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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Überweisungen von Staatseinkünften

in der Lage gewesen, ans einmal eine so hohe Summe für Schulzwecke zur
Verfügung zu haben. Und in welcher Weise legte mau nun dies schöne Geld
an? Mau bewilligte die ganze Summe zur Erleichterung der Schullasten
den "notleidenden Gemeinden." Und diese benutzten diese Gelder nicht etwa
zur Verbesserung des Schulwesens, sondern zur Abwälzung der "Lasten," so-
daß manche Gemeinde überhaupt keine Schulbeiträge mehr zu zahlen hatte,
ja Überschüsse erzielte. Ganz besonders die Schoßkinder der preußischen Ver¬
waltung, die Besitzer der Gutsbezirke, wurden dadurch fast aller Schullast
ledig. Für Gehaltsverbesserungen sind nnr ganz geringfügige Summen ver¬
wendet worden, wie die Regierung selbst später klagend zugestehen mußte.
Im Jahre 1889 wurden diese zwanzig Millionen auf sechsundzwanzig erhöht.
Diese schöne Summe ist einfach verschwunden, ohne sichtlichen Erfolg. Doch
halt! Seien wir nicht ungerecht: so manche Gemeinde hat damit ihren Nacht¬
wächtergehalt erhöht, und manche andre hat sich von den Überschüssen einen
stattlichen Geineindebullen zugelegt, sodaß jene sechsundzwanzig Millionen doch
wenigstens mittelbar dazu beigetragen haben, die Niudviehzucbt in dem Staate
der Schulen zu heben. Und das ist immer etwas. Die Gemeinden, die
diese sechsundzwanzig Millionen einfach einsteckten, verwandten von den Er¬
trägen der lsx Hume nach amtlicher Feststellung ein halbes Prozent für Schul¬
zwecke! Das ist die Opferwilligkeit der Gemeinden für die Volksschule! Kamille
die Regierung diese Opferwilligkeit, von der sich die Spatzen auf den Dächern
erzählen, nicht?

Die Sprache des Schulblattes ist bitter, aber sie dient zur Kennzeichnung
der Stimmung in Lehrerkreisen. Und daß diese Lehrerkreise, nachdem sie seit
Jahrzehnten ans eine bessere Besoldung gehofft haben, bitter gestimmt sind,
wenn sie sehen, daß vorhandne reichliche Mittel durch "Überweisungen" an die
Gemeinden einfach verschwinden, das ist begreiflich genug.

Jetzt solle" nun abermals drei Millionen zur Aufbesserung der Lehrer¬
gehalte "überwiese,," werden. Das macht auf den Kopf dreiundvierzig Mark,
will also nicht viel bedeuten; es will aber gar nichts bedeuten, wenn es ge¬
stattet ist, mit diesen drei Millionen wieder so zu verfahren, wie mit den
sechsundzwanzig Millionen, Der gegenwärtige Kultusminister hat wohl ein¬
gesehen, wo der Fehle, liegi, er beantragt in dem Gesetzentwnis des Gesetzen
über die Verteilung der erwähnten drei Millionen, daß das Gesetz von 1887
aufgehoben werde. Er spricht in den Motiven aus, daß es unbedingt erfor¬
derlich sei, die Prüfung der Leistungsfähigkeit der Schulgemeinden der Beschlu߬
fassung der Selbstverwaltttugsbehördeu zu entziehen, da die Regierung fort
und fort in ihren Bestrebungen auf diesem Gebiete durch die Beschlüsse der
Selbstverwaltungsbehörde" gehemmt werde. Ob sie wohl damit durchkommen
wird? Schon erhebt einer in der "Post" seine Stimme und erklärt, daß sich
die Methode der "Überweisungen" im ganze" recht gut bewährt habe. Er findet


Überweisungen von Staatseinkünften

in der Lage gewesen, ans einmal eine so hohe Summe für Schulzwecke zur
Verfügung zu haben. Und in welcher Weise legte mau nun dies schöne Geld
an? Mau bewilligte die ganze Summe zur Erleichterung der Schullasten
den „notleidenden Gemeinden." Und diese benutzten diese Gelder nicht etwa
zur Verbesserung des Schulwesens, sondern zur Abwälzung der „Lasten," so-
daß manche Gemeinde überhaupt keine Schulbeiträge mehr zu zahlen hatte,
ja Überschüsse erzielte. Ganz besonders die Schoßkinder der preußischen Ver¬
waltung, die Besitzer der Gutsbezirke, wurden dadurch fast aller Schullast
ledig. Für Gehaltsverbesserungen sind nnr ganz geringfügige Summen ver¬
wendet worden, wie die Regierung selbst später klagend zugestehen mußte.
Im Jahre 1889 wurden diese zwanzig Millionen auf sechsundzwanzig erhöht.
Diese schöne Summe ist einfach verschwunden, ohne sichtlichen Erfolg. Doch
halt! Seien wir nicht ungerecht: so manche Gemeinde hat damit ihren Nacht¬
wächtergehalt erhöht, und manche andre hat sich von den Überschüssen einen
stattlichen Geineindebullen zugelegt, sodaß jene sechsundzwanzig Millionen doch
wenigstens mittelbar dazu beigetragen haben, die Niudviehzucbt in dem Staate
der Schulen zu heben. Und das ist immer etwas. Die Gemeinden, die
diese sechsundzwanzig Millionen einfach einsteckten, verwandten von den Er¬
trägen der lsx Hume nach amtlicher Feststellung ein halbes Prozent für Schul¬
zwecke! Das ist die Opferwilligkeit der Gemeinden für die Volksschule! Kamille
die Regierung diese Opferwilligkeit, von der sich die Spatzen auf den Dächern
erzählen, nicht?

Die Sprache des Schulblattes ist bitter, aber sie dient zur Kennzeichnung
der Stimmung in Lehrerkreisen. Und daß diese Lehrerkreise, nachdem sie seit
Jahrzehnten ans eine bessere Besoldung gehofft haben, bitter gestimmt sind,
wenn sie sehen, daß vorhandne reichliche Mittel durch „Überweisungen" an die
Gemeinden einfach verschwinden, das ist begreiflich genug.

Jetzt solle» nun abermals drei Millionen zur Aufbesserung der Lehrer¬
gehalte „überwiese,," werden. Das macht auf den Kopf dreiundvierzig Mark,
will also nicht viel bedeuten; es will aber gar nichts bedeuten, wenn es ge¬
stattet ist, mit diesen drei Millionen wieder so zu verfahren, wie mit den
sechsundzwanzig Millionen, Der gegenwärtige Kultusminister hat wohl ein¬
gesehen, wo der Fehle, liegi, er beantragt in dem Gesetzentwnis des Gesetzen
über die Verteilung der erwähnten drei Millionen, daß das Gesetz von 1887
aufgehoben werde. Er spricht in den Motiven aus, daß es unbedingt erfor¬
derlich sei, die Prüfung der Leistungsfähigkeit der Schulgemeinden der Beschlu߬
fassung der Selbstverwaltttugsbehördeu zu entziehen, da die Regierung fort
und fort in ihren Bestrebungen auf diesem Gebiete durch die Beschlüsse der
Selbstverwaltungsbehörde» gehemmt werde. Ob sie wohl damit durchkommen
wird? Schon erhebt einer in der „Post" seine Stimme und erklärt, daß sich
die Methode der „Überweisungen" im ganze» recht gut bewährt habe. Er findet


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/119>, abgerufen am 13.05.2024.