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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Lothar Bücher

der Wohnung, bis auf das Badezimmer, seiner Aufwärterin überließ. Ich will
hier nur noch einschalten, daß sich der Diener Buchers nicht -- wie in SchvrerS
Familicnblatt erzählt wird-- in der Wohnung seines Herrn, sondern im Tier¬
garten erhängt hat.

Was seine Vermögenslage anlangt, so befindet sich anch hier der Verfasser
in einem Irrtum, und ich halte mich für befugt, diesen zu berichtigen, damit
nicht etwa gar noch angenommen werde, Bucher habe die letzten Jahre an^
Sparsamkeitsrücksichten (!) in Friedrichsruh gelebt. Bücher ist dreiundzwanzig
Jahre im Amte gewesen und muß eine nicht unbedeutende Pension bezogen
haben, die sogar für eine Familie ausgereicht hätte. Der einsame, anspruchs¬
lose Mann hat denn auch seine Einnahmen niemals aufgebraucht, sondern
Vermögen hinterlassen. Noch im Herbst sagte er mir in der ihm eignen,
rührend schlichten Weise: "Ich habe jetzt zum erstenmale meine pekuniären
Verhältnisse näher durchmustert und zu meiner Beruhigung gefunden, daß ich
meinen Bruderkindern genug hinterlasse." Oberflächliche Beobachter mögen ja
nach dem Sprichwort: "Kleider machen Leute" aus der äußerlichen Einfach¬
heit des Verstorbnen auf eine dürftige Vermögenslage geschlossen haben.

Buchers Beziehungen zum Fürsten Bismarck liegen so klar zu Tage, daß
man sich wundern muß, wie nur der Versuch gewagt werden kann, einen
Schatten auf sie zu werfen. Sehr bald nach seinem Eintritt in das auswär-
tige Amt trat Bucher seinem Chef auch persönlich näher; wenigstens hat er
mir erzählt, daß er schon in den ersten Jahren seiner amtlichen Thätigkeit
viel in der Familie des Fürsten verkehrt habe. Bei dieser Gelegenheit hörte
ich auch eine Anekdote, die hier Erwähnung finden mag: Nach Annexion des
Herzogtums Lauenburg wurde Bucher mit der Aufgabe betraut, die Verwal¬
tung des Ländchens nach preußischem Muster zu organisiren. I" Lauenburg
müssen nun die wunderbarsten Zustände geherrscht haben, denn es fand sich
eine Reihe ganz unnötiger Staatsämter, die in den Händen üblicher Herren
und mit einem unverhältnismäßig hohen Einkommen dotirt waren. So gab es
für den Sachsenwald, der jetzt, als Eigentum des Fürsten Bismarck, von einem
Oberförster verwaltet wird, einen Oberforstmeister und verschiedene andre hohe
Forstbeamten. Die Herren mußten nun zur Regelung der Peusioussrage ihr
Einkommen deklariren, da man selbstverständlich alle diese Ämter einziehen
wollte. Als Bucher eines Abends während der Tafel von dem Fürsten nach
dem Stande dieser Angelegenheit gefragt wurde, erzählte er zur allgemeinen
Belustigung, daß von dem Herrn Oberforstmeister 11000 Thaler Einkommen
deklarirt worden seien, und daß er hoffe, diese Stelle durch einen Forstassessor
besetzen zu können. Da sagte die Fürstin Bismarck: "Ach lassen Sie die Stelle
nicht eingehen, wenn es einmal mit meinem Mann als Minister nicht mehr
geht, dann wäre das ja sür ihn ein Ruheposten!"

Es liegt nicht die geringste Veranlassung zu der Annahme vor, das; das


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der Wohnung, bis auf das Badezimmer, seiner Aufwärterin überließ. Ich will
hier nur noch einschalten, daß sich der Diener Buchers nicht — wie in SchvrerS
Familicnblatt erzählt wird— in der Wohnung seines Herrn, sondern im Tier¬
garten erhängt hat.

Was seine Vermögenslage anlangt, so befindet sich anch hier der Verfasser
in einem Irrtum, und ich halte mich für befugt, diesen zu berichtigen, damit
nicht etwa gar noch angenommen werde, Bucher habe die letzten Jahre an^
Sparsamkeitsrücksichten (!) in Friedrichsruh gelebt. Bücher ist dreiundzwanzig
Jahre im Amte gewesen und muß eine nicht unbedeutende Pension bezogen
haben, die sogar für eine Familie ausgereicht hätte. Der einsame, anspruchs¬
lose Mann hat denn auch seine Einnahmen niemals aufgebraucht, sondern
Vermögen hinterlassen. Noch im Herbst sagte er mir in der ihm eignen,
rührend schlichten Weise: „Ich habe jetzt zum erstenmale meine pekuniären
Verhältnisse näher durchmustert und zu meiner Beruhigung gefunden, daß ich
meinen Bruderkindern genug hinterlasse." Oberflächliche Beobachter mögen ja
nach dem Sprichwort: „Kleider machen Leute" aus der äußerlichen Einfach¬
heit des Verstorbnen auf eine dürftige Vermögenslage geschlossen haben.

