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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Streifziige auf dem Gebiete der Metapher

in alter Zeit sprichwörtlich; Antinous, der Liebling Hndrians, als Typus
eines schönen Jünglings; Galen, oft als Bezeichnung eines trefflichen Arztes
gebraucht. Auch die Bezeichnungen horazisch, von heiterer Lebensanschauung
oder anmutiger Lyrik, und juve na tisch, von bitterscharfer Satire, können
angeführt werden.

Aus dem Gebiete der römischen Altertümer ist nur wenig, was hierher
gehört. Triarier, die im dritten Gliede stehende Kerntruppe, kommen heute
bisweilen in ähnlichem Sinne vor (z. V. von Vismarck mit Bezug ans die
Landwehr gesagt); Legion ist bei uns als allgemeine Bezeichnung einer sehr
großen Menge üblich geworden; und unter Prätorianern verstehen wir
übermütige, ihre Macht mißbrauchende Krieger. Dem Sakralwesen entlehnt
sind die Auspicien, die bei uns -- oft recht sinnlos -- in der Wendung
"nnter den Auspicien des und des" vorkommen; Angurn sagt man spöttisch
nicht bloß von heuchlerischen Priestern, sondern allgemein von solchen, die
unter einer Maske heimlichen Zwecken nachgehen; Saturnalien nennt mau
ausgelassene Feste, bei denen es etwas toll hergeht; eine keusche oder spröde
Jungfrau wird als Vestcilin bezeichnet. In die Arena steigen, d. h. den
Kampf beginnen, sich in den Kampf mischen, beruht ebenfalls auf römischer
Anschauung.

Damit wird die Zahl der aus dem griechisch-römischen Altertum herüber¬
genommenen Metaphern im wesentlichen erschöpft sein, wenn auch eine Nach¬
lese noch eins oder das andre Übcrsehene ergeben dürfte. Sind es im Ver¬
hältnis zu den der alten Mythologie entlehnten Bildern beträchtlich weniger,
so sind es doch immer noch recht viel, wenn wir damit die Metaphern
und bildlichen Redensarten vergleichen, die die mittlere und neuere Geschichte
geliefert hat. Denn so groß und reichhaltig auch die Fülle der Bilder ist,
die unsre Sprache aus der Kultur der deutscheu Vergangenheit entnommen hat,
so spärlich sind die, die an bestimmte Ereignisse oder Persönlichkeiten anknüpfen.
Und das hat seinen guten Grund. Jene, die kulturhistorischen Tropen, sind
vom Volksmunde geschaffen, diese von den Gelehrten. Das Volk nahm seine
Bilder von dem her, was es täglich sah; der Gelehrte knüpfte an sein Wissen
an, und da in der früheren gelehrten Bildung die Geschichte des Altertums
an Wichtigkeit die christliche und die Zeitgeschichte weit überragte, so erklärt
sichs von selbst, daß das Altertum in der Metapher auch deu Löwenanteil
davontrug. Was wir bisher besprochen haben, ist die gelehrte Metapher;
mit der volkstümlichen und ihren Beziehungen zur Kulturgeschichte wollen wir
uns ein andermal beschäftigen.


H. Bliimner


Streifziige auf dem Gebiete der Metapher

in alter Zeit sprichwörtlich; Antinous, der Liebling Hndrians, als Typus
eines schönen Jünglings; Galen, oft als Bezeichnung eines trefflichen Arztes
gebraucht. Auch die Bezeichnungen horazisch, von heiterer Lebensanschauung
oder anmutiger Lyrik, und juve na tisch, von bitterscharfer Satire, können
angeführt werden.

Aus dem Gebiete der römischen Altertümer ist nur wenig, was hierher
gehört. Triarier, die im dritten Gliede stehende Kerntruppe, kommen heute
bisweilen in ähnlichem Sinne vor (z. V. von Vismarck mit Bezug ans die
Landwehr gesagt); Legion ist bei uns als allgemeine Bezeichnung einer sehr
großen Menge üblich geworden; und unter Prätorianern verstehen wir
übermütige, ihre Macht mißbrauchende Krieger. Dem Sakralwesen entlehnt
sind die Auspicien, die bei uns — oft recht sinnlos — in der Wendung
„nnter den Auspicien des und des" vorkommen; Angurn sagt man spöttisch
nicht bloß von heuchlerischen Priestern, sondern allgemein von solchen, die
unter einer Maske heimlichen Zwecken nachgehen; Saturnalien nennt mau
ausgelassene Feste, bei denen es etwas toll hergeht; eine keusche oder spröde
Jungfrau wird als Vestcilin bezeichnet. In die Arena steigen, d. h. den
Kampf beginnen, sich in den Kampf mischen, beruht ebenfalls auf römischer
Anschauung.

Damit wird die Zahl der aus dem griechisch-römischen Altertum herüber¬
genommenen Metaphern im wesentlichen erschöpft sein, wenn auch eine Nach¬
lese noch eins oder das andre Übcrsehene ergeben dürfte. Sind es im Ver¬
hältnis zu den der alten Mythologie entlehnten Bildern beträchtlich weniger,
so sind es doch immer noch recht viel, wenn wir damit die Metaphern
und bildlichen Redensarten vergleichen, die die mittlere und neuere Geschichte
geliefert hat. Denn so groß und reichhaltig auch die Fülle der Bilder ist,
die unsre Sprache aus der Kultur der deutscheu Vergangenheit entnommen hat,
so spärlich sind die, die an bestimmte Ereignisse oder Persönlichkeiten anknüpfen.
Und das hat seinen guten Grund. Jene, die kulturhistorischen Tropen, sind
vom Volksmunde geschaffen, diese von den Gelehrten. Das Volk nahm seine
Bilder von dem her, was es täglich sah; der Gelehrte knüpfte an sein Wissen
an, und da in der früheren gelehrten Bildung die Geschichte des Altertums
an Wichtigkeit die christliche und die Zeitgeschichte weit überragte, so erklärt
sichs von selbst, daß das Altertum in der Metapher auch deu Löwenanteil
davontrug. Was wir bisher besprochen haben, ist die gelehrte Metapher;
mit der volkstümlichen und ihren Beziehungen zur Kulturgeschichte wollen wir
uns ein andermal beschäftigen.


H. Bliimner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/573>, abgerufen am 19.05.2024.