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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Leopold von Gerlach

Kreuz. Nach dein Ablaufe des Waffenstillstands verhandelte er dann im Auf¬
trage Blüchers mit Bernadotte über die gemeinsamen Operationen und machte
den weiter" Feldzug bei der schlesischen Armee mit Auszeichnung mit. Im
Gefecht bei Wartenburg am 3. Oktober veranlaßte und leitete der dreiund-
zwanzigjührige Offizier den entscheidende" Angriff zweier preußischen Husaren-
regimenter. Während des Feldzugs von 1814 war er Adjutant des General-
stabschefs Müffling und hatte als solcher regelmäßig die auszugebenden Dis¬
positionen Blücher vorzulegen und mit ihm zu besprechen. Während der hundert
Tage wurde er vom General Kleist zu nähern Erkundigungen über die Lage
der Dinge nach Paris geschickt, sah dort den heimgekehrten Napoleon und ge¬
langte nicht ohne mannichfache Gefahren nach Aachen zurück. Im belgischen
Feldzuge von 1815 wurde er bei Waveren leicht verwundet und erhielt unter
gleichzeitiger Beförderung zum Hauptmann das eiserne Kreuz erster Klasse.
Auch nach dem Kriege kehrte er, was er oft bedauert hat, niemals in den
wirklichen Frontdienst zurück. Zunächst trat er in den Generalstab der zwölften
Brigade ein, 1821 in den des dritten Armeekorps, dessen Befehl 1824 Prinz
Wilhelm übernahm. Zwei Jahre später wurde er des Prinzen persönlicher
Adjutant und blieb das bis 1833, wo er in den großen Generalstab versetzt
wurde. Vier Jahre lang, 1838 bis 1842, bekleidete er dann die Stellung
des Generalstabschefs im dritten Armeekorps, nahm daher seinen Wohnsitz in
Frankfurt a. O., kehrte aber als Kommandeur der Gardelandwehrbrigade nach
Berlin zurück, wurde 1814 zum Generalmajor, 1849 zum Generalleutnant
befördert und gewann eine persönliche Vertrauensstellung beim König, die sich
noch befestigte, als er 1850 an Stelle Rauchs Generaladjutant wurde.

Gerlachs Laufbahn ist in mehr als einer Beziehung merkwürdig, vor
allem, weil sie die engste Verbindung militärischer, wissenschaftlicher und po¬
litischer Interessen aufweist, ihn in sehr jugendlichem Alter zu einer höchst
bevorzugten und wichtigem Stellung führt und in die nächste Nähe der Mit¬
glieder des Herrscherhauses bringt, sodaß die militärischen Ausgaben mehr und
mehr zurücktreten. Es war das sicherlich eine Schule, aus der eher ein Staats¬
mann als ein Heerführer hervorgehen konnt/, und die Aufzeichnungen eines
solchen Mannes müssen schon an sich außerordentlich viel Interessantes bringen.
Leider teilt der erste Band nur in der Einleitung einiges Wenige aus der
Jugendzeit Gerlachs mit, z.B. über seine Beobachtungen in Breslau 1813; und
doch würde man über seinen merkwürdigen Bildungsgang wie über seine Er¬
lebnisse während der Kriegszeit gern mehr erfahren. Es scheint auch, als ob
in seinein Nachlaß aus dieser Zeit weit mehr vorhanden wäre, als uns ge¬
boten wird. Es möge deshalb die Frage erlaubt sein, ob, wenn diese Boraus¬
setzung zutrifft, die Herausgeberin, die sich durch die Veröffentlichung dieser
Denkwürdigkeiten den Dank des Geschichtsforschers in hohem Grade erworben
hat, nicht ergänzende Mitteilungen aus der frühern Zeit ihres Vaters zu


Leopold von Gerlach

Kreuz. Nach dein Ablaufe des Waffenstillstands verhandelte er dann im Auf¬
trage Blüchers mit Bernadotte über die gemeinsamen Operationen und machte
den weiter» Feldzug bei der schlesischen Armee mit Auszeichnung mit. Im
Gefecht bei Wartenburg am 3. Oktober veranlaßte und leitete der dreiund-
zwanzigjührige Offizier den entscheidende» Angriff zweier preußischen Husaren-
regimenter. Während des Feldzugs von 1814 war er Adjutant des General-
stabschefs Müffling und hatte als solcher regelmäßig die auszugebenden Dis¬
positionen Blücher vorzulegen und mit ihm zu besprechen. Während der hundert
Tage wurde er vom General Kleist zu nähern Erkundigungen über die Lage
der Dinge nach Paris geschickt, sah dort den heimgekehrten Napoleon und ge¬
langte nicht ohne mannichfache Gefahren nach Aachen zurück. Im belgischen
Feldzuge von 1815 wurde er bei Waveren leicht verwundet und erhielt unter
gleichzeitiger Beförderung zum Hauptmann das eiserne Kreuz erster Klasse.
Auch nach dem Kriege kehrte er, was er oft bedauert hat, niemals in den
wirklichen Frontdienst zurück. Zunächst trat er in den Generalstab der zwölften
Brigade ein, 1821 in den des dritten Armeekorps, dessen Befehl 1824 Prinz
Wilhelm übernahm. Zwei Jahre später wurde er des Prinzen persönlicher
Adjutant und blieb das bis 1833, wo er in den großen Generalstab versetzt
wurde. Vier Jahre lang, 1838 bis 1842, bekleidete er dann die Stellung
des Generalstabschefs im dritten Armeekorps, nahm daher seinen Wohnsitz in
Frankfurt a. O., kehrte aber als Kommandeur der Gardelandwehrbrigade nach
Berlin zurück, wurde 1814 zum Generalmajor, 1849 zum Generalleutnant
befördert und gewann eine persönliche Vertrauensstellung beim König, die sich
noch befestigte, als er 1850 an Stelle Rauchs Generaladjutant wurde.

