Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

lichkeiten beherbergte, so mußte er sich gestehen, daß er selbst doch recht einfach,
ja sast dürftig gekleidet sei. Aber dem war ja abzuhelfen. Hing nicht im
Kleiderspind schon der schöne blaue Frack mit dem Silberbesatz und den silbernen
Knöpfen, den er zum erstenmale bei seiner Habilitationsrede trage,? wollte?
Er flocht sein Haar sorgfältiger als je, streute vom besten Puder hinein und
legte das Festgewand an. Dann griff er nach seinem Hut und seinem spa¬
nischen Rohr und eilte die Treppe hinab, um für die neue Einrichtung Ein¬
käufe zu machen. Zuerst mußte ein Divan bestellt werden. Wenn Justus die
beiden nächsten Monate keine Bücher anschasste, so konnte er bequem einen
schönen Divan erschwingen.

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Audienz im Vatikan,

die drei gleich hohen Stühle und Ledv-
chvwskis Schnupftabakdose. Die lebenden Bilder im Nokokostil, deren Unterschriften
wir vorstehend genannt haben, gefallen dem protestantischen Teile des deutschen
Volkes sehr schlecht. Doch hatte man sich längst an derlei gewöhnen können; sie
sind nicht die ersten ihrer Art gewesen und werden nicht die letzten sein, sintemal
die nicht bloß in Preußen übliche Kirchenpolitik notwendig dazu führt. Man will
die Kirchen für politische Zwecke verwenden. Findet nun sie nicht willig genug,
so greift man umgestaltend in ihr Inneres ein. Lassen sie sich das nicht gefallen,
so macht man Märtyrer. Nützt das nichts, so bleibt zuguderletzt nichts übrig, als
die Märtyrer schön zu bitten, sie möchten nur wieder gut sein und die nächsten
Wahlen, oder was man sonst gerade vor hat, machen helfen. Damit soll nicht
gesagt sein, daß unser Kaiser, indem er den schwarzen, roten und weißen Herren
seine angeborne Menschenfreundlichkeit erwies, auch nur im mindesten an Militär-
Vorlagen und dergleichen gedacht habe; aber nnter den obwaltenden Umständen
werden solche Liebenswürdigkeiten eines Staatsoberhauptes unfehlbar in diesem
Sinne gedeutet und verwertet werden.

Das vorige und das laufende Jahrhundert haben zusammen in ganz Europa
nur einen einzigen Monarchen aufzuweisen, der die Kircheuangelegenheiten voll¬
kommen richtig behandelt hat, das ist Friedrich der Große. Mit wunderbarem
Takt und Scharfblick hat er die Grenze zwischen dem Innerlichen und dem Äußer¬
lichen in Kirchensachen gefunden und inne gehalten, das Äußerliche so vortrefflich
geordnet, daß ihm die katholische Geistlichkeit stets dankbar dafür gewesen ist und
sich bis zum Jahre 1S72 dabei wohl gefühlt hat. Wagte ein Pfaff, wie der
Fürstbischof Schaffgotsch, Stänkereien, so faßte er ihn, den Schuldigen allein, derb
am Kragen, ließ es aber seine Glaubensgenossen nicht entgelten. Er fügte nie¬
mandem ein Unrecht zu und hatte deshalb nie etwas abzubitten. Die Kirchen
dem Staate dienstbar zu macheu, verstand er vortrefflich, aber uur für Zwecke, die
innerhalb ihres natürlichen Wirkungskreises liegen, für den Unterricht und andre


Maßgebliches und Unmaßgebliches

lichkeiten beherbergte, so mußte er sich gestehen, daß er selbst doch recht einfach,
ja sast dürftig gekleidet sei. Aber dem war ja abzuhelfen. Hing nicht im
Kleiderspind schon der schöne blaue Frack mit dem Silberbesatz und den silbernen
Knöpfen, den er zum erstenmale bei seiner Habilitationsrede trage,? wollte?
Er flocht sein Haar sorgfältiger als je, streute vom besten Puder hinein und
legte das Festgewand an. Dann griff er nach seinem Hut und seinem spa¬
nischen Rohr und eilte die Treppe hinab, um für die neue Einrichtung Ein¬
käufe zu machen. Zuerst mußte ein Divan bestellt werden. Wenn Justus die
beiden nächsten Monate keine Bücher anschasste, so konnte er bequem einen
schönen Divan erschwingen.

