Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Schutz des -Privateigentums zur See

lagerte Festung ansieht (eine von den modernen, mit vorgeschobnen, zerstreut
liegenden Werken, wenn mau will). Je weniger Zufuhr mau durchläßt, desto
schneller wird eine Abnahme der Kampflust eintreten. Daraus folgt doch nun
gleich zuerst, daß alle Handelsschiffe des feindlichen Landes Kriegskoutrebcmde
enthalten -- nämlich die Mannschaft. Alle die kräftigen, waffenfähigen See¬
leute, die im Frieden die Heimat verlassen haben, werden die feindliche See¬
macht Verstürken, wenn sie nicht zurückgehalten werden. Und wer aus das
Völkerrecht pocht, nach dem sich die Kriegführung nur gegen die Kriegsmacht
des Gegners richtet, dem sei die Frage vorgelegt, ob ein einberufner Re¬
servist als Zivilist zu betrachten sei oder nicht -- er wird sie Wohl ver¬
neinen müssen. Die zurückkehrenden Seeleute sind uun meist eiuberufne Re¬
servisten. Um diese Reservisten uicht zur feindlichen Kriegsmacht gelangen zu
lassen, müssen die feindlichen Handelsschiffe zurückgehalten werden. Macht
die Zurückhaltung der Schiffe Schwierigkeiten, so wird sie der Gegner
unter Umständen vernichten. Sollte eS jedoch wider Erwarten dem Gegner
auf die "Handvoll" Leute nicht ankommen -- von deutschen Seeleuten werden
vielleicht rund 15 WO Mann beständig außerhalb der Heimat sein, d. s-
ein nicht zu unterschätzender Teil der besten Leute der Kriegsbesatzung
unsrer Kriegsflotte --, dann muß er sich zunächst sagen, daß jedes Handels¬
schiff zu irgend einem kriegerischen Zweck verwendbar ist. Selbst das älteste
Segelschiff kann vorzügliche Kriegsdienste thun, wenn es mit Steinen oder
dergleichen gefüllt an bestimmter Stelle eines Fahrwassers als Hindernis
versenkt wird; die mannichfaltigen Zwecke aber, denen jeder Handelsdampfer
in Kriegszeiten dienen kann, braucht mau selbst dem Laien nicht erst einzeln
aufzuführen. Soviel wird wohl jedem einleuchten, daß auf dem Lande der
Feind keinen Eisenbahnzug, selbst wenn sämtliche Wagen Privatbesitz einzelner
Gesellschaften wären, freiwillig dem Gegner überlassen wird. Mit den Handels¬
schissen ohne Ausnahme ist es dieselbe Sache. Nur das Scesischereigcwerbe
ist nach jahrhundertealtem Brauch bisher von der Wegnahme ausgeschlossen
geblieben; und da spielt Wohl lediglich das gute Herz des Seemanns eine Rolle,
der dem wackern Seesischer, der neben dein Bergmann wohl das härteste und
lebensgefährlichste Gewerbe auf Erden betreibt, sein bischen Habe und Ver¬
dienst nicht rauben will.

Der Begriff der Kriegskoutrebcmde kommt nach diesen Betrachtungen
überhaupt erst in Frage bei Schiffen der neutralen Mächte, die für feindliche
Häfen Ladung führen. Hier handelt es sich wieder darum, alles zurückzuhalten,
was der feindlichen Kriegsmacht dienen kann; dahin gehören natürlich Waffen
und Munition, doch auch Lebensmittel aller Art und Kohlen. So wurde
von dem französischen Blvckadcgeschwader im letzten Kriege gegen China Reis
als Kontrebande angesehen; murrend mußten sich die Neutralen das gefallen
lassen. Kohlen würden der Kriegsflotte zu gute kommen; Tnchstosse, wollene


