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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Zur sozialen Frage

ohne klar erkanntes Ziel wühlen, ngitiren, sich zanken und durch einander
schreien, wenn auch noch keine Gefahr für den Staat, so doch sicher kein Zeichen
von Gesundheit unsers Gemeinwesens ist. Möchten sich für die Lösung der
großen, schönen und schwierigen Aufgabe, die im Vorstehenden angedeutet ist,
die rechten Männer finden!




Zur sozialen Frage

s wurde schon darauf hingewiesen, daß sich die Löhne nicht be¬
liebig erhöhen lassen, wie es die Arbeiter durch Arbeitseinstel¬
lungen häufig versuchen, denn die Nachfrage nach dem Erzeugnis
entscheidet in jedem Falle über die Möglichkeit des Gelingens,
und es fragt sich immer, ob das Kapital und der Unternehmer
mich Erhöhung der Löhne noch ihre Rechnung finden werden. Dagegen kann
die Beteiligung am Gewinn keine wirtschaftlichen Störungen herbeiführen, weil
j" das Borhandensein eines Gewinns den Beweis liefert, daß das Unternehmen
Gedeihen hat. Daß für das Kapital der Unternehmergewinn vermindert wird,
betrachten wir nicht als einen Übelstand; es liegt hierin das Opfer, das das
Kapital der Arbeit zu bringen hat, um der Arbeit gerecht zu werden. Es
wird sich aber bei allgemeinerer Anwendung der Gewinnbeteiligung bald zeigen
^ und hierauf ist das größte Gewicht zu legen --, daß von einem Opfer
überhaupt keine Rede sein wird, daß vielmehr auch das Kapital, indem es
scheinbar anf größern Nutzen verzichtet, in eine bessere Lage kommt, denn der
größere unproduktive Berbranch, der durch Zuwendung vieler Millionen an
die Arbeiter verursacht wird, muß eine bedeutende Steigerung der Nachfrage
aller Verbrauchsgegenstände hervorrufen, sodaß kaum allen Anforderungen
wird genügt werden können. Wenn diese Überzeugung erst in die Kreise der
Kapitalisten eindringt, wird die Gewinnbeteiligung rasch Eingang finden.
Niemand wird bestreiten können, daß zur Zeit ein großer Teil des Unter¬
nehmergewinns zu neuen Unternehmungen häufig überflüssigerweise oder zum
Schaden schwächerer Konkurrenten verwandt wird, während das den Arbeitern
Zufließende zur Verbesserung ihrer Lebensform, mithin zu ilnprodnktivem Ver¬
brauch ausgegeben wird.

Wir sehen in der Gewinnbeteiligung einen Ausgleich zwischen den Be¬
strebungen der Sozialdemokratin! und der jetzt bestehenden Gesellschaftsform.
Die Sozialdemokratie will, wie Bebel neuerdings auf dem Kongreß in Brüssel
ausgesprochen hat, die jetzige bürgerliche Gesellschaft vernichten, d. h. das


Zur sozialen Frage

ohne klar erkanntes Ziel wühlen, ngitiren, sich zanken und durch einander
schreien, wenn auch noch keine Gefahr für den Staat, so doch sicher kein Zeichen
von Gesundheit unsers Gemeinwesens ist. Möchten sich für die Lösung der
großen, schönen und schwierigen Aufgabe, die im Vorstehenden angedeutet ist,
die rechten Männer finden!




