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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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von dein Ehemanne verlegt." t; 1770: "Sind von dem Erblasser mehrere
Personen bezeichnet." H 1828: "Ist von dem Vorerben über einen der Nach¬
erbfolge unterliegenden Gegenstand verfügt." 8 1930: "Wird vor Ablauf der
Frist von dem Erblasser eine neue Seereise angetreten." Die Beispiele finden
sich in erschreckender Anzahl. Von einigen will ich nur uoch die Paragraphen
angeben: 1527, 1572, 1832, 1838, 1839, 1848 Ur. 3. 1885, 1893, 1932
Abs. 3, 1956 Abs. 3, 1989 Ur. 1, 2009, 2012. Man begreift nicht, warum
es nicht schlecht und recht heißt: Hat der Schuldner gegen die guten Sitten
verstoßen, ^ verlegt der Ehemann den Wohnsitz, -- hat der Erblasser eine
Seereise angetreten. Aber es kommt noch besser. In 1902 heißt es: "Der
Testamentsvollstrecker ist zur Eingehung einer Verbindlichkeit nnr insofern be¬
rechtigt, als er über einen zum Nachlasse gehörenden Gegenstand zu verfügen
berechtigt ist und die Verpflichtung zu einer solchen Verfügung übernommen
wird." Ja von wem soll den" die Verpflichtung übernommen werden? Doch
wohl vom Testamentsvollstrecker! Weshalb versteckt man ihn also? Weshalb
sagt man nicht besser, einfacher und klarer: als er über einen zum Nachlasse
gehörenden Gegenstand zu verfügen berechtigt ist und die Verpflichtung zu einer
solchen Verfügung übernimmt? Gewiß verdient die passivische Satzbildung
zuweilen den Vorzug vor der nttivischen, ja manchmal ist sie unentbehrlich.
Vorzuziehen ist sie z. B., wenn die Attivfvrm zur Unklarheit führen würde,
wie in dem Satze: Seine Treue überwand die Bestechung. Unentbehrlich ist
das Passionen, wenn das eigentlich handelnde Subjekt nicht genannt werden
soll, oder wenn es unbekannt ist; so in 8 191: "Das rechtskräftig Zuerkannte
kaun nicht mehr bestritten, das rechtskräftig Aberkannte nicht mehr geltend ge¬
macht werden." Ich behaupte aber, daß in keinem der vorhin angeführten
Fülle des Entwurfs ein Grund für die Wahl des Passivums vorliegt.

Auch die Satzstellung ist an zahlreichen Stellen unrichtig, mindestens
unschön. ^ 488 Abs. 3: "Dem Käufer gebühren die aus dein Wegfalle eines
Vermächtnisses oder einer Auflage sich ergebenden Vortheile." Die Bvranstel-
luug der Worte dem Käufer hat keine Berechtigung. Sie würde richtig sein,
wenn darnach eine Aufstellung der dein Käufer gebührenden Vorteile folgte.
Die Worte dem Käufer, auf die allerdings der Nachdruck zu legen ist, ge¬
hören ebendeshalb um den Schluß des Satzes. Es muß ferner*) in 8 742
heißen: Das Geleistete von dem Empfänger zurückzufordern -- in K 1001:
daß der Anspruch aus der Versicherung dem Eigentümer zusteht - in 8 1006:
daß die Ausübung des Nießbrauchs dem Nießbrancher entzogen und für dessen
Rechnung einem Verwalter übertragen werde -- in K 1030: kann der Nie߬
braucher vom Gläubiger die Abtretung der Forderung verlangen -- in Z 1240:**)




*) Hier muß ich deu Leser bitte", den Entwurf selbst zur Hand zu nehmen; die Wieder¬
gabe der Stellen wurde zu weit führen."
**) Der Zwischensatz "solange dicAuuahmc an KiudeZstatl besteht gehört an den Schluß.
Grenzboten 1 1893 30

von dein Ehemanne verlegt." t; 1770: „Sind von dem Erblasser mehrere
Personen bezeichnet." H 1828: „Ist von dem Vorerben über einen der Nach¬
erbfolge unterliegenden Gegenstand verfügt." 8 1930: „Wird vor Ablauf der
Frist von dem Erblasser eine neue Seereise angetreten." Die Beispiele finden
sich in erschreckender Anzahl. Von einigen will ich nur uoch die Paragraphen
angeben: 1527, 1572, 1832, 1838, 1839, 1848 Ur. 3. 1885, 1893, 1932
Abs. 3, 1956 Abs. 3, 1989 Ur. 1, 2009, 2012. Man begreift nicht, warum
es nicht schlecht und recht heißt: Hat der Schuldner gegen die guten Sitten
verstoßen, ^ verlegt der Ehemann den Wohnsitz, — hat der Erblasser eine
Seereise angetreten. Aber es kommt noch besser. In 1902 heißt es: „Der
Testamentsvollstrecker ist zur Eingehung einer Verbindlichkeit nnr insofern be¬
rechtigt, als er über einen zum Nachlasse gehörenden Gegenstand zu verfügen
berechtigt ist und die Verpflichtung zu einer solchen Verfügung übernommen
wird." Ja von wem soll den» die Verpflichtung übernommen werden? Doch
wohl vom Testamentsvollstrecker! Weshalb versteckt man ihn also? Weshalb
sagt man nicht besser, einfacher und klarer: als er über einen zum Nachlasse
gehörenden Gegenstand zu verfügen berechtigt ist und die Verpflichtung zu einer
solchen Verfügung übernimmt? Gewiß verdient die passivische Satzbildung
zuweilen den Vorzug vor der nttivischen, ja manchmal ist sie unentbehrlich.
Vorzuziehen ist sie z. B., wenn die Attivfvrm zur Unklarheit führen würde,
wie in dem Satze: Seine Treue überwand die Bestechung. Unentbehrlich ist
das Passionen, wenn das eigentlich handelnde Subjekt nicht genannt werden
soll, oder wenn es unbekannt ist; so in 8 191: „Das rechtskräftig Zuerkannte
kaun nicht mehr bestritten, das rechtskräftig Aberkannte nicht mehr geltend ge¬
macht werden." Ich behaupte aber, daß in keinem der vorhin angeführten
Fülle des Entwurfs ein Grund für die Wahl des Passivums vorliegt.

