Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
'Katholische Schulkalender

der nicht bloß Schnurren und Kalauer enthält, die an Banalität noch unter
denen der schlechteste" Witzblätter stehn und dabei dessen, was unsre Witzblätter
genießbar und oft erheiternd macht, der Abbildungen, entbehren, sondern hie
und da selbst ans Cynische streift. Jedenfalls ist die äovlla xngro rovsi'Luken
darin nicht beachtet. Deal es werden nicht uur mit Vorliebe solche Geschichtchen
ausgelesen, in denen Schülern, häufig auch Lehrern, die größten Albernheiten
zugeschrieben werden, sondern der Sammler dieser Raritäten versteigt sich auch
(18ö3: Ans dein Leben eines Geschichtsprofessors) zu einer jener Schul-
hnmoreskcn, wie sie vor Jahren einmal in diesen Blättern mit Recht gegeißelt
wurden, da sie nicht bloß die Wirkung, sondern geradezu den Zweck haben,
die Thätigkeit des Lehrers in wohlfeilster Weise lächerlich zu machen, dadurch
daß man die mit ihr so leicht sich verbindenden Eigentümlichkeiten maßlos über¬
treibt. Und solches Zeug, das zu der Leihbiblivthekware der niedrigsten
Sorte zu rechnen ist, wagt sich in einen "Kalender sür die studirende Jugend,"
der sich als Muster von Religion und Sittlichkeit aufspielt! Freilich, auch der
Köder der schalsten Posscnreißerei ist nicht zu ordinär, wenn man damit die
Jugend für sich und seine besondern Zwecke zu saugen hofft.

Von einer andern Seite lernen wir die erzieherische Wirksamkeit des
Studienkalenders kennen in seinen Artikeln über das Studentenleben, nämlich
das akademische. In einer abgeschmackten Geschichte i1893: (üavötö!), die bei
einem allmählich zu eignem Denken heranreifenden Jüngling gerade wegen
ihrer Armseligkeit das Gegenteil von dem bewirken muß, was sie bewirke"
will, wird gegen das Pauken geeifert. Ein andrer Artikel (18!)3: Die Trink-
sitten und die studierende Jugend) giebt ein betrübendes und abschreckendes
Bild von den Wirkungen des Alkohols, das dann ohne weiteres in über¬
treibender Verallgemeinerung auf die studentischen Verbindungen angewendet
wird, und eifert gegen das studentische Sausen. Wir wollen dagegen zunächst
nur sagen, daß das alles viel geschickter, maßvoller und damit wirksamer gesagt
sein könnte und sollte. Nun schließt sich aber unmittelbar um diese Stndenten-
artikel ein andrer an N893: Über studentisches Verbindungswesen), worin
-- unter Berufung auf Felix Dahn, der doch von dieser Seite sonst wenig
anerkannt wird -- die Schwächen und Mängel des studentischen Lebens auf
studentische Korporationen aller Art ausgedehnt werden mit einziger Aus¬
nahme von? -- nun natürlich von den katholischen Studentenverbindungen,
die bis in die Puppen gelobt und am Schluß in einer übersichtlichen Liste
nach Universitäten geordnet mit ihren Namen, Farben, Wahlsprüchen und
"Zirkeln" dem lüsternen Auge des staunenden "Studenten" vorgeführt werden.
Daß hierin System liegt, ergiebt sich daraus, daß sich dieselbe Tabelle mit
entsprechender Einleitung in den beiden neuesten Jahrgängen des Kalenders
findet. Was sonst vom Standpunkte ernster Erziehung aus für streng verpönt
gilt: in Schülerkreisen für studentische Korporationen zu werben, zu "teilen,"


'Katholische Schulkalender

der nicht bloß Schnurren und Kalauer enthält, die an Banalität noch unter
denen der schlechteste» Witzblätter stehn und dabei dessen, was unsre Witzblätter
genießbar und oft erheiternd macht, der Abbildungen, entbehren, sondern hie
und da selbst ans Cynische streift. Jedenfalls ist die äovlla xngro rovsi'Luken
darin nicht beachtet. Deal es werden nicht uur mit Vorliebe solche Geschichtchen
ausgelesen, in denen Schülern, häufig auch Lehrern, die größten Albernheiten
zugeschrieben werden, sondern der Sammler dieser Raritäten versteigt sich auch
(18ö3: Ans dein Leben eines Geschichtsprofessors) zu einer jener Schul-
hnmoreskcn, wie sie vor Jahren einmal in diesen Blättern mit Recht gegeißelt
wurden, da sie nicht bloß die Wirkung, sondern geradezu den Zweck haben,
die Thätigkeit des Lehrers in wohlfeilster Weise lächerlich zu machen, dadurch
daß man die mit ihr so leicht sich verbindenden Eigentümlichkeiten maßlos über¬
treibt. Und solches Zeug, das zu der Leihbiblivthekware der niedrigsten
Sorte zu rechnen ist, wagt sich in einen „Kalender sür die studirende Jugend,"
der sich als Muster von Religion und Sittlichkeit aufspielt! Freilich, auch der
Köder der schalsten Posscnreißerei ist nicht zu ordinär, wenn man damit die
Jugend für sich und seine besondern Zwecke zu saugen hofft.

