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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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wird erstens darin bestehen, daß er das deutsche Elbbecken mit der Ostsee ver¬
binden, zweitens darin, daß er den Rhein - Weser-Eid-Kanal, der als verbin¬
dende Wasserstraße dieser drei Ströme gedacht ist, und damit das ganze west¬
deutsche Wasserstraßennetz an die Ostsee anschließen wird.

Der erste Abschnitt der uns vorliegenden Arbeit hat ein vorwiegend ge¬
schichtliches Interesse, er beschäftigt sich im wesentlichen mit einem statistischen
Vergleich des deutschen Handels nach den nordischen Reichen mit dem Eng¬
lands und der andern Weststaaten seit Anfang dieses Jahrhunderts. Der Ver¬
fasser tritt hierbei der landläufige", aber dennoch unzutreffender Vorstel¬
lung entgegen, daß Lübecks Handel an nationaler Bedeutung viel verloren
habe. Allerdings hat Lübeck nicht alle seine alten Handelsbeziehungen in die
Neuzeit herübernehmen können. Für den Verlust der ehemaligen Handelsver¬
bindungen mit England und den Niederlanden hat aber in den letzten Jahr¬
zehnten die große, von der Jndustrieeutwicklung West- und Mitteldeutschlands
getragne Kräftezufuhr reichen Ersatz geboten, und die regen Beziehungen zum
deutschen Binnenlande haben die Haudelsmacht und Handelskraft Lübecks so
gestärkt, daß die Stadt heute wieder als ein Hanptverkehrspunkt an der
baltischen Küste gelten kann. Der deutsche Handel nach dem Norden bewegte
sich in den ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts überhaupt in kleinen Ver¬
hältnissen; dennoch konnte die Ausfuhr Lübecks mit so ansehnlichen Ziffern
hervortreten, daß bis zum Jahre 186t) die gesamte Ausfuhr der schleswig¬
holsteinischen Häfen nur den zehnten Teil der Lübecker ausmachte. Was die
preußischen Häfen Stettin, Danzig, Königsberg, Strcilsund, Elbing, Stolpe,
Wolgast. Anklam, Kolberg, Rügenwalde, Greifswald u. s. w. betrifft, so
zeigte Lübecks Handel bis zu den sechziger Jahren auch diesen Häfen gegen¬
über ein Übergewicht. Nach Schweden z. B. betrug seine Ausfuhr im Jahre
1859 15 660 000 Reichsthaler, die Ausfuhr jener Häfen zusammen nur
1042 000 Neichsthcilcr. Eine Änderung dieser in unsrer Denkschrift mit vielen
Einzelheiten geschilderte" Sachlage zu Gunsten der letztern Häfen, namentlich
zu Gunsten Stettins, vollzog sich in der zweiten Hülste des Jahrhunderts.
Die ind"strickte Erstarkung Schlesiens, die erhöhte Betriebsamkeit der land¬
wirtschaftlichen Gewerbe Norddeutschlands, die große Vermehrung der Be¬
völkerungen Schlesiens, Pommerns, Posens und Brandenburgs mit ihrer
großen Verbranchsfähigkeit, vor allem das starke Anwachsen Berlins, wurden
die Quellen der Handelskraft Stettins; im Jahre 1869 führte es 4024 790 Meter¬
zentner Waren aller Art seewärts aus, und seitdem hat es de" dritten Platz
unter alle" deutsche" Seestädten in der Ausfuhr wie in der Einfuhr.

Doch die Untersnchuuge" der Halberstädter Deiikschrift Schilder", wie trotz
des so außerordentlichen Aufschwungs von Stettin sich auch Lübecks Entwick¬
lung aus den fünfziger Jahren fortsetzte. Begünstigt namentlich von seiner
.^reuzungslcige, die für den ganzen südwestdeutschen Überlandshandel die nächste


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wird erstens darin bestehen, daß er das deutsche Elbbecken mit der Ostsee ver¬
binden, zweitens darin, daß er den Rhein - Weser-Eid-Kanal, der als verbin¬
dende Wasserstraße dieser drei Ströme gedacht ist, und damit das ganze west¬
deutsche Wasserstraßennetz an die Ostsee anschließen wird.

Der erste Abschnitt der uns vorliegenden Arbeit hat ein vorwiegend ge¬
schichtliches Interesse, er beschäftigt sich im wesentlichen mit einem statistischen
Vergleich des deutschen Handels nach den nordischen Reichen mit dem Eng¬
lands und der andern Weststaaten seit Anfang dieses Jahrhunderts. Der Ver¬
fasser tritt hierbei der landläufige», aber dennoch unzutreffender Vorstel¬
lung entgegen, daß Lübecks Handel an nationaler Bedeutung viel verloren
habe. Allerdings hat Lübeck nicht alle seine alten Handelsbeziehungen in die
Neuzeit herübernehmen können. Für den Verlust der ehemaligen Handelsver¬
bindungen mit England und den Niederlanden hat aber in den letzten Jahr¬
zehnten die große, von der Jndustrieeutwicklung West- und Mitteldeutschlands
getragne Kräftezufuhr reichen Ersatz geboten, und die regen Beziehungen zum
deutschen Binnenlande haben die Haudelsmacht und Handelskraft Lübecks so
gestärkt, daß die Stadt heute wieder als ein Hanptverkehrspunkt an der
baltischen Küste gelten kann. Der deutsche Handel nach dem Norden bewegte
sich in den ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts überhaupt in kleinen Ver¬
hältnissen; dennoch konnte die Ausfuhr Lübecks mit so ansehnlichen Ziffern
hervortreten, daß bis zum Jahre 186t) die gesamte Ausfuhr der schleswig¬
holsteinischen Häfen nur den zehnten Teil der Lübecker ausmachte. Was die
preußischen Häfen Stettin, Danzig, Königsberg, Strcilsund, Elbing, Stolpe,
Wolgast. Anklam, Kolberg, Rügenwalde, Greifswald u. s. w. betrifft, so
zeigte Lübecks Handel bis zu den sechziger Jahren auch diesen Häfen gegen¬
über ein Übergewicht. Nach Schweden z. B. betrug seine Ausfuhr im Jahre
1859 15 660 000 Reichsthaler, die Ausfuhr jener Häfen zusammen nur
1042 000 Neichsthcilcr. Eine Änderung dieser in unsrer Denkschrift mit vielen
Einzelheiten geschilderte» Sachlage zu Gunsten der letztern Häfen, namentlich
zu Gunsten Stettins, vollzog sich in der zweiten Hülste des Jahrhunderts.
Die ind»strickte Erstarkung Schlesiens, die erhöhte Betriebsamkeit der land¬
wirtschaftlichen Gewerbe Norddeutschlands, die große Vermehrung der Be¬
völkerungen Schlesiens, Pommerns, Posens und Brandenburgs mit ihrer
großen Verbranchsfähigkeit, vor allem das starke Anwachsen Berlins, wurden
die Quellen der Handelskraft Stettins; im Jahre 1869 führte es 4024 790 Meter¬
zentner Waren aller Art seewärts aus, und seitdem hat es de» dritten Platz
unter alle» deutsche» Seestädten in der Ausfuhr wie in der Einfuhr.