Gerlachs Laufbahn ist in mehr als einer Beziehung merkwürdig, vor
allem, weil sie die engste Verbindung militärischer, wissenschaftlicher und po¬
litischer Interessen aufweist, ihn in sehr jugendlichem Alter zu einer höchst
bevorzugten und wichtigem Stellung führt und in die nächste Nähe der Mit¬
glieder des Herrscherhauses bringt, sodaß die militärischen Ausgaben mehr und
mehr zurücktreten. Es war das sicherlich eine Schule, aus der eher ein Staats¬
mann als ein Heerführer hervorgehen konnt/, und die Aufzeichnungen eines
solchen Mannes müssen schon an sich außerordentlich viel Interessantes bringen.
Leider teilt der erste Band nur in der Einleitung einiges Wenige aus der
Jugendzeit Gerlachs mit, z.B. über seine Beobachtungen in Breslau 1813; und
doch würde man über seinen merkwürdigen Bildungsgang wie über seine Er¬
lebnisse während der Kriegszeit gern mehr erfahren. Es scheint auch, als ob
in seinein Nachlaß aus dieser Zeit weit mehr vorhanden wäre, als uns ge¬
boten wird. Es möge deshalb die Frage erlaubt sein, ob, wenn diese Boraus¬
setzung zutrifft, die Herausgeberin, die sich durch die Veröffentlichung dieser
Denkwürdigkeiten den Dank des Geschichtsforschers in hohem Grade erworben
hat, nicht ergänzende Mitteilungen aus der frühern Zeit ihres Vaters zu


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[0543] Leopold von Gerlach Kreuz. Nach dein Ablaufe des Waffenstillstands verhandelte er dann im Auf¬ trage Blüchers mit Bernadotte über die gemeinsamen Operationen und machte den weiter» Feldzug bei der schlesischen Armee mit Auszeichnung mit. Im Gefecht bei Wartenburg am 3. Oktober veranlaßte und leitete der dreiund- zwanzigjührige Offizier den entscheidende» Angriff zweier preußischen Husaren- regimenter. Während des Feldzugs von 1814 war er Adjutant des General- stabschefs Müffling und hatte als solcher regelmäßig die auszugebenden Dis¬ positionen Blücher vorzulegen und mit ihm zu besprechen. Während der hundert Tage wurde er vom General Kleist zu nähern Erkundigungen über die Lage der Dinge nach Paris geschickt, sah dort den heimgekehrten Napoleon und ge¬ langte nicht ohne mannichfache Gefahren nach Aachen zurück. Im belgischen Feldzuge von 1815 wurde er bei Waveren leicht verwundet und erhielt unter gleichzeitiger Beförderung zum Hauptmann das eiserne Kreuz erster Klasse. Auch nach dem Kriege kehrte er, was er oft bedauert hat, niemals in den wirklichen Frontdienst zurück. Zunächst trat er in den Generalstab der zwölften Brigade ein, 1821 in den des dritten Armeekorps, dessen Befehl 1824 Prinz Wilhelm übernahm. Zwei Jahre später wurde er des Prinzen persönlicher Adjutant und blieb das bis 1833, wo er in den großen Generalstab versetzt wurde. Vier Jahre lang, 1838 bis 1842, bekleidete er dann die Stellung des Generalstabschefs im dritten Armeekorps, nahm daher seinen Wohnsitz in Frankfurt a. O., kehrte aber als Kommandeur der Gardelandwehrbrigade nach Berlin zurück, wurde 1814 zum Generalmajor, 1849 zum Generalleutnant befördert und gewann eine persönliche Vertrauensstellung beim König, die sich noch befestigte, als er 1850 an Stelle Rauchs Generaladjutant wurde. Gerlachs Laufbahn ist in mehr als einer Beziehung merkwürdig, vor allem, weil sie die engste Verbindung militärischer, wissenschaftlicher und po¬ litischer Interessen aufweist, ihn in sehr jugendlichem Alter zu einer höchst bevorzugten und wichtigem Stellung führt und in die nächste Nähe der Mit¬ glieder des Herrscherhauses bringt, sodaß die militärischen Ausgaben mehr und mehr zurücktreten. Es war das sicherlich eine Schule, aus der eher ein Staats¬ mann als ein Heerführer hervorgehen konnt/, und die Aufzeichnungen eines solchen Mannes müssen schon an sich außerordentlich viel Interessantes bringen. Leider teilt der erste Band nur in der Einleitung einiges Wenige aus der Jugendzeit Gerlachs mit, z.B. über seine Beobachtungen in Breslau 1813; und doch würde man über seinen merkwürdigen Bildungsgang wie über seine Er¬ lebnisse während der Kriegszeit gern mehr erfahren. Es scheint auch, als ob in seinein Nachlaß aus dieser Zeit weit mehr vorhanden wäre, als uns ge¬ boten wird. Es möge deshalb die Frage erlaubt sein, ob, wenn diese Boraus¬ setzung zutrifft, die Herausgeberin, die sich durch die Veröffentlichung dieser Denkwürdigkeiten den Dank des Geschichtsforschers in hohem Grade erworben hat, nicht ergänzende Mitteilungen aus der frühern Zeit ihres Vaters zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/543>, abgerufen am 16.06.2024.