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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Als Söuucheu einen Ordensstern,
Genug Ma guten Leben,
Von Zeit zu Zeit ein Weibchen gern,
Ein Titelchen daneben:
Und Geist, wenn er im Glase fließt,
Zu Zeiten einen Kater;
Programmmnsik vom heiligen Li>ze,
Dem neuesten Kirchenvater,
Parise r K nntharidenrahm,
Berliner Possensnsel;
Begeisterung, die von oben kam
Und endet in dem Dusel.
Das kleinste Göttlein hielts nicht aus
In diesem platten Himmel.
Doch schmunzelnd fühlt sich da zu Hans
Banausisches Gewimmel!

Der Ingrimm des Verfassers ist ehrlich und wahlberechtigt, der Ausdruck nicht
überall klar, poetisch und mächtig, das Talent aber unzweifelhaft, und bei
künstlerischer Läuterung und Steigerung seiner Natur hätte der Dichter wohl
das Zeug zu einem echten Satiriker im großen Stil. Er kritisirt, wahr¬
scheinlich ohne sie zu kennen, mich die kleine Sammlung gereimter Nietzschischer
Zarathustraweisheit, die in Weltfremd - weltfreund von Franz Ni¬
kolaus Finck (Leipzig, C. G. Naumann) vorliegt. Weigaudt meint:


Sie preisen eine neue Moral
Des Glücks, weil groß der Zeiten Qual.
Doch als ich mir betrachtet die Seher,
Dn waren-! die alten Epiknreer.

Ganz so ist es freilich in den in wohllautenden, formschönen Strophen wieder¬
gegebnen Halbtränmen und Prophetenblicken im Geiste Nietzsches, die Finck
darbietet, nicht beschaffen, aber viel besser anch nicht. Glaube, wer kann, an
die neuen Götter-Übermenschen, die am Rande der Gletscher wohnen und sich
über die Staubgeborueu erheben. Einstweilen fährt jeder noch besser, der sich
von diesen stabrcimenden Propheten bemitleiden läßt:


Seit hier mein Heim
Am hohen Hang
Mein wohl erwähltes
Wouuiges Wohnen,
Belächelt die Liebe
Des Mitleids euch Menschen,
Die ach ihr nicht ahnt,
Wie arm ihr Armen!

und darauf baut, daß der alte Gott trotz dieser künftigen Götter noch lebt!




Grenzboten I

Als Söuucheu einen Ordensstern,
Genug Ma guten Leben,
Von Zeit zu Zeit ein Weibchen gern,
Ein Titelchen daneben:
Und Geist, wenn er im Glase fließt,
Zu Zeiten einen Kater;
Programmmnsik vom heiligen Li>ze,
Dem neuesten Kirchenvater,
Parise r K nntharidenrahm,
Berliner Possensnsel;
Begeisterung, die von oben kam
Und endet in dem Dusel.
Das kleinste Göttlein hielts nicht aus
In diesem platten Himmel.
Doch schmunzelnd fühlt sich da zu Hans
Banausisches Gewimmel!

Der Ingrimm des Verfassers ist ehrlich und wahlberechtigt, der Ausdruck nicht
überall klar, poetisch und mächtig, das Talent aber unzweifelhaft, und bei
künstlerischer Läuterung und Steigerung seiner Natur hätte der Dichter wohl
das Zeug zu einem echten Satiriker im großen Stil. Er kritisirt, wahr¬
scheinlich ohne sie zu kennen, mich die kleine Sammlung gereimter Nietzschischer
Zarathustraweisheit, die in Weltfremd - weltfreund von Franz Ni¬
kolaus Finck (Leipzig, C. G. Naumann) vorliegt. Weigaudt meint:


Sie preisen eine neue Moral
Des Glücks, weil groß der Zeiten Qual.
Doch als ich mir betrachtet die Seher,
Dn waren-! die alten Epiknreer.

Ganz so ist es freilich in den in wohllautenden, formschönen Strophen wieder¬
gegebnen Halbtränmen und Prophetenblicken im Geiste Nietzsches, die Finck
darbietet, nicht beschaffen, aber viel besser anch nicht. Glaube, wer kann, an
die neuen Götter-Übermenschen, die am Rande der Gletscher wohnen und sich
über die Staubgeborueu erheben. Einstweilen fährt jeder noch besser, der sich
von diesen stabrcimenden Propheten bemitleiden läßt:


Seit hier mein Heim
Am hohen Hang
Mein wohl erwähltes
Wouuiges Wohnen,
Belächelt die Liebe
Des Mitleids euch Menschen,
Die ach ihr nicht ahnt,
Wie arm ihr Armen!

und darauf baut, daß der alte Gott trotz dieser künftigen Götter noch lebt!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/99>, abgerufen am 12.05.2024.