Doch die Untersnchuuge» der Halberstädter Deiikschrift Schilder», wie trotz
des so außerordentlichen Aufschwungs von Stettin sich auch Lübecks Entwick¬
lung aus den fünfziger Jahren fortsetzte. Begünstigt namentlich von seiner
.^reuzungslcige, die für den ganzen südwestdeutschen Überlandshandel die nächste


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[0084] Lin Lid-Trave-Nmial wird erstens darin bestehen, daß er das deutsche Elbbecken mit der Ostsee ver¬ binden, zweitens darin, daß er den Rhein - Weser-Eid-Kanal, der als verbin¬ dende Wasserstraße dieser drei Ströme gedacht ist, und damit das ganze west¬ deutsche Wasserstraßennetz an die Ostsee anschließen wird. Der erste Abschnitt der uns vorliegenden Arbeit hat ein vorwiegend ge¬ schichtliches Interesse, er beschäftigt sich im wesentlichen mit einem statistischen Vergleich des deutschen Handels nach den nordischen Reichen mit dem Eng¬ lands und der andern Weststaaten seit Anfang dieses Jahrhunderts. Der Ver¬ fasser tritt hierbei der landläufige», aber dennoch unzutreffender Vorstel¬ lung entgegen, daß Lübecks Handel an nationaler Bedeutung viel verloren habe. Allerdings hat Lübeck nicht alle seine alten Handelsbeziehungen in die Neuzeit herübernehmen können. Für den Verlust der ehemaligen Handelsver¬ bindungen mit England und den Niederlanden hat aber in den letzten Jahr¬ zehnten die große, von der Jndustrieeutwicklung West- und Mitteldeutschlands getragne Kräftezufuhr reichen Ersatz geboten, und die regen Beziehungen zum deutschen Binnenlande haben die Haudelsmacht und Handelskraft Lübecks so gestärkt, daß die Stadt heute wieder als ein Hanptverkehrspunkt an der baltischen Küste gelten kann. Der deutsche Handel nach dem Norden bewegte sich in den ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts überhaupt in kleinen Ver¬ hältnissen; dennoch konnte die Ausfuhr Lübecks mit so ansehnlichen Ziffern hervortreten, daß bis zum Jahre 186t) die gesamte Ausfuhr der schleswig¬ holsteinischen Häfen nur den zehnten Teil der Lübecker ausmachte. Was die preußischen Häfen Stettin, Danzig, Königsberg, Strcilsund, Elbing, Stolpe, Wolgast. Anklam, Kolberg, Rügenwalde, Greifswald u. s. w. betrifft, so zeigte Lübecks Handel bis zu den sechziger Jahren auch diesen Häfen gegen¬ über ein Übergewicht. Nach Schweden z. B. betrug seine Ausfuhr im Jahre 1859 15 660 000 Reichsthaler, die Ausfuhr jener Häfen zusammen nur 1042 000 Neichsthcilcr. Eine Änderung dieser in unsrer Denkschrift mit vielen Einzelheiten geschilderte» Sachlage zu Gunsten der letztern Häfen, namentlich zu Gunsten Stettins, vollzog sich in der zweiten Hülste des Jahrhunderts. Die ind»strickte Erstarkung Schlesiens, die erhöhte Betriebsamkeit der land¬ wirtschaftlichen Gewerbe Norddeutschlands, die große Vermehrung der Be¬ völkerungen Schlesiens, Pommerns, Posens und Brandenburgs mit ihrer großen Verbranchsfähigkeit, vor allem das starke Anwachsen Berlins, wurden die Quellen der Handelskraft Stettins; im Jahre 1869 führte es 4024 790 Meter¬ zentner Waren aller Art seewärts aus, und seitdem hat es de» dritten Platz unter alle» deutsche» Seestädten in der Ausfuhr wie in der Einfuhr. Doch die Untersnchuuge» der Halberstädter Deiikschrift Schilder», wie trotz des so außerordentlichen Aufschwungs von Stettin sich auch Lübecks Entwick¬ lung aus den fünfziger Jahren fortsetzte. Begünstigt namentlich von seiner .^reuzungslcige, die für den ganzen südwestdeutschen Überlandshandel die nächste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/84>, abgerufen am 23.05.2024.