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Audienz im Vatikan,

die drei gleich hohen Stühle und Ledv-
chvwskis Schnupftabakdose. Die lebenden Bilder im Nokokostil, deren Unterschriften
wir vorstehend genannt haben, gefallen dem protestantischen Teile des deutschen
Volkes sehr schlecht. Doch hatte man sich längst an derlei gewöhnen können; sie
sind nicht die ersten ihrer Art gewesen und werden nicht die letzten sein, sintemal
die nicht bloß in Preußen übliche Kirchenpolitik notwendig dazu führt. Man will
die Kirchen für politische Zwecke verwenden. Findet nun sie nicht willig genug,
so greift man umgestaltend in ihr Inneres ein. Lassen sie sich das nicht gefallen,
so macht man Märtyrer. Nützt das nichts, so bleibt zuguderletzt nichts übrig, als
die Märtyrer schön zu bitten, sie möchten nur wieder gut sein und die nächsten
Wahlen, oder was man sonst gerade vor hat, machen helfen. Damit soll nicht
gesagt sein, daß unser Kaiser, indem er den schwarzen, roten und weißen Herren
seine angeborne Menschenfreundlichkeit erwies, auch nur im mindesten an Militär-
Vorlagen und dergleichen gedacht habe; aber nnter den obwaltenden Umständen
werden solche Liebenswürdigkeiten eines Staatsoberhauptes unfehlbar in diesem
Sinne gedeutet und verwertet werden.

Das vorige und das laufende Jahrhundert haben zusammen in ganz Europa
nur einen einzigen Monarchen aufzuweisen, der die Kircheuangelegenheiten voll¬
kommen richtig behandelt hat, das ist Friedrich der Große. Mit wunderbarem
Takt und Scharfblick hat er die Grenze zwischen dem Innerlichen und dem Äußer¬
lichen in Kirchensachen gefunden und inne gehalten, das Äußerliche so vortrefflich
geordnet, daß ihm die katholische Geistlichkeit stets dankbar dafür gewesen ist und
sich bis zum Jahre 1S72 dabei wohl gefühlt hat. Wagte ein Pfaff, wie der
Fürstbischof Schaffgotsch, Stänkereien, so faßte er ihn, den Schuldigen allein, derb
am Kragen, ließ es aber seine Glaubensgenossen nicht entgelten. Er fügte nie¬
mandem ein Unrecht zu und hatte deshalb nie etwas abzubitten. Die Kirchen
dem Staate dienstbar zu macheu, verstand er vortrefflich, aber uur für Zwecke, die
innerhalb ihres natürlichen Wirkungskreises liegen, für den Unterricht und andre


