Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.Bilder in>s dem Westen einem oder mehrern Exemplaren jeden solchen Osfiecofen belagert. So wie es Der Tag, an dem ich durch die Freundlichkeit des Stadtchemikers, Dr. Hunter, Du meldest Diphtheritis, Joe? wandte er sich an den krausköpfiger Ja, unsre Kleine ist krank, ich möchte gern die gelben Papiere an unser Bilder in>s dem Westen einem oder mehrern Exemplaren jeden solchen Osfiecofen belagert. So wie es Der Tag, an dem ich durch die Freundlichkeit des Stadtchemikers, Dr. Hunter, Du meldest Diphtheritis, Joe? wandte er sich an den krausköpfiger Ja, unsre Kleine ist krank, ich möchte gern die gelben Papiere an unser <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/216004"/> <fw type="header" place="top"> Bilder in>s dem Westen</fw><lb/> <p xml:id="ID_784" prev="#ID_783"> einem oder mehrern Exemplaren jeden solchen Osfiecofen belagert. So wie es<lb/> hier in diesem primitiven, provisorischen „Office" aussieht — ein neues palast¬<lb/> artiges Gesundheitspolizeigcbäude wird erst gebaut —, so sehen nicht nur alle<lb/> Büreauanfänge, alle Gründuugsbüreans, so sehen mehr oder weniger alle Ur¬<lb/> anfänge neuer Ansiedlung in den Vereinigten Staaten aus. Wo immer über<lb/> den Wipfeln des Urwalds, im Felsengebirge oder über dem Horizont der<lb/> Prairien dem verirrten Wandrer der lange ersehnte gastliche Rauch eines Schorn¬<lb/> steins oder eines Fabrikschlotes winkt, da kann er sicher sein, solch ein Bretter¬<lb/> häuschen mit solch einem Ofen zu finden. Wenn es keine Nvtarstube oder<lb/> Pvlizeiwachtstube ist, so ist es ein Telegraphenbürean der Western-Uuiouliuie,<lb/> und herum sitzen sicherlich die Vertreter von Whisky, Bier und Stiefelwichse,<lb/> der Jrländer, der Deutsche und der Neger, der den ersten Barbierladcn gründen<lb/> will, auch der Franzose mit Cigarretten und Absinth pflegt nicht fern zu sein,<lb/> und auch der spleeuige Engländer kunnde irgendwoher ans, wo etwas gegründet<lb/> wird; wer aber ganz eigentlich diesen Ofen gepachtet zu haben scheint und<lb/> unbeirrt durch die Gespräche um ihn her schweigend die Ofenbank mit seinem<lb/> Federmesser weiter bearbeitet, das ist der Jankee, der da sitzt und lauert und<lb/> an den Nägeln^ kaut, bis er den großen Länderspekulatiouscoup fertig hat.<lb/> Der Ofen ist hier der Kern, um den herum sich alle Zivilisation entwickelt<lb/> hat. Wer sich von Newhork in die Vorstädte Tremont, Westfarms, Westchester<lb/> bemühen will, kann dort noch heute den Entwicklungsprozeß der Uranfänge<lb/> belauschen, wie er sich vor dreißig bis vierzig Jahren abgespielt hat, und wie<lb/> er sich heute noch Tag für Tag in den neue» Niederlassungen des Westens<lb/> abspielt.</p><lb/> <p xml:id="ID_785"> Der Tag, an dem ich durch die Freundlichkeit des Stadtchemikers, Dr. Hunter,<lb/> auf dem Gesundheitsamt eingeführt wurde, war einer jener vereinzelten rauhen<lb/> Nachzügler des Winters, wie sie sich hier gegen Ende April, ja zuweilen noch<lb/> Anfang Mai öfter zeigen. Der eiserne Ofen war überheizt. Es herrschte eine<lb/> Gluthitze im Zimmer, und doch warf einer der beiden Männer im schlichten<lb/> dunkelblauen Anzüge, die im Hintergrunde warteten, immer neue Feuerung in<lb/> den Höllenschlund. Der Chefarzt des Gesundheitsamts war noch nicht an¬<lb/> wesend. Sein Assistent, Dr. Mac Donnell, ein hübscher, frischer und flinker<lb/> junger Mann, der gerade mit einigen Impf- und Totenscheinen beschäftigt<lb/> war, bat mich, vor dem Schreibtisch des Chefs Platz zu nehmen, während er<lb/> die vor dem Ofen sitzenden abfertigte.