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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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sie sich dieses Vorteils freiwillig berauben! Mit dem idealen Grundsatz von
der Unverletzlich reit des Privateigentums, der übrigens hier doch sehr an den
Fuchs erinnert, dem die Trauben zu hoch hingen, kommt man einem Feinde
gegenüber, dessen kriegerische Lehrmeister den Kaperkrieg in der ausgedehntesten
Form -- 1a Auerriz 5 av.er.Mos -- predigen, nicht weit.

Grollend sahen Englands alte Admiräle die Erfindung und Vervollkomm¬
nung der Torpedowasfe. Ihr ritterliches Gefühl sträubte sich gegen die
heimtückische Kampfweise mit dieser gewaltigen Waffe des Schwachen. Aber
sie erkannten sofort, daß der Wert ihrer mächtigen Flotte denen andrer Na¬
tionen gegenüber durch deu neuen Störenfried herabgedrückt wurde, und sie
waren viel zu stolz und viel zu klug, sich ein testimonium x^uvörtg-dis durch
einen Antrag aus Ausschluß der Torpedowasfe vom Seekriege zu geben. Nein,
England suchte auch im Torpcdowesen alle andern Flotten zu übertreffen, und
das war der einzige vernünftige Ausweg angesichts der Dinge, wie sie wirklich
waren.

Merkwürdigerweise betonen die Gegner des Seebeuterechts besonders
dessen "inhumane" Seite. Ganz abgesehen nun davon, daß der Begriff Hu¬
manität ohnehin nicht recht zu den modernsten Kriegswasfen passen will, läßt
sich leicht zeigen, daß hier wieder ein Trugschluß vorliegt. Durch die Kaperei,
oder wie man sie heute nennen muß, den Krcuzerkrieg, soll der Gegner nach
Möglichkeit geschwächt, also eher zum Friedensschluß gezwungen werden. Man
bedenke wohl, daß die Zeit der dynastischen und diplomatischen Kriege vor¬
über ist. Heutzutage handelt es sich nnr um Volkskriege, bei deuen ganze
Völker in Waffen einander bekämpfen. Jedes Volk und jeder Einzelne setzt
dazu Gut und Blut ein; wenigstens muß man das von jedem, der Vater¬
landsgefühl und Stolz besitzt, voraussetzen. Mit welchem moralischen und
humane" Grunde soll es nun da zu verteidigen sein, daß man das Gut ein¬
zelner -- das Privateigentum zur See -- auf Kosten des Blutes andrer
schonen will? Weil die Fachleute den Kreuzerkrieg für ein wirksames, d.h. den
Krieg unter Umständen verkürzendes Streitmittel halten, darum müßten doch
alle Freunde wahrer Humanität mit Freuden für das Seebeuterecht stimmen,
da es die Aussicht bietet, daß durch Wegnahme des Gutes in künftigen Kriegen
am Blut gespart werden kann. Ganz anders liegt die Sache für das Privat¬
eigentum am Lande; seine Wegnahme, Beschädigung oder Zerstörung wird
nnr in bestimmten Fällen auf den Kriegsverlauf von Einfluß sein. Treten
aber solche Fälle, wie z.B. bei Beschießungen und bei Belagerungen ein, so
machte bisher der Kriegführende stets rücksichtslosen Gebrauch von dem Rechte
des Stärkern.

Einer der beliebtesten juristischen Spielbälle ist der Begriff der Kriegs-
kontrebande. Am klarsten ergiebt sich nach fachmännischer, nicht juristischer
Ansicht dieser Begriff wohl dann, wenn man das Feindesland als eine be-


sie sich dieses Vorteils freiwillig berauben! Mit dem idealen Grundsatz von
der Unverletzlich reit des Privateigentums, der übrigens hier doch sehr an den
Fuchs erinnert, dem die Trauben zu hoch hingen, kommt man einem Feinde
gegenüber, dessen kriegerische Lehrmeister den Kaperkrieg in der ausgedehntesten
Form — 1a Auerriz 5 av.er.Mos — predigen, nicht weit.

Grollend sahen Englands alte Admiräle die Erfindung und Vervollkomm¬
nung der Torpedowasfe. Ihr ritterliches Gefühl sträubte sich gegen die
heimtückische Kampfweise mit dieser gewaltigen Waffe des Schwachen. Aber
sie erkannten sofort, daß der Wert ihrer mächtigen Flotte denen andrer Na¬
tionen gegenüber durch deu neuen Störenfried herabgedrückt wurde, und sie
waren viel zu stolz und viel zu klug, sich ein testimonium x^uvörtg-dis durch
einen Antrag aus Ausschluß der Torpedowasfe vom Seekriege zu geben. Nein,
England suchte auch im Torpcdowesen alle andern Flotten zu übertreffen, und
das war der einzige vernünftige Ausweg angesichts der Dinge, wie sie wirklich
waren.

Merkwürdigerweise betonen die Gegner des Seebeuterechts besonders
dessen „inhumane" Seite. Ganz abgesehen nun davon, daß der Begriff Hu¬
manität ohnehin nicht recht zu den modernsten Kriegswasfen passen will, läßt
sich leicht zeigen, daß hier wieder ein Trugschluß vorliegt. Durch die Kaperei,
oder wie man sie heute nennen muß, den Krcuzerkrieg, soll der Gegner nach
Möglichkeit geschwächt, also eher zum Friedensschluß gezwungen werden. Man
bedenke wohl, daß die Zeit der dynastischen und diplomatischen Kriege vor¬
über ist. Heutzutage handelt es sich nnr um Volkskriege, bei deuen ganze
Völker in Waffen einander bekämpfen. Jedes Volk und jeder Einzelne setzt
dazu Gut und Blut ein; wenigstens muß man das von jedem, der Vater¬
landsgefühl und Stolz besitzt, voraussetzen. Mit welchem moralischen und
humane» Grunde soll es nun da zu verteidigen sein, daß man das Gut ein¬
zelner — das Privateigentum zur See — auf Kosten des Blutes andrer
schonen will? Weil die Fachleute den Kreuzerkrieg für ein wirksames, d.h. den
Krieg unter Umständen verkürzendes Streitmittel halten, darum müßten doch
alle Freunde wahrer Humanität mit Freuden für das Seebeuterecht stimmen,
da es die Aussicht bietet, daß durch Wegnahme des Gutes in künftigen Kriegen
am Blut gespart werden kann. Ganz anders liegt die Sache für das Privat¬
eigentum am Lande; seine Wegnahme, Beschädigung oder Zerstörung wird
nnr in bestimmten Fällen auf den Kriegsverlauf von Einfluß sein. Treten
aber solche Fälle, wie z.B. bei Beschießungen und bei Belagerungen ein, so
machte bisher der Kriegführende stets rücksichtslosen Gebrauch von dem Rechte
des Stärkern.

Einer der beliebtesten juristischen Spielbälle ist der Begriff der Kriegs-
kontrebande. Am klarsten ergiebt sich nach fachmännischer, nicht juristischer
Ansicht dieser Begriff wohl dann, wenn man das Feindesland als eine be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/378>, abgerufen am 16.06.2024.