Buchers Beziehungen zum Fürsten Bismarck liegen so klar zu Tage, daß
man sich wundern muß, wie nur der Versuch gewagt werden kann, einen
Schatten auf sie zu werfen. Sehr bald nach seinem Eintritt in das auswär-
tige Amt trat Bucher seinem Chef auch persönlich näher; wenigstens hat er
mir erzählt, daß er schon in den ersten Jahren seiner amtlichen Thätigkeit
viel in der Familie des Fürsten verkehrt habe. Bei dieser Gelegenheit hörte
ich auch eine Anekdote, die hier Erwähnung finden mag: Nach Annexion des
Herzogtums Lauenburg wurde Bucher mit der Aufgabe betraut, die Verwal¬
tung des Ländchens nach preußischem Muster zu organisiren. I» Lauenburg
müssen nun die wunderbarsten Zustände geherrscht haben, denn es fand sich
eine Reihe ganz unnötiger Staatsämter, die in den Händen üblicher Herren
und mit einem unverhältnismäßig hohen Einkommen dotirt waren. So gab es
für den Sachsenwald, der jetzt, als Eigentum des Fürsten Bismarck, von einem
Oberförster verwaltet wird, einen Oberforstmeister und verschiedene andre hohe
Forstbeamten. Die Herren mußten nun zur Regelung der Peusioussrage ihr
Einkommen deklariren, da man selbstverständlich alle diese Ämter einziehen
wollte. Als Bucher eines Abends während der Tafel von dem Fürsten nach
dem Stande dieser Angelegenheit gefragt wurde, erzählte er zur allgemeinen
Belustigung, daß von dem Herrn Oberforstmeister 11000 Thaler Einkommen
deklarirt worden seien, und daß er hoffe, diese Stelle durch einen Forstassessor
besetzen zu können. Da sagte die Fürstin Bismarck: „Ach lassen Sie die Stelle
nicht eingehen, wenn es einmal mit meinem Mann als Minister nicht mehr
geht, dann wäre das ja sür ihn ein Ruheposten!"

Es liegt nicht die geringste Veranlassung zu der Annahme vor, das; das


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[0188] Lothar Bücher der Wohnung, bis auf das Badezimmer, seiner Aufwärterin überließ. Ich will hier nur noch einschalten, daß sich der Diener Buchers nicht — wie in SchvrerS Familicnblatt erzählt wird— in der Wohnung seines Herrn, sondern im Tier¬ garten erhängt hat. Was seine Vermögenslage anlangt, so befindet sich anch hier der Verfasser in einem Irrtum, und ich halte mich für befugt, diesen zu berichtigen, damit nicht etwa gar noch angenommen werde, Bucher habe die letzten Jahre an^ Sparsamkeitsrücksichten (!) in Friedrichsruh gelebt. Bücher ist dreiundzwanzig Jahre im Amte gewesen und muß eine nicht unbedeutende Pension bezogen haben, die sogar für eine Familie ausgereicht hätte. Der einsame, anspruchs¬ lose Mann hat denn auch seine Einnahmen niemals aufgebraucht, sondern Vermögen hinterlassen. Noch im Herbst sagte er mir in der ihm eignen, rührend schlichten Weise: „Ich habe jetzt zum erstenmale meine pekuniären Verhältnisse näher durchmustert und zu meiner Beruhigung gefunden, daß ich meinen Bruderkindern genug hinterlasse." Oberflächliche Beobachter mögen ja nach dem Sprichwort: „Kleider machen Leute" aus der äußerlichen Einfach¬ heit des Verstorbnen auf eine dürftige Vermögenslage geschlossen haben. Buchers Beziehungen zum Fürsten Bismarck liegen so klar zu Tage, daß man sich wundern muß, wie nur der Versuch gewagt werden kann, einen Schatten auf sie zu werfen. Sehr bald nach seinem Eintritt in das auswär- tige Amt trat Bucher seinem Chef auch persönlich näher; wenigstens hat er mir erzählt, daß er schon in den ersten Jahren seiner amtlichen Thätigkeit viel in der Familie des Fürsten verkehrt habe. Bei dieser Gelegenheit hörte ich auch eine Anekdote, die hier Erwähnung finden mag: Nach Annexion des Herzogtums Lauenburg wurde Bucher mit der Aufgabe betraut, die Verwal¬ tung des Ländchens nach preußischem Muster zu organisiren. I» Lauenburg müssen nun die wunderbarsten Zustände geherrscht haben, denn es fand sich eine Reihe ganz unnötiger Staatsämter, die in den Händen üblicher Herren und mit einem unverhältnismäßig hohen Einkommen dotirt waren. So gab es für den Sachsenwald, der jetzt, als Eigentum des Fürsten Bismarck, von einem Oberförster verwaltet wird, einen Oberforstmeister und verschiedene andre hohe Forstbeamten. Die Herren mußten nun zur Regelung der Peusioussrage ihr Einkommen deklariren, da man selbstverständlich alle diese Ämter einziehen wollte. Als Bucher eines Abends während der Tafel von dem Fürsten nach dem Stande dieser Angelegenheit gefragt wurde, erzählte er zur allgemeinen Belustigung, daß von dem Herrn Oberforstmeister 11000 Thaler Einkommen deklarirt worden seien, und daß er hoffe, diese Stelle durch einen Forstassessor besetzen zu können. Da sagte die Fürstin Bismarck: „Ach lassen Sie die Stelle nicht eingehen, wenn es einmal mit meinem Mann als Minister nicht mehr geht, dann wäre das ja sür ihn ein Ruheposten!" Es liegt nicht die geringste Veranlassung zu der Annahme vor, das; das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/188>, abgerufen am 06.06.2024.