Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.Zum Trmiksuchtsgc'schontwurf insofern unanfechtbar, als sich in einer in der Trunkenheit begangenen That Zum Trmiksuchtsgc'schontwurf insofern unanfechtbar, als sich in einer in der Trunkenheit begangenen That <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211248"/> <fw type="header" place="top"> Zum Trmiksuchtsgc'schontwurf</fw><lb/> <p xml:id="ID_230" prev="#ID_229" next="#ID_231"> insofern unanfechtbar, als sich in einer in der Trunkenheit begangenen That<lb/> ein geringeres Maß von rechtswidrigem Vorsatz kundgiebt, als wenn sie in nüch¬<lb/> ternem Zustande begangen worden wäre. Nun gehe man aber nur einen Schritt<lb/> weiter. Es beruht auf einer anerkannten Rechtsanschauung, von der die Ent-<lb/> scheidungsgründe fast jedes verurteilenden Richterspruches Zeugnis ablegen, daß<lb/> sich Art und Maß der Strafe nicht allein nach den konkreten Umständen und<lb/> Vorgängen der That selbst richten, sondern daß anch die Persönlichkeit des<lb/> Thäters in Betracht zu ziehen ist, wie sie sich in seinen Verhältnissen und<lb/> Eigenschaften und in seinem Vorleben darstellt. Diese Umstände machen sich<lb/> in der verschiedensten Weise geltend. Mehrfach hat der Gesetzgeber selbst dem<lb/> Richter in der Würdigung vorgegriffen, indem er einerseits bei gewissen Ver¬<lb/> gehen rückfällige Thäter einer schärfern Strafe unterwirft, andrerseits verschie¬<lb/> dene Gründe allgemeinerer Art hervorhebt, die die Strafe mildern oder selbst<lb/> ausschließen. Daneben aber ist der Richter täglich in der Lage, ähnlichen per¬<lb/> sönlichen Umständen, ohne daß sie im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind, Rech¬<lb/> nung zu tragen; mit oder ohne positive gesetzliche Vorschrift unterwirft er den<lb/> bereits bestraften Übelthätcr einer härtern Ahndung als den unbescholtenen,<lb/> desgleichen den, der sich auch sonst in seiner Lebensführung schlecht bewährt<lb/> hat oder bei dem Vorbereitung oder Ausführung der That oder fein Benehmen<lb/> uach der That auf eine besonders frevelhafte Gesinnung schließen lassen, ja<lb/> mancher Richter ist nicht abgeneigt, dem Angeklagten ein ungeziemendes Be-<lb/> nehmen im Gerichtssaal bei der Strafzumessung fühlbar zu machen, wogegen<lb/> andrerseits unverschuldete Not, jugendliche Unerfahrenheit, bisheriger lobeus-<lb/> werter Lebenswandel und Neue über die That dem Schuldigen bei Wahl der<lb/> Strafart und des Strafmaßes zu gute kommen. Mit vollem Recht, den» in<lb/> jenen Fällen erweist sich der Thäter in der Regel als ein weit gefährlicherer<lb/> Feind der Rechtsordnung, als in diesen, sei es durch die Ernstlichkeit und Be¬<lb/> harrlichkeit des rechtswidrigen Vorsatzes, sei es durch die Leichtfertigkeit, womit<lb/> er sich über die Rechtsordnung hinwegsetzte, mögen sich die äußern Vorgänge<lb/> der That in dem einen oder dem andern Falle noch so ähnlich sehen. Und<lb/> nun fragen wir! Warum sieht der Richter von diesen wohlbegründeten An-<lb/> schannttgen und Grundsätzen dem gegenüber ab, der sich im Zustande der<lb/> Trunkenheit gegen die Rechtsordnung vergangen hat? Warum bleibt er bei<lb/> der Erwägung, daß der Trunkene in einem an sich straflosen Zustande ver¬<lb/> ringerter Zurechnungsfähigkeit gehandelt habe, wie eingewurzelt stehen? Warum<lb/> verschließt er sich der weitern Erwägung, daß die Wirkungen eines Rausches<lb/> männiglich bekannt sind, daß zum mindesten der Erwachsene weiß, daß er dnrch<lb/> Unmäßigkeit im Genuß geistiger Getränke seine normale Widerstandsfähigkeit<lb/> gegen Anwandlungen zu gesetzwidrigen Verhalten in beträchtlichem Grade schwächt,<lb/> daß er infolgedessen die Rechtsordnung eiuer Gefahr preisgiebt, die nicht ent¬<lb/> standen wäre, wenn er Maß gehalten hätte? Läßt sich da die Frage abweisen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
