Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

sodaß unsre Ausfuhrgewerbe mehr als in jedem andern Lande auf die An¬
legung und Ausbildung der billigsten Absatzwege angewiesen sind. Mag auch
das Eisenbahnnetz in den letzten Jahrzehnten eine bedeutende Ausdehnung er¬
fahren haben, so stehen wir doch, was die Entwicklung "ut den Ausbau
unsrer Wasserverkehrswege betrifft, bei weitem nicht auf der Höhe der Zeit,
zumal wenn wir damit die Kanalanlageu Hollands und Belgiens oder das
großartig entwickelte Binnenwasserstraßenshstem Frankreichs vergleichen. Man
täuscht sich denn auch jetzt in den betreffenden Kreisen über die jahre¬
langen Versäumnisse auf diesem Gebiete uicht mehr; es ist schon oft genug
auf die Thatsache hingewiesen worden, daß wir mit unsrer Ausfuhr nicht
vorwärts kommen, und man hat das auch schon richtig hie und da auf unsre
wenig entwickelte Binnenschiffahrt zuriickgcführt. Aber das alles hat doch nicht
die volkswirtschaftlich so überaus großen Ansprüche in dieser Beziehung mit
unsrer Gesetzgebung in Einklang zu bringen vermocht. Was an Bemiihuugeu
in dieser Richtung wahrzunehmen ist, ist zum größten Teil liber die Stufe
des Projekts und der Vorarbeiten noch nicht hinausgekommen.

Beim Kanalbau ist zu unterscheiden zwischen Scekanälen und Strvin-
knuäleu, namentlich zwischen einem Nvrdostseekanal, der volkswirtschaftlich, wie
man wohl immer mehr einsieht, eine sehr geringe Bedeutung hat, und dem
Ausbau unsers wichtigen binnenlüudischen Knnalsystems, wie er als Ergänzung
und Erweiterung der natürlichen Strvmschiffnhrtsstraßen des Rheins, der
Weser und der Elbe für ein Industrie- und Ausfuhrland wie das deutsche
Reich von der allergrößten Wichtigkeit erscheinen sollte. Bei Erwägung dieser
letzten Frage zeigt sich, daß selbst bei Kanälen von anscheinend so geringer Wich¬
tigkeit wie dem Eid-Trave-Kanal ein großer volkswirtschaftlicher Nutzen liegt,
und daß nur die volkswirtschaftlichen Arbeiter gefunden zu werden brauchen,
um allseitig klar zu machen, daß die wirtschaftlichen Wirkungen von Kanälen
ein weit größeres Gebiet umfassen als das, dem die Kanäle geographisch an¬
gehören. Dafür ist die Wasserverbindung zwischen Elbe und Ostsee ein be¬
merkenswertes Beispiel.

Es ist das Verdienst der Handelskammer zu Hnlberstadt oder richtiger
ihres Syndikus, den über die Grenzen seines Verlaufs wesentlich hinaus-
reichenden wirtschaftlichen Wert eines Eid-Trave-Kanals aus richtigen Gesichts¬
punkten in einer größern Schrift dargelegt zu haben, die nicht nur zum Ver¬
ständnis ihres besondern Gegenstandes, sondern auch zur Gewinnung richtiger
volkswirtschaftlicher Anschauungen bei Beurteilung von Wasserstraßen und
ihrer verkehrschaffendeu Wirkungen einen beachtenswerten Beitrag liefert.

