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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Streifzüge auf dem Gebiete der Metapher

Geister"); jemand seine Kreise stören, von den Worten entnommen, die
angeblich Archimedes bei der Einnahme von Syrakus den bei ihm eindringenden
Soldaten zugerufen haben soll (richtiger "zerstören," da damit ursprünglich
die auf dem Boden im Sand gezeichneten mathematischen Figuren gemeint
sind); Cato (catouisch), bereits bei den Römern metaphorisch von großer
Sittenstrenge gebraucht, wie sie der jüngere Cato (Uticensis) zur Schau trug.
Ferner Cicero (cicerouianisch), gleich Demosthenes der Typus eines großen
Redners; an einen seiner Gegner erinnert die Bezeichnung catilinarisch, die
zwar schon vor Vismarck gebraucht, aber doch durch ihn erst populär ge¬
worden ist; und ebenfalls in Beziehung zu Cicero steht die Philippika,
mit welchem Namen Cicero bekanntlich seine Streitreden gegen Antonius be¬
nannt hat, in Erinnerung an die gewaltigen Reden, die Demosthenes gegen
Philipp von Macedonien gehalten hatte: wir haben damit also ein Beispiel,
wie eine zunächst zu einem ganz spezielle" Zweck angewandte Metapher Ge¬
meingut geworden ist. Ciceros Freund, der Schauspieler Roscius, war,
wie Cicero selbst bezeugt, schon zu seinen Lebzeiten so sprichwörtlich geworden,
daß man Leute, die in irgend welcher Kunstfertigkeit sehr tüchtig waren,
"Roscius in ihrem Fach" nannte; heute werden mitunter große Schauspieler
so bezeichnet. Endlich ist auch Ciceros Tusculum. sein Landgut, als Be¬
zeichnung eines behaglichen Ruhesitzes, auf dem mau sich von den Strapazen
des Berufs erholt, ein stehender Ausdruck geblieben (richtiger müßte es frei¬
lich Tnsculcmum heißen). Brutus lebt als Typus eines fanatischen Ver¬
schwörers fort (z.B. ein "Brntuskopf); das Triumvirat ist bei uns schlecht¬
weg für irgendwelchen Dreiverein üblich geworden, ohne daß dabei der Ver¬
gleich mit den berühmten Trinmvirn eine Rolle spielte. Die Wörter
Cäsarismus, cäsarisch hängen in ihrer bekannten übertragnen Bedeutung
weniger mit dem großen Cäsar als mit den spätern Cüsaren und deren Re-
gierungssystem zusammen. Mit neronisch bezeichnen wir Grausamkeit und
Wahnsinn auf Fürstenthronen, während diocletianisch nur von der ultrn-
montanen Presse zur Charakterisirung moderner angeblicher Katholikenver¬
folgungen gebraucht, aber keine allgemein übliche Metapher geworden ist. Eben¬
falls auf Diocletian darf man wohl die bildliche Redensart seinen Kohl
pflanzen zurückleiten, da sich Diocletian nach seinem Rücktritt in Salona
mit Gemüsezucht abgab. Aus römischer Geschichte stammt auch der Parther-
pfcil, da wir die Kampfweise der Parther, die fliehend ihre unerwarteten
Pfeile auf die Verfolger sandten, wesentlich aus ihren Kriegen mit den Römern
kennen.

Von sonstigen Persönlichkeiten der römischen Zeit wären als solche, die
in metaphorischen Sinne gebraucht werden, noch namhaft zu machen: Lu-
cullus, dessen prächtige Mahlzeiten unsterblich geworden sind (lucullisch
speisen); der Gönner des Hvmz, Mäcenas (Kunstmäcen, Mäzenatentum), schon


Streifzüge auf dem Gebiete der Metapher

Geister"); jemand seine Kreise stören, von den Worten entnommen, die
angeblich Archimedes bei der Einnahme von Syrakus den bei ihm eindringenden
Soldaten zugerufen haben soll (richtiger „zerstören," da damit ursprünglich
die auf dem Boden im Sand gezeichneten mathematischen Figuren gemeint
sind); Cato (catouisch), bereits bei den Römern metaphorisch von großer
Sittenstrenge gebraucht, wie sie der jüngere Cato (Uticensis) zur Schau trug.
Ferner Cicero (cicerouianisch), gleich Demosthenes der Typus eines großen
Redners; an einen seiner Gegner erinnert die Bezeichnung catilinarisch, die
zwar schon vor Vismarck gebraucht, aber doch durch ihn erst populär ge¬
worden ist; und ebenfalls in Beziehung zu Cicero steht die Philippika,
mit welchem Namen Cicero bekanntlich seine Streitreden gegen Antonius be¬
nannt hat, in Erinnerung an die gewaltigen Reden, die Demosthenes gegen
Philipp von Macedonien gehalten hatte: wir haben damit also ein Beispiel,
wie eine zunächst zu einem ganz spezielle» Zweck angewandte Metapher Ge¬
meingut geworden ist. Ciceros Freund, der Schauspieler Roscius, war,
wie Cicero selbst bezeugt, schon zu seinen Lebzeiten so sprichwörtlich geworden,
daß man Leute, die in irgend welcher Kunstfertigkeit sehr tüchtig waren,
„Roscius in ihrem Fach" nannte; heute werden mitunter große Schauspieler
so bezeichnet. Endlich ist auch Ciceros Tusculum. sein Landgut, als Be¬
zeichnung eines behaglichen Ruhesitzes, auf dem mau sich von den Strapazen
des Berufs erholt, ein stehender Ausdruck geblieben (richtiger müßte es frei¬
lich Tnsculcmum heißen). Brutus lebt als Typus eines fanatischen Ver¬
schwörers fort (z.B. ein „Brntuskopf); das Triumvirat ist bei uns schlecht¬
weg für irgendwelchen Dreiverein üblich geworden, ohne daß dabei der Ver¬
gleich mit den berühmten Trinmvirn eine Rolle spielte. Die Wörter
Cäsarismus, cäsarisch hängen in ihrer bekannten übertragnen Bedeutung
weniger mit dem großen Cäsar als mit den spätern Cüsaren und deren Re-
gierungssystem zusammen. Mit neronisch bezeichnen wir Grausamkeit und
Wahnsinn auf Fürstenthronen, während diocletianisch nur von der ultrn-
montanen Presse zur Charakterisirung moderner angeblicher Katholikenver¬
folgungen gebraucht, aber keine allgemein übliche Metapher geworden ist. Eben¬
falls auf Diocletian darf man wohl die bildliche Redensart seinen Kohl
pflanzen zurückleiten, da sich Diocletian nach seinem Rücktritt in Salona
mit Gemüsezucht abgab. Aus römischer Geschichte stammt auch der Parther-
pfcil, da wir die Kampfweise der Parther, die fliehend ihre unerwarteten
Pfeile auf die Verfolger sandten, wesentlich aus ihren Kriegen mit den Römern
kennen.