</p><lb/> <p xml:id="ID_786"> Du meldest Diphtheritis, Joe? wandte er sich an den krausköpfiger<lb/> Neger auf der Ofenbank, der einen jener kleinen Stiefelwichskasten, wie sie an<lb/> Straßenecken gebraucht werden, und einen Blecheimer mit Pinsel neben sich<lb/> stehen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_787"> Ja, unsre Kleine ist krank, ich möchte gern die gelben Papiere an unser<lb/> Haus und auch an die Nachbarhäuser kleben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0280]
Bilder in>s dem Westen
einem oder mehrern Exemplaren jeden solchen Osfiecofen belagert. So wie es
hier in diesem primitiven, provisorischen „Office" aussieht — ein neues palast¬
artiges Gesundheitspolizeigcbäude wird erst gebaut —, so sehen nicht nur alle
Büreauanfänge, alle Gründuugsbüreans, so sehen mehr oder weniger alle Ur¬
anfänge neuer Ansiedlung in den Vereinigten Staaten aus. Wo immer über
den Wipfeln des Urwalds, im Felsengebirge oder über dem Horizont der
Prairien dem verirrten Wandrer der lange ersehnte gastliche Rauch eines Schorn¬
steins oder eines Fabrikschlotes winkt, da kann er sicher sein, solch ein Bretter¬
häuschen mit solch einem Ofen zu finden. Wenn es keine Nvtarstube oder
Pvlizeiwachtstube ist, so ist es ein Telegraphenbürean der Western-Uuiouliuie,
und herum sitzen sicherlich die Vertreter von Whisky, Bier und Stiefelwichse,
der Jrländer, der Deutsche und der Neger, der den ersten Barbierladcn gründen
will, auch der Franzose mit Cigarretten und Absinth pflegt nicht fern zu sein,
und auch der spleeuige Engländer kunnde irgendwoher ans, wo etwas gegründet
wird; wer aber ganz eigentlich diesen Ofen gepachtet zu haben scheint und
unbeirrt durch die Gespräche um ihn her schweigend die Ofenbank mit seinem
Federmesser weiter bearbeitet, das ist der Jankee, der da sitzt und lauert und
an den Nägeln^ kaut, bis er den großen Länderspekulatiouscoup fertig hat.
Der Ofen ist hier der Kern, um den herum sich alle Zivilisation entwickelt
hat. Wer sich von Newhork in die Vorstädte Tremont, Westfarms, Westchester
bemühen will, kann dort noch heute den Entwicklungsprozeß der Uranfänge
belauschen, wie er sich vor dreißig bis vierzig Jahren abgespielt hat, und wie
er sich heute noch Tag für Tag in den neue» Niederlassungen des Westens
abspielt.
Der Tag, an dem ich durch die Freundlichkeit des Stadtchemikers, Dr. Hunter,
auf dem Gesundheitsamt eingeführt wurde, war einer jener vereinzelten rauhen
Nachzügler des Winters, wie sie sich hier gegen Ende April, ja zuweilen noch
Anfang Mai öfter zeigen. Der eiserne Ofen war überheizt. Es herrschte eine
Gluthitze im Zimmer, und doch warf einer der beiden Männer im schlichten
dunkelblauen Anzüge, die im Hintergrunde warteten, immer neue Feuerung in
den Höllenschlund. Der Chefarzt des Gesundheitsamts war noch nicht an¬
wesend. Sein Assistent, Dr. Mac Donnell, ein hübscher, frischer und flinker
junger Mann, der gerade mit einigen Impf- und Totenscheinen beschäftigt
war, bat mich, vor dem Schreibtisch des Chefs Platz zu nehmen, während er
die vor dem Ofen sitzenden abfertigte.
Du meldest Diphtheritis, Joe? wandte er sich an den krausköpfiger
Neger auf der Ofenbank, der einen jener kleinen Stiefelwichskasten, wie sie an
Straßenecken gebraucht werden, und einen Blecheimer mit Pinsel neben sich
stehen hatte.
Ja, unsre Kleine ist krank, ich möchte gern die gelben Papiere an unser
Haus und auch an die Nachbarhäuser kleben.
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