Zur sozialen Frage

s wurde schon darauf hingewiesen, daß sich die Löhne nicht be¬
liebig erhöhen lassen, wie es die Arbeiter durch Arbeitseinstel¬
lungen häufig versuchen, denn die Nachfrage nach dem Erzeugnis
entscheidet in jedem Falle über die Möglichkeit des Gelingens,
und es fragt sich immer, ob das Kapital und der Unternehmer
mich Erhöhung der Löhne noch ihre Rechnung finden werden. Dagegen kann
die Beteiligung am Gewinn keine wirtschaftlichen Störungen herbeiführen, weil
j" das Borhandensein eines Gewinns den Beweis liefert, daß das Unternehmen
Gedeihen hat. Daß für das Kapital der Unternehmergewinn vermindert wird,
betrachten wir nicht als einen Übelstand; es liegt hierin das Opfer, das das
Kapital der Arbeit zu bringen hat, um der Arbeit gerecht zu werden. Es
wird sich aber bei allgemeinerer Anwendung der Gewinnbeteiligung bald zeigen
^ und hierauf ist das größte Gewicht zu legen —, daß von einem Opfer
überhaupt keine Rede sein wird, daß vielmehr auch das Kapital, indem es
scheinbar anf größern Nutzen verzichtet, in eine bessere Lage kommt, denn der
größere unproduktive Berbranch, der durch Zuwendung vieler Millionen an
die Arbeiter verursacht wird, muß eine bedeutende Steigerung der Nachfrage
aller Verbrauchsgegenstände hervorrufen, sodaß kaum allen Anforderungen
wird genügt werden können. Wenn diese Überzeugung erst in die Kreise der
Kapitalisten eindringt, wird die Gewinnbeteiligung rasch Eingang finden.
Niemand wird bestreiten können, daß zur Zeit ein großer Teil des Unter¬
nehmergewinns zu neuen Unternehmungen häufig überflüssigerweise oder zum
Schaden schwächerer Konkurrenten verwandt wird, während das den Arbeitern
Zufließende zur Verbesserung ihrer Lebensform, mithin zu ilnprodnktivem Ver¬
brauch ausgegeben wird.

Wir sehen in der Gewinnbeteiligung einen Ausgleich zwischen den Be¬
strebungen der Sozialdemokratin! und der jetzt bestehenden Gesellschaftsform.
Die Sozialdemokratie will, wie Bebel neuerdings auf dem Kongreß in Brüssel
ausgesprochen hat, die jetzige bürgerliche Gesellschaft vernichten, d. h. das


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[0591] Zur sozialen Frage ohne klar erkanntes Ziel wühlen, ngitiren, sich zanken und durch einander schreien, wenn auch noch keine Gefahr für den Staat, so doch sicher kein Zeichen von Gesundheit unsers Gemeinwesens ist. Möchten sich für die Lösung der großen, schönen und schwierigen Aufgabe, die im Vorstehenden angedeutet ist, die rechten Männer finden! Zur sozialen Frage s wurde schon darauf hingewiesen, daß sich die Löhne nicht be¬ liebig erhöhen lassen, wie es die Arbeiter durch Arbeitseinstel¬ lungen häufig versuchen, denn die Nachfrage nach dem Erzeugnis entscheidet in jedem Falle über die Möglichkeit des Gelingens, und es fragt sich immer, ob das Kapital und der Unternehmer mich Erhöhung der Löhne noch ihre Rechnung finden werden. Dagegen kann die Beteiligung am Gewinn keine wirtschaftlichen Störungen herbeiführen, weil j" das Borhandensein eines Gewinns den Beweis liefert, daß das Unternehmen Gedeihen hat. Daß für das Kapital der Unternehmergewinn vermindert wird, betrachten wir nicht als einen Übelstand; es liegt hierin das Opfer, das das Kapital der Arbeit zu bringen hat, um der Arbeit gerecht zu werden. Es wird sich aber bei allgemeinerer Anwendung der Gewinnbeteiligung bald zeigen ^ und hierauf ist das größte Gewicht zu legen —, daß von einem Opfer überhaupt keine Rede sein wird, daß vielmehr auch das Kapital, indem es scheinbar anf größern Nutzen verzichtet, in eine bessere Lage kommt, denn der größere unproduktive Berbranch, der durch Zuwendung vieler Millionen an die Arbeiter verursacht wird, muß eine bedeutende Steigerung der Nachfrage aller Verbrauchsgegenstände hervorrufen, sodaß kaum allen Anforderungen wird genügt werden können. Wenn diese Überzeugung erst in die Kreise der Kapitalisten eindringt, wird die Gewinnbeteiligung rasch Eingang finden. Niemand wird bestreiten können, daß zur Zeit ein großer Teil des Unter¬ nehmergewinns zu neuen Unternehmungen häufig überflüssigerweise oder zum Schaden schwächerer Konkurrenten verwandt wird, während das den Arbeitern Zufließende zur Verbesserung ihrer Lebensform, mithin zu ilnprodnktivem Ver¬ brauch ausgegeben wird. Wir sehen in der Gewinnbeteiligung einen Ausgleich zwischen den Be¬ strebungen der Sozialdemokratin! und der jetzt bestehenden Gesellschaftsform. Die Sozialdemokratie will, wie Bebel neuerdings auf dem Kongreß in Brüssel ausgesprochen hat, die jetzige bürgerliche Gesellschaft vernichten, d. h. das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/591>, abgerufen am 10.11.2024.