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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Weise erschweren wollte? wenn er also z. B. bei einer herrschenden Krank¬
heit ein von den Ärzten empfohlenes Schutzmittel gegen die Krankheit mit
einer Steuer belegte? Alle Welt würde darüber empört sein. Aber ist denn
nicht die Rechtssicherheit auch ein Gut. das der Staat nicht erschweren, sondern
befördern sollte? Sind nicht auch Prozesse eine Krankheit, vor der seine Unter¬
thanen möglichst zu bewahren der Staat die Pflicht hat? Wäre es gerecht¬
fertigt, auf jede Quittung, die sich der Schuldner von seinem Gläubiger
schreiben läßt, einen Stempel zu lege", so könnte der Staat auch ebenso gut
auf jedes Rezept, das sich ein Kranker von seinem Arzte verschreiben läßt,
einen Stempel legen.

Allerdings ist die geplante Steuer im einzelnen gering. Mehr aber als
dnrch ihren Betrag wird die Steuer den Widerwillen der Menschen auf sich
ziehen durch die ständige Belästigung, die sie dem Geschäftsleben auferlegt,
und dadurch, daß jedermann durchfühlt, daß man es hier mit einer ganz un¬
vernünftigen Steuer zu thun hat. In der ungeheuern Mehrzahl der Fälle
ist die Quittung ein totes Papier. Der Empfänger legt sie in seinen Kasten,
"in sie einige Zeit aufzuheben und später zu vernichten. Nur dann, wenn
etwa der Gläubiger nochmals Zahlung fordern sollte, holt man sie wieder
hervor, um sie dein Gläubiger vor Augen zu halten. Fülle dieser Art sind
ober bei der im Geschäftsleben im allgemeinen herrschenden Redlichkeit und
Ordnungsliebe sehr selten. Und nun soll man ein solches Stück Papier, das
ni tausend Fällen gar keine Vedeutnng mehr hat, noch mit einer Steuer
bezahlen?

Wo viele Zahlungen zusammenfließe,!, wird sich die Steuer, trotz ihres
geringen Betrages, doch leicht zu ganz ansehnlichen Summen aufbauscheu.
Man braucht uur z. B. daran zu denken, daß sich auch jede Postsendung
über 20 Mark wegen der der Post zu erteilenden Quittung um 10 Pfennige
verteuert. Nun soll zwar nach dem Gesetze der Aussteller der Quittung für
die Verwendung des Stempels sorgen. Geschäftsleute werden aber durchaus
"icht geneigt sein, den ständigen Verlust durch Zahlung der Steuer auf sich
g" nehmen. Sie werden in jeder zulässigen Form die Steuer auf den Zah¬
lenden zu wälzen suchen. Dieser wird aber anch oft keine Lust habe", die
Steuer zu zahlen. So werden über diesen peinlichen Gegenstand mannigfache
Streitigkeiten entstehen. Und es kann vorkommen, daß die Zahlung einer
Schuld, zu der der Schuldner bereit ist, unterbleibt, bloß weil sich die Be¬
teiligten nicht einigen können, wer den Quittungsstempel zahlen soll, oder auch
weil der Gläubiger eine Stempelmarke für die Quittung nicht zur Hand hat.

Muß der Zählende den Qnittnngsstempel entrichten, so wird er häusig
vorziehen, sich "gar keine Quittung geben zu lassen. Sehr gefährlich ist die
Sache allerdings nicht. Hat der Geschäftsmann den bezahlten Posten in seinen
Büchern aufgethan, so wird es nicht leicht vorkommen, daß er die Forderung


Weise erschweren wollte? wenn er also z. B. bei einer herrschenden Krank¬
heit ein von den Ärzten empfohlenes Schutzmittel gegen die Krankheit mit
einer Steuer belegte? Alle Welt würde darüber empört sein. Aber ist denn
nicht die Rechtssicherheit auch ein Gut. das der Staat nicht erschweren, sondern
befördern sollte? Sind nicht auch Prozesse eine Krankheit, vor der seine Unter¬
thanen möglichst zu bewahren der Staat die Pflicht hat? Wäre es gerecht¬
fertigt, auf jede Quittung, die sich der Schuldner von seinem Gläubiger
schreiben läßt, einen Stempel zu lege», so könnte der Staat auch ebenso gut
auf jedes Rezept, das sich ein Kranker von seinem Arzte verschreiben läßt,
einen Stempel legen.

Allerdings ist die geplante Steuer im einzelnen gering. Mehr aber als
dnrch ihren Betrag wird die Steuer den Widerwillen der Menschen auf sich
ziehen durch die ständige Belästigung, die sie dem Geschäftsleben auferlegt,
und dadurch, daß jedermann durchfühlt, daß man es hier mit einer ganz un¬
vernünftigen Steuer zu thun hat. In der ungeheuern Mehrzahl der Fälle
ist die Quittung ein totes Papier. Der Empfänger legt sie in seinen Kasten,
»in sie einige Zeit aufzuheben und später zu vernichten. Nur dann, wenn
etwa der Gläubiger nochmals Zahlung fordern sollte, holt man sie wieder
hervor, um sie dein Gläubiger vor Augen zu halten. Fülle dieser Art sind
ober bei der im Geschäftsleben im allgemeinen herrschenden Redlichkeit und
Ordnungsliebe sehr selten. Und nun soll man ein solches Stück Papier, das
ni tausend Fällen gar keine Vedeutnng mehr hat, noch mit einer Steuer
bezahlen?