Grenzboten I 1893 47
Der Schutz des -Privateigentums zur See

lagerte Festung ansieht (eine von den modernen, mit vorgeschobnen, zerstreut
liegenden Werken, wenn mau will). Je weniger Zufuhr mau durchläßt, desto
schneller wird eine Abnahme der Kampflust eintreten. Daraus folgt doch nun
gleich zuerst, daß alle Handelsschiffe des feindlichen Landes Kriegskoutrebcmde
enthalten — nämlich die Mannschaft. Alle die kräftigen, waffenfähigen See¬
leute, die im Frieden die Heimat verlassen haben, werden die feindliche See¬
macht Verstürken, wenn sie nicht zurückgehalten werden. Und wer aus das
Völkerrecht pocht, nach dem sich die Kriegführung nur gegen die Kriegsmacht
des Gegners richtet, dem sei die Frage vorgelegt, ob ein einberufner Re¬
servist als Zivilist zu betrachten sei oder nicht — er wird sie Wohl ver¬
neinen müssen. Die zurückkehrenden Seeleute sind uun meist eiuberufne Re¬
servisten. Um diese Reservisten uicht zur feindlichen Kriegsmacht gelangen zu
lassen, müssen die feindlichen Handelsschiffe zurückgehalten werden. Macht
die Zurückhaltung der Schiffe Schwierigkeiten, so wird sie der Gegner
unter Umständen vernichten. Sollte eS jedoch wider Erwarten dem Gegner
auf die „Handvoll" Leute nicht ankommen — von deutschen Seeleuten werden
vielleicht rund 15 WO Mann beständig außerhalb der Heimat sein, d. s-
ein nicht zu unterschätzender Teil der besten Leute der Kriegsbesatzung
unsrer Kriegsflotte —, dann muß er sich zunächst sagen, daß jedes Handels¬
schiff zu irgend einem kriegerischen Zweck verwendbar ist. Selbst das älteste
Segelschiff kann vorzügliche Kriegsdienste thun, wenn es mit Steinen oder
dergleichen gefüllt an bestimmter Stelle eines Fahrwassers als Hindernis
versenkt wird; die mannichfaltigen Zwecke aber, denen jeder Handelsdampfer
in Kriegszeiten dienen kann, braucht mau selbst dem Laien nicht erst einzeln
aufzuführen. Soviel wird wohl jedem einleuchten, daß auf dem Lande der
Feind keinen Eisenbahnzug, selbst wenn sämtliche Wagen Privatbesitz einzelner
Gesellschaften wären, freiwillig dem Gegner überlassen wird. Mit den Handels¬
schissen ohne Ausnahme ist es dieselbe Sache. Nur das Scesischereigcwerbe
ist nach jahrhundertealtem Brauch bisher von der Wegnahme ausgeschlossen
geblieben; und da spielt Wohl lediglich das gute Herz des Seemanns eine Rolle,
der dem wackern Seesischer, der neben dein Bergmann wohl das härteste und
lebensgefährlichste Gewerbe auf Erden betreibt, sein bischen Habe und Ver¬
dienst nicht rauben will.

Der Begriff der Kriegskoutrebcmde kommt nach diesen Betrachtungen
überhaupt erst in Frage bei Schiffen der neutralen Mächte, die für feindliche
Häfen Ladung führen. Hier handelt es sich wieder darum, alles zurückzuhalten,
was der feindlichen Kriegsmacht dienen kann; dahin gehören natürlich Waffen
und Munition, doch auch Lebensmittel aller Art und Kohlen. So wurde
von dem französischen Blvckadcgeschwader im letzten Kriege gegen China Reis
als Kontrebande angesehen; murrend mußten sich die Neutralen das gefallen
lassen. Kohlen würden der Kriegsflotte zu gute kommen; Tnchstosse, wollene