Von sonstigen Persönlichkeiten der römischen Zeit wären als solche, die
in metaphorischen Sinne gebraucht werden, noch namhaft zu machen: Lu-
cullus, dessen prächtige Mahlzeiten unsterblich geworden sind (lucullisch
speisen); der Gönner des Hvmz, Mäcenas (Kunstmäcen, Mäzenatentum), schon


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[0572] Streifzüge auf dem Gebiete der Metapher Geister"); jemand seine Kreise stören, von den Worten entnommen, die angeblich Archimedes bei der Einnahme von Syrakus den bei ihm eindringenden Soldaten zugerufen haben soll (richtiger „zerstören," da damit ursprünglich die auf dem Boden im Sand gezeichneten mathematischen Figuren gemeint sind); Cato (catouisch), bereits bei den Römern metaphorisch von großer Sittenstrenge gebraucht, wie sie der jüngere Cato (Uticensis) zur Schau trug. Ferner Cicero (cicerouianisch), gleich Demosthenes der Typus eines großen Redners; an einen seiner Gegner erinnert die Bezeichnung catilinarisch, die zwar schon vor Vismarck gebraucht, aber doch durch ihn erst populär ge¬ worden ist; und ebenfalls in Beziehung zu Cicero steht die Philippika, mit welchem Namen Cicero bekanntlich seine Streitreden gegen Antonius be¬ nannt hat, in Erinnerung an die gewaltigen Reden, die Demosthenes gegen Philipp von Macedonien gehalten hatte: wir haben damit also ein Beispiel, wie eine zunächst zu einem ganz spezielle» Zweck angewandte Metapher Ge¬ meingut geworden ist. Ciceros Freund, der Schauspieler Roscius, war, wie Cicero selbst bezeugt, schon zu seinen Lebzeiten so sprichwörtlich geworden, daß man Leute, die in irgend welcher Kunstfertigkeit sehr tüchtig waren, „Roscius in ihrem Fach" nannte; heute werden mitunter große Schauspieler so bezeichnet. Endlich ist auch Ciceros Tusculum. sein Landgut, als Be¬ zeichnung eines behaglichen Ruhesitzes, auf dem mau sich von den Strapazen des Berufs erholt, ein stehender Ausdruck geblieben (richtiger müßte es frei¬ lich Tnsculcmum heißen). Brutus lebt als Typus eines fanatischen Ver¬ schwörers fort (z.B. ein „Brntuskopf); das Triumvirat ist bei uns schlecht¬ weg für irgendwelchen Dreiverein üblich geworden, ohne daß dabei der Ver¬ gleich mit den berühmten Trinmvirn eine Rolle spielte. Die Wörter Cäsarismus, cäsarisch hängen in ihrer bekannten übertragnen Bedeutung weniger mit dem großen Cäsar als mit den spätern Cüsaren und deren Re- gierungssystem zusammen. Mit neronisch bezeichnen wir Grausamkeit und Wahnsinn auf Fürstenthronen, während diocletianisch nur von der ultrn- montanen Presse zur Charakterisirung moderner angeblicher Katholikenver¬ folgungen gebraucht, aber keine allgemein übliche Metapher geworden ist. Eben¬ falls auf Diocletian darf man wohl die bildliche Redensart seinen Kohl pflanzen zurückleiten, da sich Diocletian nach seinem Rücktritt in Salona mit Gemüsezucht abgab. Aus römischer Geschichte stammt auch der Parther- pfcil, da wir die Kampfweise der Parther, die fliehend ihre unerwarteten Pfeile auf die Verfolger sandten, wesentlich aus ihren Kriegen mit den Römern kennen. Von sonstigen Persönlichkeiten der römischen Zeit wären als solche, die in metaphorischen Sinne gebraucht werden, noch namhaft zu machen: Lu- cullus, dessen prächtige Mahlzeiten unsterblich geworden sind (lucullisch speisen); der Gönner des Hvmz, Mäcenas (Kunstmäcen, Mäzenatentum), schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/572>, abgerufen am 10.06.2024.