Wo viele Zahlungen zusammenfließe,!, wird sich die Steuer, trotz ihres
geringen Betrages, doch leicht zu ganz ansehnlichen Summen aufbauscheu.
Man braucht uur z. B. daran zu denken, daß sich auch jede Postsendung
über 20 Mark wegen der der Post zu erteilenden Quittung um 10 Pfennige
verteuert. Nun soll zwar nach dem Gesetze der Aussteller der Quittung für
die Verwendung des Stempels sorgen. Geschäftsleute werden aber durchaus
"icht geneigt sein, den ständigen Verlust durch Zahlung der Steuer auf sich
g" nehmen. Sie werden in jeder zulässigen Form die Steuer auf den Zah¬
lenden zu wälzen suchen. Dieser wird aber anch oft keine Lust habe», die
Steuer zu zahlen. So werden über diesen peinlichen Gegenstand mannigfache
Streitigkeiten entstehen. Und es kann vorkommen, daß die Zahlung einer
Schuld, zu der der Schuldner bereit ist, unterbleibt, bloß weil sich die Be¬
teiligten nicht einigen können, wer den Quittungsstempel zahlen soll, oder auch
weil der Gläubiger eine Stempelmarke für die Quittung nicht zur Hand hat.

Muß der Zählende den Qnittnngsstempel entrichten, so wird er häusig
vorziehen, sich "gar keine Quittung geben zu lassen. Sehr gefährlich ist die
Sache allerdings nicht. Hat der Geschäftsmann den bezahlten Posten in seinen
Büchern aufgethan, so wird es nicht leicht vorkommen, daß er die Forderung


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[0507] Weise erschweren wollte? wenn er also z. B. bei einer herrschenden Krank¬ heit ein von den Ärzten empfohlenes Schutzmittel gegen die Krankheit mit einer Steuer belegte? Alle Welt würde darüber empört sein. Aber ist denn nicht die Rechtssicherheit auch ein Gut. das der Staat nicht erschweren, sondern befördern sollte? Sind nicht auch Prozesse eine Krankheit, vor der seine Unter¬ thanen möglichst zu bewahren der Staat die Pflicht hat? Wäre es gerecht¬ fertigt, auf jede Quittung, die sich der Schuldner von seinem Gläubiger schreiben läßt, einen Stempel zu lege», so könnte der Staat auch ebenso gut auf jedes Rezept, das sich ein Kranker von seinem Arzte verschreiben läßt, einen Stempel legen. Allerdings ist die geplante Steuer im einzelnen gering. Mehr aber als dnrch ihren Betrag wird die Steuer den Widerwillen der Menschen auf sich ziehen durch die ständige Belästigung, die sie dem Geschäftsleben auferlegt, und dadurch, daß jedermann durchfühlt, daß man es hier mit einer ganz un¬ vernünftigen Steuer zu thun hat. In der ungeheuern Mehrzahl der Fälle ist die Quittung ein totes Papier. Der Empfänger legt sie in seinen Kasten, »in sie einige Zeit aufzuheben und später zu vernichten. Nur dann, wenn etwa der Gläubiger nochmals Zahlung fordern sollte, holt man sie wieder hervor, um sie dein Gläubiger vor Augen zu halten. Fülle dieser Art sind ober bei der im Geschäftsleben im allgemeinen herrschenden Redlichkeit und Ordnungsliebe sehr selten. Und nun soll man ein solches Stück Papier, das ni tausend Fällen gar keine Vedeutnng mehr hat, noch mit einer Steuer bezahlen? Wo viele Zahlungen zusammenfließe,!, wird sich die Steuer, trotz ihres geringen Betrages, doch leicht zu ganz ansehnlichen Summen aufbauscheu. Man braucht uur z. B. daran zu denken, daß sich auch jede Postsendung über 20 Mark wegen der der Post zu erteilenden Quittung um 10 Pfennige verteuert. Nun soll zwar nach dem Gesetze der Aussteller der Quittung für die Verwendung des Stempels sorgen. Geschäftsleute werden aber durchaus "icht geneigt sein, den ständigen Verlust durch Zahlung der Steuer auf sich g" nehmen. Sie werden in jeder zulässigen Form die Steuer auf den Zah¬ lenden zu wälzen suchen. Dieser wird aber anch oft keine Lust habe», die Steuer zu zahlen. So werden über diesen peinlichen Gegenstand mannigfache Streitigkeiten entstehen. Und es kann vorkommen, daß die Zahlung einer Schuld, zu der der Schuldner bereit ist, unterbleibt, bloß weil sich die Be¬ teiligten nicht einigen können, wer den Quittungsstempel zahlen soll, oder auch weil der Gläubiger eine Stempelmarke für die Quittung nicht zur Hand hat. Muß der Zählende den Qnittnngsstempel entrichten, so wird er häusig vorziehen, sich "gar keine Quittung geben zu lassen. Sehr gefährlich ist die Sache allerdings nicht. Hat der Geschäftsmann den bezahlten Posten in seinen Büchern aufgethan, so wird es nicht leicht vorkommen, daß er die Forderung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/507>, abgerufen am 15.06.2024.