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214794"/>
          <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1341" prev="#ID_1340"> lichkeiten beherbergte, so mußte er sich gestehen, daß er selbst doch recht einfach,<lb/>
ja sast dürftig gekleidet sei. Aber dem war ja abzuhelfen. Hing nicht im<lb/>
Kleiderspind schon der schöne blaue Frack mit dem Silberbesatz und den silbernen<lb/>
Knöpfen, den er zum erstenmale bei seiner Habilitationsrede trage,? wollte?<lb/>
Er flocht sein Haar sorgfältiger als je, streute vom besten Puder hinein und<lb/>
legte das Festgewand an. Dann griff er nach seinem Hut und seinem spa¬<lb/>
nischen Rohr und eilte die Treppe hinab, um für die neue Einrichtung Ein¬<lb/>
käufe zu machen. Zuerst mußte ein Divan bestellt werden. Wenn Justus die<lb/>
beiden nächsten Monate keine Bücher anschasste, so konnte er bequem einen<lb/>
schönen Divan erschwingen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1342"> (Schluß folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Die Audienz im Vatikan,</head>
            <p xml:id="ID_1343"> die drei gleich hohen Stühle und Ledv-<lb/>
chvwskis Schnupftabakdose. Die lebenden Bilder im Nokokostil, deren Unterschriften<lb/>
wir vorstehend genannt haben, gefallen dem protestantischen Teile des deutschen<lb/>
Volkes sehr schlecht. Doch hatte man sich längst an derlei gewöhnen können; sie<lb/>
sind nicht die ersten ihrer Art gewesen und werden nicht die letzten sein, sintemal<lb/>
die nicht bloß in Preußen übliche Kirchenpolitik notwendig dazu führt. Man will<lb/>
die Kirchen für politische Zwecke verwenden. Findet nun sie nicht willig genug,<lb/>
so greift man umgestaltend in ihr Inneres ein. Lassen sie sich das nicht gefallen,<lb/>
so macht man Märtyrer. Nützt das nichts, so bleibt zuguderletzt nichts übrig, als<lb/>
die Märtyrer schön zu bitten, sie möchten nur wieder gut sein und die nächsten<lb/>
Wahlen, oder was man sonst gerade vor hat, machen helfen. Damit soll nicht<lb/>
gesagt sein, daß unser Kaiser, indem er den schwarzen, roten und weißen Herren<lb/>
seine angeborne Menschenfreundlichkeit erwies, auch nur im mindesten an Militär-<lb/>
Vorlagen und dergleichen gedacht habe; aber nnter den obwaltenden Umständen<lb/>
werden solche Liebenswürdigkeiten eines Staatsoberhauptes unfehlbar in diesem<lb/>
Sinne gedeutet und verwertet werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1344" next="#ID_1345"> Das vorige und das laufende Jahrhundert haben zusammen in ganz Europa<lb/>
nur einen einzigen Monarchen aufzuweisen, der die Kircheuangelegenheiten voll¬<lb/>
kommen richtig behandelt hat, das ist Friedrich der Große. Mit wunderbarem<lb/>
Takt und Scharfblick hat er die Grenze zwischen dem Innerlichen und dem Äußer¬<lb/>
lichen in Kirchensachen gefunden und inne gehalten, das Äußerliche so vortrefflich<lb/>
geordnet, daß ihm die katholische Geistlichkeit stets dankbar dafür gewesen ist und<lb/>
sich bis zum Jahre 1S72 dabei wohl gefühlt hat. Wagte ein Pfaff, wie der<lb/>
Fürstbischof Schaffgotsch, Stänkereien, so faßte er ihn, den Schuldigen allein, derb<lb/>
am Kragen, ließ es aber seine Glaubensgenossen nicht entgelten. Er fügte nie¬<lb/>
mandem ein Unrecht zu und hatte deshalb nie etwas abzubitten. Die Kirchen<lb/>
dem Staate dienstbar zu macheu, verstand er vortrefflich, aber uur für Zwecke, die<lb/>
innerhalb ihres natürlichen Wirkungskreises liegen, für den Unterricht und andre</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0339] Maßgebliches und Unmaßgebliches lichkeiten beherbergte, so mußte er sich gestehen, daß er selbst doch recht einfach, ja sast dürftig gekleidet sei. Aber dem war ja abzuhelfen. Hing nicht im Kleiderspind schon der schöne blaue Frack mit dem Silberbesatz und den silbernen Knöpfen, den er zum erstenmale bei seiner Habilitationsrede trage,? wollte? Er flocht sein Haar sorgfältiger als je, streute vom besten Puder hinein und legte das Festgewand an. Dann griff er nach seinem Hut und seinem spa¬ nischen Rohr und eilte die Treppe hinab, um für die neue Einrichtung Ein¬ käufe zu machen. Zuerst mußte ein Divan bestellt werden. Wenn Justus die beiden nächsten Monate keine Bücher anschasste, so konnte er bequem einen schönen Divan erschwingen. (Schluß folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Audienz im Vatikan, die drei gleich hohen Stühle und Ledv- chvwskis Schnupftabakdose. Die lebenden Bilder im Nokokostil, deren Unterschriften wir vorstehend genannt haben, gefallen dem protestantischen Teile des deutschen Volkes sehr schlecht. Doch hatte man sich längst an derlei gewöhnen können; sie sind nicht die ersten ihrer Art gewesen und werden nicht die letzten sein, sintemal die nicht bloß in Preußen übliche Kirchenpolitik notwendig dazu führt. Man will die Kirchen für politische Zwecke verwenden. Findet nun sie nicht willig genug, so greift man umgestaltend in ihr Inneres ein. Lassen sie sich das nicht gefallen, so macht man Märtyrer. Nützt das nichts, so bleibt zuguderletzt nichts übrig, als die Märtyrer schön zu bitten, sie möchten nur wieder gut sein und die nächsten Wahlen, oder was man sonst gerade vor hat, machen helfen. Damit soll nicht gesagt sein, daß unser Kaiser, indem er den schwarzen, roten und weißen Herren seine angeborne Menschenfreundlichkeit erwies, auch nur im mindesten an Militär- Vorlagen und dergleichen gedacht habe; aber nnter den obwaltenden Umständen werden solche Liebenswürdigkeiten eines Staatsoberhauptes unfehlbar in diesem Sinne gedeutet und verwertet werden. Das vorige und das laufende Jahrhundert haben zusammen in ganz Europa nur einen einzigen Monarchen aufzuweisen, der die Kircheuangelegenheiten voll¬ kommen richtig behandelt hat, das ist Friedrich der Große. Mit wunderbarem Takt und Scharfblick hat er die Grenze zwischen dem Innerlichen und dem Äußer¬ lichen in Kirchensachen gefunden und inne gehalten, das Äußerliche so vortrefflich geordnet, daß ihm die katholische Geistlichkeit stets dankbar dafür gewesen ist und sich bis zum Jahre 1S72 dabei wohl gefühlt hat. Wagte ein Pfaff, wie der Fürstbischof Schaffgotsch, Stänkereien, so faßte er ihn, den Schuldigen allein, derb am Kragen, ließ es aber seine Glaubensgenossen nicht entgelten. Er fügte nie¬ mandem ein Unrecht zu und hatte deshalb nie etwas abzubitten. Die Kirchen dem Staate dienstbar zu macheu, verstand er vortrefflich, aber uur für Zwecke, die innerhalb ihres natürlichen Wirkungskreises liegen, für den Unterricht und andre

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/339
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/339>, abgerufen am 17.06.2024.