Grenzboten I 1893 47
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0379" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214171"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Schutz des -Privateigentums zur See</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1285" prev="#ID_1284"> lagerte Festung ansieht (eine von den modernen, mit vorgeschobnen, zerstreut<lb/>
liegenden Werken, wenn mau will). Je weniger Zufuhr mau durchläßt, desto<lb/>
schneller wird eine Abnahme der Kampflust eintreten. Daraus folgt doch nun<lb/>
gleich zuerst, daß alle Handelsschiffe des feindlichen Landes Kriegskoutrebcmde<lb/>
enthalten &#x2014; nämlich die Mannschaft. Alle die kräftigen, waffenfähigen See¬<lb/>
leute, die im Frieden die Heimat verlassen haben, werden die feindliche See¬<lb/>
macht Verstürken, wenn sie nicht zurückgehalten werden. Und wer aus das<lb/>
Völkerrecht pocht, nach dem sich die Kriegführung nur gegen die Kriegsmacht<lb/>
des Gegners richtet, dem sei die Frage vorgelegt, ob ein einberufner Re¬<lb/>
servist als Zivilist zu betrachten sei oder nicht &#x2014; er wird sie Wohl ver¬<lb/>
neinen müssen. Die zurückkehrenden Seeleute sind uun meist eiuberufne Re¬<lb/>
servisten. Um diese Reservisten uicht zur feindlichen Kriegsmacht gelangen zu<lb/>
lassen, müssen die feindlichen Handelsschiffe zurückgehalten werden. Macht<lb/>
die Zurückhaltung der Schiffe Schwierigkeiten, so wird sie der Gegner<lb/>
unter Umständen vernichten. Sollte eS jedoch wider Erwarten dem Gegner<lb/>
auf die &#x201E;Handvoll" Leute nicht ankommen &#x2014; von deutschen Seeleuten werden<lb/>
vielleicht rund 15 WO Mann beständig außerhalb der Heimat sein, d. s-<lb/>
ein nicht zu unterschätzender Teil der besten Leute der Kriegsbesatzung<lb/>
unsrer Kriegsflotte &#x2014;, dann muß er sich zunächst sagen, daß jedes Handels¬<lb/>
schiff zu irgend einem kriegerischen Zweck verwendbar ist. Selbst das älteste<lb/>
Segelschiff kann vorzügliche Kriegsdienste thun, wenn es mit Steinen oder<lb/>
dergleichen gefüllt an bestimmter Stelle eines Fahrwassers als Hindernis<lb/>
versenkt wird; die mannichfaltigen Zwecke aber, denen jeder Handelsdampfer<lb/>
in Kriegszeiten dienen kann, braucht mau selbst dem Laien nicht erst einzeln<lb/>
aufzuführen. Soviel wird wohl jedem einleuchten, daß auf dem Lande der<lb/>
Feind keinen Eisenbahnzug, selbst wenn sämtliche Wagen Privatbesitz einzelner<lb/>
Gesellschaften wären, freiwillig dem Gegner überlassen wird. Mit den Handels¬<lb/>
schissen ohne Ausnahme ist es dieselbe Sache. Nur das Scesischereigcwerbe<lb/>
ist nach jahrhundertealtem Brauch bisher von der Wegnahme ausgeschlossen<lb/>
geblieben; und da spielt Wohl lediglich das gute Herz des Seemanns eine Rolle,<lb/>
der dem wackern Seesischer, der neben dein Bergmann wohl das härteste und<lb/>
lebensgefährlichste Gewerbe auf Erden betreibt, sein bischen Habe und Ver¬<lb/>
dienst nicht rauben will.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1286" next="#ID_1287"> Der Begriff der Kriegskoutrebcmde kommt nach diesen Betrachtungen<lb/>
überhaupt erst in Frage bei Schiffen der neutralen Mächte, die für feindliche<lb/>
Häfen Ladung führen. Hier handelt es sich wieder darum, alles zurückzuhalten,<lb/>
was der feindlichen Kriegsmacht dienen kann; dahin gehören natürlich Waffen<lb/>
und Munition, doch auch Lebensmittel aller Art und Kohlen. So wurde<lb/>
von dem französischen Blvckadcgeschwader im letzten Kriege gegen China Reis<lb/>
