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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Decken, Woll- und Baumwollwaren könnten zur Uniformirung verwendet
werden; Wem und Tabak sind Geuußnüttel, die dem Heere zu gute kommen
könnten. Für Rohstoffe verschiedenster Art, wie Salpeter, Erze, Salz, Hunde
u. s. w., läßt sich, wenn man will, ein unmittelbarer oder mittelbarer Kriegs¬
zweck annehmen. Hat der Gegner die Macht, so wird es ihm trotz aller be¬
stehenden internationalen Verträge so ziemlich frei stehen, jede Ladung, wenn
sie nicht gerade aus Klavieren und Damenhüten besteht, für Kriegskontrebande
zu erklären.

Solange die "ethischen Kultur"-Vestrebuugen nicht aus den Kinderschuhen
heraus siud, und das kaun noch eine gute Weile dauern, solange sind Heere
nötig und Flotten, um allen internationalen Verträgen den gehörigen Nach¬
druck zu geben. Betreibt ein Volk Seehandel, so kann es diesen nicht durch
ein noch so großes Landheer schützen. (Man denke nur an das Huhn, das
die Enteneier ausgebrütet hatte.) Vorläufig also und für das kommende Jahr¬
hundert ist das einzige wirksame Mittel zum Schutze des Privateigentums zur
See eine genügende Seemacht. Man öffne nur die Augen und blicke zurück
in die Geschichte, so wird man stets finden, daß die Entwicklung des Seehan¬
dels die Aufstellung einer entsprechenden Seekriegsmacht zur notwendigen Folge
hatte. Wo dies versäumt wurde, oder wo die Seemacht zerstört wurde, da
sank auch der Seehandel schnell. So ging die alte mächtige Hanse zu Grunde,
weil sie keine Stütze durch eine Neichsslotte fand. Ähnliche Beispiele findet
man in der Geschichte Spaniens, Hollands und Frankreichs.

Zum Schlüsse wiederholen wir unsre schon in der nautischen Zeitschrift
Hansa ausgesprvchne Ansicht: Man lau" nur wünschen, daß die Herren, die
beim Reichskanzler den Schutz des Privateigentums auf See durch Verträge
zu erlangen suchen, nicht durch die Praxis der Zukunft darüber belehrt werden,
daß sie besser gethan hätten, um den Bau und die Ausrüstung einer Flotte
von Kreuzern und Hilfskreuzern zu bitten, groß genug, den Feinden die Lust,
oder richtiger gesagt, den Vorteil der Wegnahme unsrer Handelsschiffe gründ¬
lich zu nehmen.





Decken, Woll- und Baumwollwaren könnten zur Uniformirung verwendet
werden; Wem und Tabak sind Geuußnüttel, die dem Heere zu gute kommen
könnten. Für Rohstoffe verschiedenster Art, wie Salpeter, Erze, Salz, Hunde
u. s. w., läßt sich, wenn man will, ein unmittelbarer oder mittelbarer Kriegs¬
zweck annehmen. Hat der Gegner die Macht, so wird es ihm trotz aller be¬
stehenden internationalen Verträge so ziemlich frei stehen, jede Ladung, wenn
sie nicht gerade aus Klavieren und Damenhüten besteht, für Kriegskontrebande
zu erklären.

Solange die „ethischen Kultur"-Vestrebuugen nicht aus den Kinderschuhen
heraus siud, und das kaun noch eine gute Weile dauern, solange sind Heere
nötig und Flotten, um allen internationalen Verträgen den gehörigen Nach¬
druck zu geben. Betreibt ein Volk Seehandel, so kann es diesen nicht durch
ein noch so großes Landheer schützen. (Man denke nur an das Huhn, das
die Enteneier ausgebrütet hatte.) Vorläufig also und für das kommende Jahr¬
hundert ist das einzige wirksame Mittel zum Schutze des Privateigentums zur
See eine genügende Seemacht. Man öffne nur die Augen und blicke zurück
in die Geschichte, so wird man stets finden, daß die Entwicklung des Seehan¬
dels die Aufstellung einer entsprechenden Seekriegsmacht zur notwendigen Folge
hatte. Wo dies versäumt wurde, oder wo die Seemacht zerstört wurde, da
sank auch der Seehandel schnell. So ging die alte mächtige Hanse zu Grunde,
weil sie keine Stütze durch eine Neichsslotte fand. Ähnliche Beispiele findet
man in der Geschichte Spaniens, Hollands und Frankreichs.

Zum Schlüsse wiederholen wir unsre schon in der nautischen Zeitschrift
Hansa ausgesprvchne Ansicht: Man lau» nur wünschen, daß die Herren, die
beim Reichskanzler den Schutz des Privateigentums auf See durch Verträge
zu erlangen suchen, nicht durch die Praxis der Zukunft darüber belehrt werden,
daß sie besser gethan hätten, um den Bau und die Ausrüstung einer Flotte
von Kreuzern und Hilfskreuzern zu bitten, groß genug, den Feinden die Lust,
oder richtiger gesagt, den Vorteil der Wegnahme unsrer Handelsschiffe gründ¬
lich zu nehmen.




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[0380] Decken, Woll- und Baumwollwaren könnten zur Uniformirung verwendet werden; Wem und Tabak sind Geuußnüttel, die dem Heere zu gute kommen könnten. Für Rohstoffe verschiedenster Art, wie Salpeter, Erze, Salz, Hunde u. s. w., läßt sich, wenn man will, ein unmittelbarer oder mittelbarer Kriegs¬ zweck annehmen. Hat der Gegner die Macht, so wird es ihm trotz aller be¬ stehenden internationalen Verträge so ziemlich frei stehen, jede Ladung, wenn sie nicht gerade aus Klavieren und Damenhüten besteht, für Kriegskontrebande zu erklären. Solange die „ethischen Kultur"-Vestrebuugen nicht aus den Kinderschuhen heraus siud, und das kaun noch eine gute Weile dauern, solange sind Heere nötig und Flotten, um allen internationalen Verträgen den gehörigen Nach¬ druck zu geben. Betreibt ein Volk Seehandel, so kann es diesen nicht durch ein noch so großes Landheer schützen. (Man denke nur an das Huhn, das die Enteneier ausgebrütet hatte.) Vorläufig also und für das kommende Jahr¬ hundert ist das einzige wirksame Mittel zum Schutze des Privateigentums zur See eine genügende Seemacht. Man öffne nur die Augen und blicke zurück in die Geschichte, so wird man stets finden, daß die Entwicklung des Seehan¬ dels die Aufstellung einer entsprechenden Seekriegsmacht zur notwendigen Folge hatte. Wo dies versäumt wurde, oder wo die Seemacht zerstört wurde, da sank auch der Seehandel schnell. So ging die alte mächtige Hanse zu Grunde, weil sie keine Stütze durch eine Neichsslotte fand. Ähnliche Beispiele findet man in der Geschichte Spaniens, Hollands und Frankreichs. Zum Schlüsse wiederholen wir unsre schon in der nautischen Zeitschrift Hansa ausgesprvchne Ansicht: Man lau» nur wünschen, daß die Herren, die beim Reichskanzler den Schutz des Privateigentums auf See durch Verträge zu erlangen suchen, nicht durch die Praxis der Zukunft darüber belehrt werden, daß sie besser gethan hätten, um den Bau und die Ausrüstung einer Flotte von Kreuzern und Hilfskreuzern zu bitten, groß genug, den Feinden die Lust, oder richtiger gesagt, den Vorteil der Wegnahme unsrer Handelsschiffe gründ¬ lich zu nehmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/380>, abgerufen am 11.05.2024.