Der Zweck des Eid-Trave-Kanals soll kurz gesagt der sein, der Elbe eine
zweite Mündung nach der Ostsee zu verschaffen, da er von Lauenburg a. E.
aus nach Lübeck durch das Herzogtum Lauenburg bis zur Ostsee als Gro߬
schiffahrtsweg geplant wird. Die Wirkuug seiner vcrkehrsthätigen Leistungen


Grenzboten 1 1893 10

sodaß unsre Ausfuhrgewerbe mehr als in jedem andern Lande auf die An¬
legung und Ausbildung der billigsten Absatzwege angewiesen sind. Mag auch
das Eisenbahnnetz in den letzten Jahrzehnten eine bedeutende Ausdehnung er¬
fahren haben, so stehen wir doch, was die Entwicklung »ut den Ausbau
unsrer Wasserverkehrswege betrifft, bei weitem nicht auf der Höhe der Zeit,
zumal wenn wir damit die Kanalanlageu Hollands und Belgiens oder das
großartig entwickelte Binnenwasserstraßenshstem Frankreichs vergleichen. Man
täuscht sich denn auch jetzt in den betreffenden Kreisen über die jahre¬
langen Versäumnisse auf diesem Gebiete uicht mehr; es ist schon oft genug
auf die Thatsache hingewiesen worden, daß wir mit unsrer Ausfuhr nicht
vorwärts kommen, und man hat das auch schon richtig hie und da auf unsre
wenig entwickelte Binnenschiffahrt zuriickgcführt. Aber das alles hat doch nicht
die volkswirtschaftlich so überaus großen Ansprüche in dieser Beziehung mit
unsrer Gesetzgebung in Einklang zu bringen vermocht. Was an Bemiihuugeu
in dieser Richtung wahrzunehmen ist, ist zum größten Teil liber die Stufe
des Projekts und der Vorarbeiten noch nicht hinausgekommen.

Beim Kanalbau ist zu unterscheiden zwischen Scekanälen und Strvin-
knuäleu, namentlich zwischen einem Nvrdostseekanal, der volkswirtschaftlich, wie
man wohl immer mehr einsieht, eine sehr geringe Bedeutung hat, und dem
Ausbau unsers wichtigen binnenlüudischen Knnalsystems, wie er als Ergänzung
und Erweiterung der natürlichen Strvmschiffnhrtsstraßen des Rheins, der
Weser und der Elbe für ein Industrie- und Ausfuhrland wie das deutsche
Reich von der allergrößten Wichtigkeit erscheinen sollte. Bei Erwägung dieser
letzten Frage zeigt sich, daß selbst bei Kanälen von anscheinend so geringer Wich¬
tigkeit wie dem Eid-Trave-Kanal ein großer volkswirtschaftlicher Nutzen liegt,
und daß nur die volkswirtschaftlichen Arbeiter gefunden zu werden brauchen,
um allseitig klar zu machen, daß die wirtschaftlichen Wirkungen von Kanälen
ein weit größeres Gebiet umfassen als das, dem die Kanäle geographisch an¬
gehören. Dafür ist die Wasserverbindung zwischen Elbe und Ostsee ein be¬
merkenswertes Beispiel.

Es ist das Verdienst der Handelskammer zu Hnlberstadt oder richtiger
ihres Syndikus, den über die Grenzen seines Verlaufs wesentlich hinaus-
reichenden wirtschaftlichen Wert eines Eid-Trave-Kanals aus richtigen Gesichts¬
punkten in einer größern Schrift dargelegt zu haben, die nicht nur zum Ver¬
ständnis ihres besondern Gegenstandes, sondern auch zur Gewinnung richtiger
volkswirtschaftlicher Anschauungen bei Beurteilung von Wasserstraßen und
ihrer verkehrschaffendeu Wirkungen einen beachtenswerten Beitrag liefert.

Der Zweck des Eid-Trave-Kanals soll kurz gesagt der sein, der Elbe eine
zweite Mündung nach der Ostsee zu verschaffen, da er von Lauenburg a. E.
aus nach Lübeck durch das Herzogtum Lauenburg bis zur Ostsee als Gro߬
schiffahrtsweg geplant wird. Die Wirkuug seiner vcrkehrsthätigen Leistungen


