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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Leopold von Gerlach

Im preußischen Staatsdienst erscheinen Mitglieder des Geschlechts erst im An¬
fange des achtzehnten Jahrhunderts, damals erwarb es auch ansehnlichen Grund¬
besitz in Pommern. Einen Teil davon verkaufte K. Fr. Leopold von Gerlach
(geb. 1757) wieder, um dafür ein Haus in Berlin und 1805 das Gut Nohr-
beck in der Neumark zu erwerben. Er war damals (schon seit 1796) Präsi¬
dent der kurmärkischen Kriegs- und Domäncntammer und vertrat als solcher
bei der französischen Okkupation die Interessen Berlins und der Landschaft
so entschieden und erfolgreich gegen Davoust, daß er, nachdem er seinen Ab¬
schied aus dem Staatsdienste genommen hatte, 1803 in Berlin zum Stadt¬
verordneten, 1809 zum Oberbürgermeister der Hauptstadt gewählt wurde.
Gestorben ist er am 8. Juni 1813. Ein Mann von klassischer Bildung
und streng religiöser Gesinnung, war er ein entschiedner Gegner der Ge¬
setzgebung Steins und Hardenbergs, die er in der Versammlung der No¬
tabel" 1811 lebhaft bekämpfte, und bei aller preußisch-monarchischen Gesinnung
ein warmer deutscher Patriot. Aus seiner glücklichen Ehe mit einer gebornen
von Raumer (seit 1786) gingen vier Söhne hervor: Wilhelm, Leopold, Lud-
wig und Otto.

Ludwig Friedrich Leopold von Gerlach, geboren am 17. September
1790 in Berlin, besuchte 1799 bis 1803 das Joachimsthalsche Gymnasium,
dann die ^e-ulviuiv unUtairL, wo er seines Lehrers Ancillon Interesse und
Neigung gewann. Beim Ausbruche des Krieges von 1806 trat er am 9. Oktober
ins Heer ein, machte als blutjunger Mensch die Schlacht bei Jena mit und
geriet schou am 15. Oktober bei der Übergabe von Erfurt in Kriegsgefangen¬
schaft, wurde aber sehr bald ausgewechselt und kehrte Ende Oktober nach Berlin
zurück. Nach dein Friedensschluß wollte er 1808 seineu Abschied nehmen, um
zu wissenschaftlichen Studien überzugehen, doch der König erteilte ihm nur
Urlaub. Diesen benutzte er, um in Göttingen und Heidelberg Geschichte und
Rechtswissenschaft zu studiren, und knüpfte dabei mit den Führern der roman¬
tischen Schule Verbindungen an, sah auch Tieck in München, Jean Pcinl in
Bayreuth und trat 1811, nachdem er seine Prüfung glänzend bestanden hatte,
als Referendar bei der Regierung in Potsdam ein. Aber mehr als die Amts¬
geschäfte fesselte ihn die Politik. Mit gleichgestimmten jungen Männern folgte
er gespannt dem Gang der Ereignisse und trat sofort wieder (wie seine beide"
ältern Brüder) i" die Armee ein, als die Abreise des Königs nach Breslau
im Januar 1313 den bevorstehenden Krieg ankündigte. Mit voller Begeisterung
warf er sich in Breslau in die hochgehenden Wogen des öffentlichen Lebens
und hatte das Glück, sehr bald eine Stellung zu finden, die ihn so recht in
den Mittelpunkt der Ereignisse versetzte. Er wurde dem General Scharnhorst
zugeteilt, somit dem Stäbe Blüchers. Am 21. März ging er ins Feld. Bei
Groß-Görschen war er an Blüchers Seite, als dieser bei einem Reitergefecht
stürzte, und gab ihm sein eignes Pferd, bei Bautzen holte er sich das eiserne


Leopold von Gerlach

Im preußischen Staatsdienst erscheinen Mitglieder des Geschlechts erst im An¬
fange des achtzehnten Jahrhunderts, damals erwarb es auch ansehnlichen Grund¬
besitz in Pommern. Einen Teil davon verkaufte K. Fr. Leopold von Gerlach
(geb. 1757) wieder, um dafür ein Haus in Berlin und 1805 das Gut Nohr-
beck in der Neumark zu erwerben. Er war damals (schon seit 1796) Präsi¬
dent der kurmärkischen Kriegs- und Domäncntammer und vertrat als solcher
bei der französischen Okkupation die Interessen Berlins und der Landschaft
so entschieden und erfolgreich gegen Davoust, daß er, nachdem er seinen Ab¬
schied aus dem Staatsdienste genommen hatte, 1803 in Berlin zum Stadt¬
verordneten, 1809 zum Oberbürgermeister der Hauptstadt gewählt wurde.
Gestorben ist er am 8. Juni 1813. Ein Mann von klassischer Bildung
und streng religiöser Gesinnung, war er ein entschiedner Gegner der Ge¬
setzgebung Steins und Hardenbergs, die er in der Versammlung der No¬
tabel» 1811 lebhaft bekämpfte, und bei aller preußisch-monarchischen Gesinnung
ein warmer deutscher Patriot. Aus seiner glücklichen Ehe mit einer gebornen
von Raumer (seit 1786) gingen vier Söhne hervor: Wilhelm, Leopold, Lud-
wig und Otto.