Von einer andern Seite lernen wir die erzieherische Wirksamkeit des
Studienkalenders kennen in seinen Artikeln über das Studentenleben, nämlich
das akademische. In einer abgeschmackten Geschichte i1893: (üavötö!), die bei
einem allmählich zu eignem Denken heranreifenden Jüngling gerade wegen
ihrer Armseligkeit das Gegenteil von dem bewirken muß, was sie bewirke»
will, wird gegen das Pauken geeifert. Ein andrer Artikel (18!)3: Die Trink-
sitten und die studierende Jugend) giebt ein betrübendes und abschreckendes
Bild von den Wirkungen des Alkohols, das dann ohne weiteres in über¬
treibender Verallgemeinerung auf die studentischen Verbindungen angewendet
wird, und eifert gegen das studentische Sausen. Wir wollen dagegen zunächst
nur sagen, daß das alles viel geschickter, maßvoller und damit wirksamer gesagt
sein könnte und sollte. Nun schließt sich aber unmittelbar um diese Stndenten-
artikel ein andrer an N893: Über studentisches Verbindungswesen), worin
— unter Berufung auf Felix Dahn, der doch von dieser Seite sonst wenig
anerkannt wird — die Schwächen und Mängel des studentischen Lebens auf
studentische Korporationen aller Art ausgedehnt werden mit einziger Aus¬
nahme von? — nun natürlich von den katholischen Studentenverbindungen,
die bis in die Puppen gelobt und am Schluß in einer übersichtlichen Liste
nach Universitäten geordnet mit ihren Namen, Farben, Wahlsprüchen und
„Zirkeln" dem lüsternen Auge des staunenden „Studenten" vorgeführt werden.
Daß hierin System liegt, ergiebt sich daraus, daß sich dieselbe Tabelle mit
entsprechender Einleitung in den beiden neuesten Jahrgängen des Kalenders
findet. Was sonst vom Standpunkte ernster Erziehung aus für streng verpönt
gilt: in Schülerkreisen für studentische Korporationen zu werben, zu „teilen,"