als Kontrebande angesehen; murrend mußten sich die Neutralen das gefallen<lb/>
lassen. Kohlen würden der Kriegsflotte zu gute kommen; Tnchstosse, wollene</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1893 47</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0379] Der Schutz des -Privateigentums zur See lagerte Festung ansieht (eine von den modernen, mit vorgeschobnen, zerstreut liegenden Werken, wenn mau will). Je weniger Zufuhr mau durchläßt, desto schneller wird eine Abnahme der Kampflust eintreten. Daraus folgt doch nun gleich zuerst, daß alle Handelsschiffe des feindlichen Landes Kriegskoutrebcmde enthalten — nämlich die Mannschaft. Alle die kräftigen, waffenfähigen See¬ leute, die im Frieden die Heimat verlassen haben, werden die feindliche See¬ macht Verstürken, wenn sie nicht zurückgehalten werden. Und wer aus das Völkerrecht pocht, nach dem sich die Kriegführung nur gegen die Kriegsmacht des Gegners richtet, dem sei die Frage vorgelegt, ob ein einberufner Re¬ servist als Zivilist zu betrachten sei oder nicht — er wird sie Wohl ver¬ neinen müssen. Die zurückkehrenden Seeleute sind uun meist eiuberufne Re¬ servisten. Um diese Reservisten uicht zur feindlichen Kriegsmacht gelangen zu lassen, müssen die feindlichen Handelsschiffe zurückgehalten werden. Macht die Zurückhaltung der Schiffe Schwierigkeiten, so wird sie der Gegner unter Umständen vernichten. Sollte eS jedoch wider Erwarten dem Gegner auf die „Handvoll" Leute nicht ankommen — von deutschen Seeleuten werden vielleicht rund 15 WO Mann beständig außerhalb der Heimat sein, d. s- ein nicht zu unterschätzender Teil der besten Leute der Kriegsbesatzung unsrer Kriegsflotte —, dann muß er sich zunächst sagen, daß jedes Handels¬ schiff zu irgend einem kriegerischen Zweck verwendbar ist. Selbst das älteste Segelschiff kann vorzügliche Kriegsdienste thun, wenn es mit Steinen oder dergleichen gefüllt an bestimmter Stelle eines Fahrwassers als Hindernis versenkt wird; die mannichfaltigen Zwecke aber, denen jeder Handelsdampfer in Kriegszeiten dienen kann, braucht mau selbst dem Laien nicht erst einzeln aufzuführen. Soviel wird wohl jedem einleuchten, daß auf dem Lande der Feind keinen Eisenbahnzug, selbst wenn sämtliche Wagen Privatbesitz einzelner Gesellschaften wären, freiwillig dem Gegner überlassen wird. Mit den Handels¬ schissen ohne Ausnahme ist es dieselbe Sache. Nur das Scesischereigcwerbe ist nach jahrhundertealtem Brauch bisher von der Wegnahme ausgeschlossen geblieben; und da spielt Wohl lediglich das gute Herz des Seemanns eine Rolle, der dem wackern Seesischer, der neben dein Bergmann wohl das härteste und lebensgefährlichste Gewerbe auf Erden betreibt, sein bischen Habe und Ver¬ dienst nicht rauben will. Der Begriff der Kriegskoutrebcmde kommt nach diesen Betrachtungen überhaupt erst in Frage bei Schiffen der neutralen Mächte, die für feindliche Häfen Ladung führen. Hier handelt es sich wieder darum, alles zurückzuhalten, was der feindlichen Kriegsmacht dienen kann; dahin gehören natürlich Waffen und Munition, doch auch Lebensmittel aller Art und Kohlen. So wurde von dem französischen Blvckadcgeschwader im letzten Kriege gegen China Reis als Kontrebande angesehen; murrend mußten sich die Neutralen das gefallen lassen. Kohlen würden der Kriegsflotte zu gute kommen; Tnchstosse, wollene Grenzboten I 1893 47

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/379
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/379>, abgerufen am 23.05.2024.