Grenzboten 1 1893 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0083" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213875"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_255" prev="#ID_254"> sodaß unsre Ausfuhrgewerbe mehr als in jedem andern Lande auf die An¬<lb/>
legung und Ausbildung der billigsten Absatzwege angewiesen sind. Mag auch<lb/>
das Eisenbahnnetz in den letzten Jahrzehnten eine bedeutende Ausdehnung er¬<lb/>
fahren haben, so stehen wir doch, was die Entwicklung »ut den Ausbau<lb/>
unsrer Wasserverkehrswege betrifft, bei weitem nicht auf der Höhe der Zeit,<lb/>
zumal wenn wir damit die Kanalanlageu Hollands und Belgiens oder das<lb/>
großartig entwickelte Binnenwasserstraßenshstem Frankreichs vergleichen. Man<lb/>
täuscht sich denn auch jetzt in den betreffenden Kreisen über die jahre¬<lb/>
langen Versäumnisse auf diesem Gebiete uicht mehr; es ist schon oft genug<lb/>
auf die Thatsache hingewiesen worden, daß wir mit unsrer Ausfuhr nicht<lb/>
vorwärts kommen, und man hat das auch schon richtig hie und da auf unsre<lb/>
wenig entwickelte Binnenschiffahrt zuriickgcführt. Aber das alles hat doch nicht<lb/>
die volkswirtschaftlich so überaus großen Ansprüche in dieser Beziehung mit<lb/>
unsrer Gesetzgebung in Einklang zu bringen vermocht. Was an Bemiihuugeu<lb/>
in dieser Richtung wahrzunehmen ist, ist zum größten Teil liber die Stufe<lb/>
des Projekts und der Vorarbeiten noch nicht hinausgekommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_256"> Beim Kanalbau ist zu unterscheiden zwischen Scekanälen und Strvin-<lb/>
knuäleu, namentlich zwischen einem Nvrdostseekanal, der volkswirtschaftlich, wie<lb/>
man wohl immer mehr einsieht, eine sehr geringe Bedeutung hat, und dem<lb/>
Ausbau unsers wichtigen binnenlüudischen Knnalsystems, wie er als Ergänzung<lb/>
und Erweiterung der natürlichen Strvmschiffnhrtsstraßen des Rheins, der<lb/>
Weser und der Elbe für ein Industrie- und Ausfuhrland wie das deutsche<lb/>
Reich von der allergrößten Wichtigkeit erscheinen sollte. Bei Erwägung dieser<lb/>
letzten Frage zeigt sich, daß selbst bei Kanälen von anscheinend so geringer Wich¬<lb/>
tigkeit wie dem Eid-Trave-Kanal ein großer volkswirtschaftlicher Nutzen liegt,<lb/>
und daß nur die volkswirtschaftlichen Arbeiter gefunden zu werden brauchen,<lb/>
um allseitig klar zu machen, daß die wirtschaftlichen Wirkungen von Kanälen<lb/>
ein weit größeres Gebiet umfassen als das, dem die Kanäle geographisch an¬<lb/>
gehören. Dafür ist die Wasserverbindung zwischen Elbe und Ostsee ein be¬<lb/>
merkenswertes Beispiel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_257"> Es ist das Verdienst der Handelskammer zu Hnlberstadt oder richtiger<lb/>
ihres Syndikus, den über die Grenzen seines Verlaufs wesentlich hinaus-<lb/>
reichenden wirtschaftlichen Wert eines Eid-Trave-Kanals aus richtigen Gesichts¬<lb/>
punkten in einer größern Schrift dargelegt zu haben, die nicht nur zum Ver¬<lb/>
ständnis ihres besondern Gegenstandes, sondern auch zur Gewinnung richtiger<lb/>
volkswirtschaftlicher Anschauungen bei Beurteilung von Wasserstraßen und<lb/>
ihrer verkehrschaffendeu Wirkungen einen beachtenswerten Beitrag liefert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_258" next="#ID_259"> Der Zweck des Eid-Trave-Kanals soll kurz gesagt der sein, der Elbe eine<lb/>
zweite Mündung nach der Ostsee zu verschaffen, da er von Lauenburg a. E.<lb/>