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0144" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213936"/>
          <fw type="header" place="top"> 'Katholische Schulkalender</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_446" prev="#ID_445"> der nicht bloß Schnurren und Kalauer enthält, die an Banalität noch unter<lb/>
denen der schlechteste» Witzblätter stehn und dabei dessen, was unsre Witzblätter<lb/>
genießbar und oft erheiternd macht, der Abbildungen, entbehren, sondern hie<lb/>
und da selbst ans Cynische streift. Jedenfalls ist die äovlla xngro rovsi'Luken<lb/>
darin nicht beachtet. Deal es werden nicht uur mit Vorliebe solche Geschichtchen<lb/>
ausgelesen, in denen Schülern, häufig auch Lehrern, die größten Albernheiten<lb/>
zugeschrieben werden, sondern der Sammler dieser Raritäten versteigt sich auch<lb/>
(18ö3: Ans dein Leben eines Geschichtsprofessors) zu einer jener Schul-<lb/>
hnmoreskcn, wie sie vor Jahren einmal in diesen Blättern mit Recht gegeißelt<lb/>
wurden, da sie nicht bloß die Wirkung, sondern geradezu den Zweck haben,<lb/>
die Thätigkeit des Lehrers in wohlfeilster Weise lächerlich zu machen, dadurch<lb/>
daß man die mit ihr so leicht sich verbindenden Eigentümlichkeiten maßlos über¬<lb/>
treibt. Und solches Zeug, das zu der Leihbiblivthekware der niedrigsten<lb/>
Sorte zu rechnen ist, wagt sich in einen &#x201E;Kalender sür die studirende Jugend,"<lb/>
der sich als Muster von Religion und Sittlichkeit aufspielt! Freilich, auch der<lb/>
Köder der schalsten Posscnreißerei ist nicht zu ordinär, wenn man damit die<lb/>
Jugend für sich und seine besondern Zwecke zu saugen hofft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_447" next="#ID_448"> Von einer andern Seite lernen wir die erzieherische Wirksamkeit des<lb/>
Studienkalenders kennen in seinen Artikeln über das Studentenleben, nämlich<lb/>
das akademische. In einer abgeschmackten Geschichte i1893: (üavötö!), die bei<lb/>
einem allmählich zu eignem Denken heranreifenden Jüngling gerade wegen<lb/>
ihrer Armseligkeit das Gegenteil von dem bewirken muß, was sie bewirke»<lb/>
will, wird gegen das Pauken geeifert. Ein andrer Artikel (18!)3: Die Trink-<lb/>
sitten und die studierende Jugend) giebt ein betrübendes und abschreckendes<lb/>
Bild von den Wirkungen des Alkohols, das dann ohne weiteres in über¬<lb/>
treibender Verallgemeinerung auf die studentischen Verbindungen angewendet<lb/>
wird, und eifert gegen das studentische Sausen. Wir wollen dagegen zunächst<lb/>
nur sagen, daß das alles viel geschickter, maßvoller und damit wirksamer gesagt<lb/>
sein könnte und sollte. Nun schließt sich aber unmittelbar um diese Stndenten-<lb/>
artikel ein andrer an N893: Über studentisches Verbindungswesen), worin<lb/>
&#x2014; unter Berufung auf Felix Dahn, der doch von dieser Seite sonst wenig<lb/>
anerkannt wird &#x2014; die Schwächen und Mängel des studentischen Lebens auf<lb/>
studentische Korporationen aller Art ausgedehnt werden mit einziger Aus¬<lb/>
nahme von? &#x2014; nun natürlich von den katholischen Studentenverbindungen,<lb/>
die bis in die Puppen gelobt und am Schluß in einer übersichtlichen Liste<lb/>
nach Universitäten geordnet mit ihren Namen, Farben, Wahlsprüchen und<lb/>
&#x201E;Zirkeln" dem lüsternen Auge des staunenden &#x201E;Studenten" vorgeführt werden.<lb/>
Daß hierin System liegt, ergiebt sich daraus, daß sich dieselbe Tabelle mit<lb/>
entsprechender Einleitung in den beiden neuesten Jahrgängen des Kalenders<lb/>
findet. Was sonst vom Standpunkte ernster Erziehung aus für streng verpönt<lb/>
gilt: in Schülerkreisen für studentische Korporationen zu werben, zu &#x201E;teilen,"</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0144] 'Katholische Schulkalender der nicht bloß Schnurren und Kalauer enthält, die an Banalität noch unter denen der schlechteste» Witzblätter stehn und dabei dessen, was unsre Witzblätter genießbar und oft erheiternd macht, der Abbildungen, entbehren, sondern hie und da selbst ans Cynische streift. Jedenfalls ist die äovlla xngro rovsi'Luken darin nicht beachtet. Deal es werden nicht uur mit Vorliebe solche Geschichtchen ausgelesen, in denen Schülern, häufig auch Lehrern, die größten Albernheiten zugeschrieben werden, sondern der Sammler dieser Raritäten versteigt sich auch (18ö3: Ans dein Leben eines Geschichtsprofessors) zu einer jener Schul- hnmoreskcn, wie sie vor Jahren einmal in diesen Blättern mit Recht gegeißelt wurden, da sie nicht bloß die Wirkung, sondern geradezu den Zweck haben, die Thätigkeit des Lehrers in wohlfeilster Weise lächerlich zu machen, dadurch daß man die mit ihr so leicht sich verbindenden Eigentümlichkeiten maßlos über¬ treibt. Und solches Zeug, das zu der Leihbiblivthekware der niedrigsten Sorte zu rechnen ist, wagt sich in einen „Kalender sür die studirende Jugend," der sich als Muster von Religion und Sittlichkeit aufspielt! Freilich, auch der Köder der schalsten Posscnreißerei ist nicht zu ordinär, wenn man damit die Jugend für sich und seine besondern Zwecke zu saugen hofft. Von einer andern Seite lernen wir die erzieherische Wirksamkeit des Studienkalenders kennen in seinen Artikeln über das Studentenleben, nämlich das akademische. In einer abgeschmackten Geschichte i1893: (üavötö!), die bei einem allmählich zu eignem Denken heranreifenden Jüngling gerade wegen ihrer Armseligkeit das Gegenteil von dem bewirken muß, was sie bewirke» will, wird gegen das Pauken geeifert. Ein andrer Artikel (18!)3: Die Trink- sitten und die studierende Jugend) giebt ein betrübendes und abschreckendes Bild von den Wirkungen des Alkohols, das dann ohne weiteres in über¬ treibender Verallgemeinerung auf die studentischen Verbindungen angewendet wird, und eifert gegen das studentische Sausen. Wir wollen dagegen zunächst nur sagen, daß das alles viel geschickter, maßvoller und damit wirksamer gesagt sein könnte und sollte. Nun schließt sich aber unmittelbar um diese Stndenten- artikel ein andrer an N893: Über studentisches Verbindungswesen), worin — unter Berufung auf Felix Dahn, der doch von dieser Seite sonst wenig anerkannt wird — die Schwächen und Mängel des studentischen Lebens auf studentische Korporationen aller Art ausgedehnt werden mit einziger Aus¬ nahme von? — nun natürlich von den katholischen Studentenverbindungen, die bis in die Puppen gelobt und am Schluß in einer übersichtlichen Liste nach Universitäten geordnet mit ihren Namen, Farben, Wahlsprüchen und „Zirkeln" dem lüsternen Auge des staunenden „Studenten" vorgeführt werden. Daß hierin System liegt, ergiebt sich daraus, daß sich dieselbe Tabelle mit entsprechender Einleitung in den beiden neuesten Jahrgängen des Kalenders findet. Was sonst vom Standpunkte ernster Erziehung aus für streng verpönt gilt: in Schülerkreisen für studentische Korporationen zu werben, zu „teilen,"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/144
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/144>, abgerufen am 28.05.2024.