloren haben.

Man wird dabei einige sehr nüchterne, aber anch den Ausschlag gebende
Erwägungen in den Vordergrund zu stellen haben. Einmal ist der Verkehr
zwischen Verliu und Paris seit dem Anfang der dreißiger Jahre sehr rege,
der geschäftliche wie der Verkehr der Verguüguugsreiseudeu, und er nimmt seit
etwa 1876 in steigendem Maße zu. Der Vorteil, soweit er sich ans Bildung
und Uberbildung, auf Ansammlung von nützlichen und unnützen Kenntnissen
erstreckt, liegt dabei auf selten der Berliner. Der Berliner, d. h. der in Berlin
wohnende Kulturmensch, der sich für Kunst und Litteratur interessirt und dazu
das nötige Geld hat, seinen Wissensdurst oder, wenn man will, sein Renommir-
gelüste durch Reisen nach dem Auslande zu befriedigen, ist der Großstädter
Europas, dessen Aneignungsfähigkeit die größte, dessen Fassungsgnbe die
schnellste ist. Mit großer Leichtigkeit findet er sich in Paris und in dessen
Welt- und Kunstleben zurecht, und der Berlinische Kunstfreund, Knustsammler
und Kunsthändler weiß in der Galerie des Luxembourgmuseums und im
Hotel Drouot ebenso gut, vielleicht uoch besser Bescheid als in der Berliner
Nationalgalerie und in Lepkes Kunstauktioushaus. Dazu kommt noch, daß
gewisse Pariser Kunsthändler in immer kürzer werdenden Zwischenräumen
große Mengen französischer Bilder aus neuerer Zeit, die immer mit großen
Namen — Rousseau, Troyon, Diaz, Dnprö, Corot, Daubigny, I. F. Millet,
Meissonier, Detaille, Neuville, Ribot u. dergl. in, — geschmückt sind, sich
aber bei näherer Prüfung als flüchtige Skizzen, als Ausschuß französischer
Privatsammlungen oder gar als verdächtige Schwarten herausstelle», in den
Berliner Kunsthandel abstoßen. Bei aller Franzosenverehrnng sind aber die
Berliner Kunstfreunde meist so vorsichtig, daß sie auf diesen „faulen Zauber"


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[0532] Die internationale Kunstausstellung in Berlin mit allen Ehren der Gastfreundschaft entgegengekommen. Er hat ihren Bildern die besten Platze seines Ausstellungslokals eingeräumt, und, wenn dieses nicht ausreichte, andre Räume gemietet. Das rohe Benehmen, das der „höf¬ lichsten Nation der Welt" in diesem Falle beliebt hat, trifft also uicht als beleidigende Herausforderung das deutsche Volk und die deutsche Reichsregiernng, sondern uur einen Verein, der sich mit dieser Roheit so gut wie möglich abzufinden hat, und der auch mit großer Gelassenheit darüber zu seinem Tage¬ werk übergegangen ist, ohne sich aufzuregen und den empfindliche« zu spielen. Wir Deutschen haben das Kräutlein Geduld stets im Schatzkästchen unsers Humors, und es bewahrt uns anch davor, eine Kraftprobe zu unrechter Zeit zu macheu. Dieser und jener hat um des lieben Friedens willen manche Zugeständnisse gemacht und mauche Demütigungen ans sich genommen, um — nach guter deutscher Art — ein mit warmer Begeisterung begonnenes Werk auch äußerlich und innerlich vollendet zu machen. Nun das durch die kurdische Empfindlichkeit der Pariser äußerlich uicht geglückt ist, muß man das jetzt entstandene Werk auf seinen innern Gehalt prüfen und darnach beurteilen, ob und was wir durch die Zurückhaltung der Franzosen verloren haben. Man wird dabei einige sehr nüchterne, aber anch den Ausschlag gebende Erwägungen in den Vordergrund zu stellen haben. Einmal ist der Verkehr zwischen Verliu und Paris seit dem Anfang der dreißiger Jahre sehr rege, der geschäftliche wie der Verkehr der Verguüguugsreiseudeu, und er nimmt seit etwa 1876 in steigendem Maße zu. Der Vorteil, soweit er sich ans Bildung und Uberbildung, auf Ansammlung von nützlichen und unnützen Kenntnissen erstreckt, liegt dabei auf selten der Berliner. Der Berliner, d. h. der in Berlin wohnende Kulturmensch, der sich für Kunst und Litteratur interessirt und dazu das nötige Geld hat, seinen Wissensdurst oder, wenn man will, sein Renommir- gelüste durch Reisen nach dem Auslande zu befriedigen, ist der Großstädter Europas, dessen Aneignungsfähigkeit die größte, dessen Fassungsgnbe die schnellste ist. Mit großer Leichtigkeit findet er sich in Paris und in dessen Welt- und Kunstleben zurecht, und der Berlinische Kunstfreund, Knustsammler und Kunsthändler weiß in der Galerie des Luxembourgmuseums und im Hotel Drouot ebenso gut, vielleicht uoch besser Bescheid als in der Berliner Nationalgalerie und in Lepkes Kunstauktioushaus. Dazu kommt noch, daß gewisse Pariser Kunsthändler in immer kürzer werdenden Zwischenräumen große Mengen französischer Bilder aus neuerer Zeit, die immer mit großen Namen — Rousseau, Troyon, Diaz, Dnprö, Corot, Daubigny, I. F. Millet, Meissonier, Detaille, Neuville, Ribot u. dergl. in, — geschmückt sind, sich aber bei näherer Prüfung als flüchtige Skizzen, als Ausschuß französischer Privatsammlungen oder gar als verdächtige Schwarten herausstelle», in den Berliner Kunsthandel abstoßen. Bei aller Franzosenverehrnng sind aber die Berliner Kunstfreunde meist so vorsichtig, daß sie auf diesen „faulen Zauber"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/532>, abgerufen am 26.05.2024.