Ludwig Friedrich Leopold von Gerlach, geboren am 17. September
1790 in Berlin, besuchte 1799 bis 1803 das Joachimsthalsche Gymnasium,
dann die ^e-ulviuiv unUtairL, wo er seines Lehrers Ancillon Interesse und
Neigung gewann. Beim Ausbruche des Krieges von 1806 trat er am 9. Oktober
ins Heer ein, machte als blutjunger Mensch die Schlacht bei Jena mit und
geriet schou am 15. Oktober bei der Übergabe von Erfurt in Kriegsgefangen¬
schaft, wurde aber sehr bald ausgewechselt und kehrte Ende Oktober nach Berlin
zurück. Nach dein Friedensschluß wollte er 1808 seineu Abschied nehmen, um
zu wissenschaftlichen Studien überzugehen, doch der König erteilte ihm nur
Urlaub. Diesen benutzte er, um in Göttingen und Heidelberg Geschichte und
Rechtswissenschaft zu studiren, und knüpfte dabei mit den Führern der roman¬
tischen Schule Verbindungen an, sah auch Tieck in München, Jean Pcinl in
Bayreuth und trat 1811, nachdem er seine Prüfung glänzend bestanden hatte,
als Referendar bei der Regierung in Potsdam ein. Aber mehr als die Amts¬
geschäfte fesselte ihn die Politik. Mit gleichgestimmten jungen Männern folgte
er gespannt dem Gang der Ereignisse und trat sofort wieder (wie seine beide»
ältern Brüder) i» die Armee ein, als die Abreise des Königs nach Breslau
im Januar 1313 den bevorstehenden Krieg ankündigte. Mit voller Begeisterung
warf er sich in Breslau in die hochgehenden Wogen des öffentlichen Lebens
und hatte das Glück, sehr bald eine Stellung zu finden, die ihn so recht in
den Mittelpunkt der Ereignisse versetzte. Er wurde dem General Scharnhorst
zugeteilt, somit dem Stäbe Blüchers. Am 21. März ging er ins Feld. Bei
Groß-Görschen war er an Blüchers Seite, als dieser bei einem Reitergefecht
stürzte, und gab ihm sein eignes Pferd, bei Bautzen holte er sich das eiserne


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[0542] Leopold von Gerlach Im preußischen Staatsdienst erscheinen Mitglieder des Geschlechts erst im An¬ fange des achtzehnten Jahrhunderts, damals erwarb es auch ansehnlichen Grund¬ besitz in Pommern. Einen Teil davon verkaufte K. Fr. Leopold von Gerlach (geb. 1757) wieder, um dafür ein Haus in Berlin und 1805 das Gut Nohr- beck in der Neumark zu erwerben. Er war damals (schon seit 1796) Präsi¬ dent der kurmärkischen Kriegs- und Domäncntammer und vertrat als solcher bei der französischen Okkupation die Interessen Berlins und der Landschaft so entschieden und erfolgreich gegen Davoust, daß er, nachdem er seinen Ab¬ schied aus dem Staatsdienste genommen hatte, 1803 in Berlin zum Stadt¬ verordneten, 1809 zum Oberbürgermeister der Hauptstadt gewählt wurde. Gestorben ist er am 8. Juni 1813. Ein Mann von klassischer Bildung und streng religiöser Gesinnung, war er ein entschiedner Gegner der Ge¬ setzgebung Steins und Hardenbergs, die er in der Versammlung der No¬ tabel» 1811 lebhaft bekämpfte, und bei aller preußisch-monarchischen Gesinnung ein warmer deutscher Patriot. Aus seiner glücklichen Ehe mit einer gebornen von Raumer (seit 1786) gingen vier Söhne hervor: Wilhelm, Leopold, Lud- wig und Otto. Ludwig Friedrich Leopold von Gerlach, geboren am 17. September 1790 in Berlin, besuchte 1799 bis 1803 das Joachimsthalsche Gymnasium, dann die ^e-ulviuiv unUtairL, wo er seines Lehrers Ancillon Interesse und Neigung gewann. Beim Ausbruche des Krieges von 1806 trat er am 9. Oktober ins Heer ein, machte als blutjunger Mensch die Schlacht bei Jena mit und geriet schou am 15. Oktober bei der Übergabe von Erfurt in Kriegsgefangen¬ schaft, wurde aber sehr bald ausgewechselt und kehrte Ende Oktober nach Berlin zurück. Nach dein Friedensschluß wollte er 1808 seineu Abschied nehmen, um zu wissenschaftlichen Studien überzugehen, doch der König erteilte ihm nur Urlaub. Diesen benutzte er, um in Göttingen und Heidelberg Geschichte und Rechtswissenschaft zu studiren, und knüpfte dabei mit den Führern der roman¬ tischen Schule Verbindungen an, sah auch Tieck in München, Jean Pcinl in Bayreuth und trat 1811, nachdem er seine Prüfung glänzend bestanden hatte, als Referendar bei der Regierung in Potsdam ein. Aber mehr als die Amts¬ geschäfte fesselte ihn die Politik. Mit gleichgestimmten jungen Männern folgte er gespannt dem Gang der Ereignisse und trat sofort wieder (wie seine beide» ältern Brüder) i» die Armee ein, als die Abreise des Königs nach Breslau im Januar 1313 den bevorstehenden Krieg ankündigte. Mit voller Begeisterung warf er sich in Breslau in die hochgehenden Wogen des öffentlichen Lebens und hatte das Glück, sehr bald eine Stellung zu finden, die ihn so recht in den Mittelpunkt der Ereignisse versetzte. Er wurde dem General Scharnhorst zugeteilt, somit dem Stäbe Blüchers. Am 21. März ging er ins Feld. Bei Groß-Görschen war er an Blüchers Seite, als dieser bei einem Reitergefecht stürzte, und gab ihm sein eignes Pferd, bei Bautzen holte er sich das eiserne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/542>, abgerufen am 24.05.2024.