Auch die Satzstellung ist an zahlreichen Stellen unrichtig, mindestens
unschön. ^ 488 Abs. 3: „Dem Käufer gebühren die aus dein Wegfalle eines
Vermächtnisses oder einer Auflage sich ergebenden Vortheile." Die Bvranstel-
luug der Worte dem Käufer hat keine Berechtigung. Sie würde richtig sein,
wenn darnach eine Aufstellung der dein Käufer gebührenden Vorteile folgte.
Die Worte dem Käufer, auf die allerdings der Nachdruck zu legen ist, ge¬
hören ebendeshalb um den Schluß des Satzes. Es muß ferner*) in 8 742
heißen: Das Geleistete von dem Empfänger zurückzufordern — in K 1001:
daß der Anspruch aus der Versicherung dem Eigentümer zusteht - in 8 1006:
daß die Ausübung des Nießbrauchs dem Nießbrancher entzogen und für dessen
Rechnung einem Verwalter übertragen werde — in K 1030: kann der Nie߬
braucher vom Gläubiger die Abtretung der Forderung verlangen — in Z 1240:**)




*) Hier muß ich deu Leser bitte», den Entwurf selbst zur Hand zu nehmen; die Wieder¬
gabe der Stellen wurde zu weit führen."
**) Der Zwischensatz „solange dicAuuahmc an KiudeZstatl besteht gehört an den Schluß.
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[0243] von dein Ehemanne verlegt." t; 1770: „Sind von dem Erblasser mehrere Personen bezeichnet." H 1828: „Ist von dem Vorerben über einen der Nach¬ erbfolge unterliegenden Gegenstand verfügt." 8 1930: „Wird vor Ablauf der Frist von dem Erblasser eine neue Seereise angetreten." Die Beispiele finden sich in erschreckender Anzahl. Von einigen will ich nur uoch die Paragraphen angeben: 1527, 1572, 1832, 1838, 1839, 1848 Ur. 3. 1885, 1893, 1932 Abs. 3, 1956 Abs. 3, 1989 Ur. 1, 2009, 2012. Man begreift nicht, warum es nicht schlecht und recht heißt: Hat der Schuldner gegen die guten Sitten verstoßen, ^ verlegt der Ehemann den Wohnsitz, — hat der Erblasser eine Seereise angetreten. Aber es kommt noch besser. In 1902 heißt es: „Der Testamentsvollstrecker ist zur Eingehung einer Verbindlichkeit nnr insofern be¬ rechtigt, als er über einen zum Nachlasse gehörenden Gegenstand zu verfügen berechtigt ist und die Verpflichtung zu einer solchen Verfügung übernommen wird." Ja von wem soll den» die Verpflichtung übernommen werden? Doch wohl vom Testamentsvollstrecker! Weshalb versteckt man ihn also? Weshalb sagt man nicht besser, einfacher und klarer: als er über einen zum Nachlasse gehörenden Gegenstand zu verfügen berechtigt ist und die Verpflichtung zu einer solchen Verfügung übernimmt? Gewiß verdient die passivische Satzbildung zuweilen den Vorzug vor der nttivischen, ja manchmal ist sie unentbehrlich. Vorzuziehen ist sie z. B., wenn die Attivfvrm zur Unklarheit führen würde, wie in dem Satze: Seine Treue überwand die Bestechung. Unentbehrlich ist das Passionen, wenn das eigentlich handelnde Subjekt nicht genannt werden soll, oder wenn es unbekannt ist; so in 8 191: „Das rechtskräftig Zuerkannte kaun nicht mehr bestritten, das rechtskräftig Aberkannte nicht mehr geltend ge¬ macht werden." Ich behaupte aber, daß in keinem der vorhin angeführten Fülle des Entwurfs ein Grund für die Wahl des Passivums vorliegt. Auch die Satzstellung ist an zahlreichen Stellen unrichtig, mindestens unschön. ^ 488 Abs. 3: „Dem Käufer gebühren die aus dein Wegfalle eines Vermächtnisses oder einer Auflage sich ergebenden Vortheile." Die Bvranstel- luug der Worte dem Käufer hat keine Berechtigung. Sie würde richtig sein, wenn darnach eine Aufstellung der dein Käufer gebührenden Vorteile folgte. Die Worte dem Käufer, auf die allerdings der Nachdruck zu legen ist, ge¬ hören ebendeshalb um den Schluß des Satzes. Es muß ferner*) in 8 742 heißen: Das Geleistete von dem Empfänger zurückzufordern — in K 1001: daß der Anspruch aus der Versicherung dem Eigentümer zusteht - in 8 1006: daß die Ausübung des Nießbrauchs dem Nießbrancher entzogen und für dessen Rechnung einem Verwalter übertragen werde — in K 1030: kann der Nie߬ braucher vom Gläubiger die Abtretung der Forderung verlangen — in Z 1240:**) *) Hier muß ich deu Leser bitte», den Entwurf selbst zur Hand zu nehmen; die Wieder¬ gabe der Stellen wurde zu weit führen." **) Der Zwischensatz „solange dicAuuahmc an KiudeZstatl besteht gehört an den Schluß. Grenzboten 1 1893 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/243>, abgerufen am 05.06.2024.