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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Alte mit neue Stimmen aus England über Deutschland

buchhändlers oft wahre Juwelen lange unbeachtet liegen. Jahrbücher, Kataloge
und andre Hilfsmittel sind dem einheimischen Antiquar ebenso wie dem
einheimischen Sortimentsbuchhündler unbekannt. Und so fügts sichs denn nicht
selten, daß der Pilger auf einem solchen o^rin servil beim Durchwühlen der
mit Büchern gefüllten Kasten, die bei Wind und Wetter vor dem Laden auf
der Gasse stehen, für einen Penny eine wertvolle Erwerbung macht. So trug
ich einmal außer einigen Werken über Deutschland für je einen Groschen
davon: die Rhetorik des Aristoteles in der schönen Buhlschen Ausgabe der
(Aiircmäon?re-88, durchschossen mit dem nutographischen englischen Kommentar
Hills, seinerzeit inagistor sloquöntms, Miltons OstsnÄo pro xoxulo an^lo in
der ersten Ausgabe, des Erasmus Oolloqnüt, und einen sauber illustrirten
Popischeu Homer! Als die Judenfrage in unsern Tagen durch das Vorgehen
Rußlands auch fiir England brennend zu werden begann, erinnerte ich mich
unwillkürlich des ^nxlo-IsriUil, der judenfrenndlichen Zeitschrift, von der ich
auch einst einige Nummern im Paternoster-Row zu Tage gefordert hatte, und
das mir nun gute Dienste leistet. Diese wunderliche Zeitschrift wird in Deutsch¬
land viel zu wenig beachtet. Es ist die Monatsschrift einer Gesellschaft von
Geistlichen, Schwärmern und streng bibelgläubigen Engländern der höhern
Klassen, die das eine einzige Ziel verfolgen, aus den heiligen Schriften und
aus der Weltgeschichte den Nachweis zu liefern, daß die Engländer die Nach¬
kommen der zehn verloren gegangenen Stämme Israels seien! Daß diese
Historiker in England keine geringe Propaganda gemacht haben, wird mir von
mehr als einem Geistlichen versichert, und es ist die Geschichtsanschauung,
worauf diese geradezu pathologisch zu behandelnde Erscheinung beruht, mit unter
die Ursachen zu rechnen, weshalb das Volk Israel von jeher auf dem Jnsel-
lande unbehelligt gelassen worden ist. Das hindert jedoch die Negierung nicht,
gegen die Masseneinwanderung der russischem Juden Maßregeln zu treffen.

Auch das infame Lügenwerk Henry Mayhews, des weiland viel genannten,
gegen die deutsche Nation: dsrrirg.n/ g.s I t'ounä it> erwarb ich einmal aus
demselben booKst-ÄlI. Der chauvinistische Haß gegen Deutschland, die Ver¬
höhnung aller unsrer Einrichtungen und unsers gesellschaftlichen Lebens, der
wir in diesem Machwerk auf jeder Seite, fast in jeder Zeile begegnen, sind
schwerlich jemals von einem Anhänger Derouledes übertroffen worden. Die
schmachvollsten Lügen und Verleumdungen sind gegen Land und Leute in
Sachsen und Thüringen und ganz besonders gegen Stadt und Universität
Jena gerichtet. Das Buch ist uoch immer leicht zu beziehen. Daß es übrigens
so früh schon antiquarisch zu bekommen war, spricht nicht zu Ungunsten der
Landsleute des Mr. Henry Mahhew.

Derselbe billige Buchhändler war es, der meine Aufmerksamkeit auf den
Amerikaner Hawthorne den Jüngern richtete und auf seine L^xon Lwäiö8,
worin das königliche Sachsen und Dresden vielfach nach Mayhews Rezept


Alte mit neue Stimmen aus England über Deutschland

buchhändlers oft wahre Juwelen lange unbeachtet liegen. Jahrbücher, Kataloge
und andre Hilfsmittel sind dem einheimischen Antiquar ebenso wie dem
einheimischen Sortimentsbuchhündler unbekannt. Und so fügts sichs denn nicht
selten, daß der Pilger auf einem solchen o^rin servil beim Durchwühlen der
mit Büchern gefüllten Kasten, die bei Wind und Wetter vor dem Laden auf
der Gasse stehen, für einen Penny eine wertvolle Erwerbung macht. So trug
ich einmal außer einigen Werken über Deutschland für je einen Groschen
davon: die Rhetorik des Aristoteles in der schönen Buhlschen Ausgabe der
(Aiircmäon?re-88, durchschossen mit dem nutographischen englischen Kommentar
Hills, seinerzeit inagistor sloquöntms, Miltons OstsnÄo pro xoxulo an^lo in
der ersten Ausgabe, des Erasmus Oolloqnüt, und einen sauber illustrirten
Popischeu Homer! Als die Judenfrage in unsern Tagen durch das Vorgehen
Rußlands auch fiir England brennend zu werden begann, erinnerte ich mich
unwillkürlich des ^nxlo-IsriUil, der judenfrenndlichen Zeitschrift, von der ich
auch einst einige Nummern im Paternoster-Row zu Tage gefordert hatte, und
das mir nun gute Dienste leistet. Diese wunderliche Zeitschrift wird in Deutsch¬
land viel zu wenig beachtet. Es ist die Monatsschrift einer Gesellschaft von
Geistlichen, Schwärmern und streng bibelgläubigen Engländern der höhern
Klassen, die das eine einzige Ziel verfolgen, aus den heiligen Schriften und
aus der Weltgeschichte den Nachweis zu liefern, daß die Engländer die Nach¬
kommen der zehn verloren gegangenen Stämme Israels seien! Daß diese
Historiker in England keine geringe Propaganda gemacht haben, wird mir von
mehr als einem Geistlichen versichert, und es ist die Geschichtsanschauung,
worauf diese geradezu pathologisch zu behandelnde Erscheinung beruht, mit unter
die Ursachen zu rechnen, weshalb das Volk Israel von jeher auf dem Jnsel-
lande unbehelligt gelassen worden ist. Das hindert jedoch die Negierung nicht,
gegen die Masseneinwanderung der russischem Juden Maßregeln zu treffen.

Auch das infame Lügenwerk Henry Mayhews, des weiland viel genannten,
gegen die deutsche Nation: dsrrirg.n/ g.s I t'ounä it> erwarb ich einmal aus
demselben booKst-ÄlI. Der chauvinistische Haß gegen Deutschland, die Ver¬
höhnung aller unsrer Einrichtungen und unsers gesellschaftlichen Lebens, der
wir in diesem Machwerk auf jeder Seite, fast in jeder Zeile begegnen, sind
schwerlich jemals von einem Anhänger Derouledes übertroffen worden. Die
schmachvollsten Lügen und Verleumdungen sind gegen Land und Leute in
Sachsen und Thüringen und ganz besonders gegen Stadt und Universität
Jena gerichtet. Das Buch ist uoch immer leicht zu beziehen. Daß es übrigens
so früh schon antiquarisch zu bekommen war, spricht nicht zu Ungunsten der
Landsleute des Mr. Henry Mahhew.

Derselbe billige Buchhändler war es, der meine Aufmerksamkeit auf den
Amerikaner Hawthorne den Jüngern richtete und auf seine L^xon Lwäiö8,
worin das königliche Sachsen und Dresden vielfach nach Mayhews Rezept


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/222>, abgerufen am 21.05.2024.