aus nach Lübeck durch das Herzogtum Lauenburg bis zur Ostsee als Gro߬<lb/>
schiffahrtsweg geplant wird.  Die Wirkuug seiner vcrkehrsthätigen Leistungen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1 1893 10</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0083] sodaß unsre Ausfuhrgewerbe mehr als in jedem andern Lande auf die An¬ legung und Ausbildung der billigsten Absatzwege angewiesen sind. Mag auch das Eisenbahnnetz in den letzten Jahrzehnten eine bedeutende Ausdehnung er¬ fahren haben, so stehen wir doch, was die Entwicklung »ut den Ausbau unsrer Wasserverkehrswege betrifft, bei weitem nicht auf der Höhe der Zeit, zumal wenn wir damit die Kanalanlageu Hollands und Belgiens oder das großartig entwickelte Binnenwasserstraßenshstem Frankreichs vergleichen. Man täuscht sich denn auch jetzt in den betreffenden Kreisen über die jahre¬ langen Versäumnisse auf diesem Gebiete uicht mehr; es ist schon oft genug auf die Thatsache hingewiesen worden, daß wir mit unsrer Ausfuhr nicht vorwärts kommen, und man hat das auch schon richtig hie und da auf unsre wenig entwickelte Binnenschiffahrt zuriickgcführt. Aber das alles hat doch nicht die volkswirtschaftlich so überaus großen Ansprüche in dieser Beziehung mit unsrer Gesetzgebung in Einklang zu bringen vermocht. Was an Bemiihuugeu in dieser Richtung wahrzunehmen ist, ist zum größten Teil liber die Stufe des Projekts und der Vorarbeiten noch nicht hinausgekommen. Beim Kanalbau ist zu unterscheiden zwischen Scekanälen und Strvin- knuäleu, namentlich zwischen einem Nvrdostseekanal, der volkswirtschaftlich, wie man wohl immer mehr einsieht, eine sehr geringe Bedeutung hat, und dem Ausbau unsers wichtigen binnenlüudischen Knnalsystems, wie er als Ergänzung und Erweiterung der natürlichen Strvmschiffnhrtsstraßen des Rheins, der Weser und der Elbe für ein Industrie- und Ausfuhrland wie das deutsche Reich von der allergrößten Wichtigkeit erscheinen sollte. Bei Erwägung dieser letzten Frage zeigt sich, daß selbst bei Kanälen von anscheinend so geringer Wich¬ tigkeit wie dem Eid-Trave-Kanal ein großer volkswirtschaftlicher Nutzen liegt, und daß nur die volkswirtschaftlichen Arbeiter gefunden zu werden brauchen, um allseitig klar zu machen, daß die wirtschaftlichen Wirkungen von Kanälen ein weit größeres Gebiet umfassen als das, dem die Kanäle geographisch an¬ gehören. Dafür ist die Wasserverbindung zwischen Elbe und Ostsee ein be¬ merkenswertes Beispiel. Es ist das Verdienst der Handelskammer zu Hnlberstadt oder richtiger ihres Syndikus, den über die Grenzen seines Verlaufs wesentlich hinaus- reichenden wirtschaftlichen Wert eines Eid-Trave-Kanals aus richtigen Gesichts¬ punkten in einer größern Schrift dargelegt zu haben, die nicht nur zum Ver¬ ständnis ihres besondern Gegenstandes, sondern auch zur Gewinnung richtiger volkswirtschaftlicher Anschauungen bei Beurteilung von Wasserstraßen und ihrer verkehrschaffendeu Wirkungen einen beachtenswerten Beitrag liefert. Der Zweck des Eid-Trave-Kanals soll kurz gesagt der sein, der Elbe eine zweite Mündung nach der Ostsee zu verschaffen, da er von Lauenburg a. E. aus nach Lübeck durch das Herzogtum Lauenburg bis zur Ostsee als Gro߬ schiffahrtsweg geplant wird. Die Wirkuug seiner vcrkehrsthätigen Leistungen Grenzboten 1 1893 10

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/83
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/83>, abgerufen am 13.05.2024.