Zum Trmiksuchtsgc'schontwurf
insofern unanfechtbar, als sich in einer in der Trunkenheit begangenen That
ein geringeres Maß von rechtswidrigem Vorsatz kundgiebt, als wenn sie in nüch¬
ternem Zustande begangen worden wäre. Nun gehe man aber nur einen Schritt
weiter. Es beruht auf einer anerkannten Rechtsanschauung, von der die Ent-
scheidungsgründe fast jedes verurteilenden Richterspruches Zeugnis ablegen, daß
sich Art und Maß der Strafe nicht allein nach den konkreten Umständen und
Vorgängen der That selbst richten, sondern daß anch die Persönlichkeit des
Thäters in Betracht zu ziehen ist, wie sie sich in seinen Verhältnissen und
Eigenschaften und in seinem Vorleben darstellt. Diese Umstände machen sich
in der verschiedensten Weise geltend. Mehrfach hat der Gesetzgeber selbst dem
Richter in der Würdigung vorgegriffen, indem er einerseits bei gewissen Ver¬
gehen rückfällige Thäter einer schärfern Strafe unterwirft, andrerseits verschie¬
dene Gründe allgemeinerer Art hervorhebt, die die Strafe mildern oder selbst
ausschließen. Daneben aber ist der Richter täglich in der Lage, ähnlichen per¬
sönlichen Umständen, ohne daß sie im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind, Rech¬
nung zu tragen; mit oder ohne positive gesetzliche Vorschrift unterwirft er den
bereits bestraften Übelthätcr einer härtern Ahndung als den unbescholtenen,
desgleichen den, der sich auch sonst in seiner Lebensführung schlecht bewährt
hat oder bei dem Vorbereitung oder Ausführung der That oder fein Benehmen
uach der That auf eine besonders frevelhafte Gesinnung schließen lassen, ja
mancher Richter ist nicht abgeneigt, dem Angeklagten ein ungeziemendes Be-
nehmen im Gerichtssaal bei der Strafzumessung fühlbar zu machen, wogegen
andrerseits unverschuldete Not, jugendliche Unerfahrenheit, bisheriger lobeus-
werter Lebenswandel und Neue über die That dem Schuldigen bei Wahl der
Strafart und des Strafmaßes zu gute kommen. Mit vollem Recht, den» in
jenen Fällen erweist sich der Thäter in der Regel als ein weit gefährlicherer
Feind der Rechtsordnung, als in diesen, sei es durch die Ernstlichkeit und Be¬
harrlichkeit des rechtswidrigen Vorsatzes, sei es durch die Leichtfertigkeit, womit
er sich über die Rechtsordnung hinwegsetzte, mögen sich die äußern Vorgänge
der That in dem einen oder dem andern Falle noch so ähnlich sehen. Und
nun fragen wir! Warum sieht der Richter von diesen wohlbegründeten An-
schannttgen und Grundsätzen dem gegenüber ab, der sich im Zustande der
Trunkenheit gegen die Rechtsordnung vergangen hat? Warum bleibt er bei
der Erwägung, daß der Trunkene in einem an sich straflosen Zustande ver¬
ringerter Zurechnungsfähigkeit gehandelt habe, wie eingewurzelt stehen? Warum
verschließt er sich der weitern Erwägung, daß die Wirkungen eines Rausches
männiglich bekannt sind, daß zum mindesten der Erwachsene weiß, daß er dnrch
Unmäßigkeit im Genuß geistiger Getränke seine normale Widerstandsfähigkeit
gegen Anwandlungen zu gesetzwidrigen Verhalten in beträchtlichem Grade schwächt,
daß er infolgedessen die Rechtsordnung eiuer Gefahr preisgiebt, die nicht ent¬
standen wäre, wenn er Maß gehalten hätte? Läßt sich da die Frage abweisen,
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