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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Die (iZnittmigsstener

noch einmal erhebt. Geschähe es aber doch, dann wäre freilich das Unglück
da. Der Schuldner müßte noch einmal bezahlen, oder es käme zu einem
Prozeß mit seinen unabsehbaren Folgen. Darauf min, daß dieses Unglück
öfters eintrete, muß der Staat spekuliren, wenn er seine Qnittuugssteuer
durchzuführen gedenkt. Nimmt damit aber wohl der Staat eine seiner würdige
Stellung ein?

Muß der Zahluugsempfäuger den Quittungsstempel entrichten, so wird
er häufig vorziehen, ohne Stempel zu quittiren. Auch hierbei ist die Gefahr
nicht groß. Fordert er nicht etwa den Posten nochmals ein, so kann man
tausend gegen eins wette", daß die Quittung niemals wieder ans Tageslicht
kommt. Allerdings unterliegt der Quittungsaussteller folgender Gefahr. Der
Quittungsempfänger kann nachträglich für sich den Stempel darauf kleben,
und dann den Aussteller wegen unterlassener Stempelverwendnng zur Anzeige
bringen. Denn anch in diesem Falle soll der Aussteller, trotzdem, daß der
Empfänger nachträglich den Stempel verwendet hat, noch gestraft werden.
Auch auf ein solches Dennnziationswesen muß also der Staat spekuliren, wenn
er ans Durchführung seines Gesetzes rechnen will. Schön ist auch das nicht
gerade zu nennen.

Es ist natürlich, daß der Staat, wenn er eine derartige Steuer auslegt,
in der Voraussicht, daß sich ihr die Menschen auf jede Weise zu entziehen
suchen werden, alle möglichen Kautelen trifft, um Umgehungen des Gesetzes
zu verhindern. Dies hat der Entwurf in § 26 s. unternommen, indem er dort
aufzählt, was alles als Quittung gelten soll. Damit ist aber ein weites Ge¬
biet höchst zweifelhafter Fülle eröffnet. Auch hierüber wird es zu den leidigsten
Streitigkeiten und Prozessen kommen. Selbst dem ordentlichsten Geschäftsmann
kann es begegnen, daß in irgend einem von ihm ausgestellten Schriftstücke, das
ein eifriger fiskalischer Beamter zufällig zu Gesicht bekommt, eine unverstem-
pelte "Quittung" entdeckt wird, und daß er dann vor Gericht gestellt und
gestraft wird. Geringe Geschäftsleute werden auch leicht darüber zu Falle
kommen, daß sie die nach § 29et des Entwurfs vorzuschreibenden Formalitäten
für Kassiruug der Stempel uicht zu wahren verstehen.

Nun sagt man freilich: die Kosten der Heeresverwaltuug müssen doch
durch neue Steuern gedeckt werden. Woher diese neue Steuern nehme"?
Gewiß müsse" jene Kohle" gedeckt, und es muß auch das deutsche Reich auf
eine selbständige finanzielle Grundlage gestellt werden. Sind wir denn aber
schon so weit heruntergekommen, daß wir eine so häßliche Steuer, wie diese
Quittuugsstener, ans uns nehmen müßten? Ich will hier etwas ausspreche",
was Unzählige denken, aber kaum jema"d anszuspreche" wagt. Der richtigste
Gegenstand der Besteuerung zur Deckung der vermehrten Ausgaben des Reichs
wäre -- das Bier. Es ist el" Schicksal gewesen, daß bei den letzten Reichs¬
tagsverhandlungen der Reichskanzler, gedrängt dnrch einige unsrer Volksmänner


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noch einmal erhebt. Geschähe es aber doch, dann wäre freilich das Unglück
da. Der Schuldner müßte noch einmal bezahlen, oder es käme zu einem
Prozeß mit seinen unabsehbaren Folgen. Darauf min, daß dieses Unglück
öfters eintrete, muß der Staat spekuliren, wenn er seine Qnittuugssteuer
durchzuführen gedenkt. Nimmt damit aber wohl der Staat eine seiner würdige
Stellung ein?

Muß der Zahluugsempfäuger den Quittungsstempel entrichten, so wird
er häufig vorziehen, ohne Stempel zu quittiren. Auch hierbei ist die Gefahr
nicht groß. Fordert er nicht etwa den Posten nochmals ein, so kann man
tausend gegen eins wette», daß die Quittung niemals wieder ans Tageslicht
kommt. Allerdings unterliegt der Quittungsaussteller folgender Gefahr. Der
Quittungsempfänger kann nachträglich für sich den Stempel darauf kleben,
und dann den Aussteller wegen unterlassener Stempelverwendnng zur Anzeige
bringen. Denn anch in diesem Falle soll der Aussteller, trotzdem, daß der
Empfänger nachträglich den Stempel verwendet hat, noch gestraft werden.
Auch auf ein solches Dennnziationswesen muß also der Staat spekuliren, wenn
er ans Durchführung seines Gesetzes rechnen will. Schön ist auch das nicht
gerade zu nennen.

Es ist natürlich, daß der Staat, wenn er eine derartige Steuer auslegt,
in der Voraussicht, daß sich ihr die Menschen auf jede Weise zu entziehen
suchen werden, alle möglichen Kautelen trifft, um Umgehungen des Gesetzes
zu verhindern. Dies hat der Entwurf in § 26 s. unternommen, indem er dort
aufzählt, was alles als Quittung gelten soll. Damit ist aber ein weites Ge¬
biet höchst zweifelhafter Fülle eröffnet. Auch hierüber wird es zu den leidigsten
Streitigkeiten und Prozessen kommen. Selbst dem ordentlichsten Geschäftsmann
kann es begegnen, daß in irgend einem von ihm ausgestellten Schriftstücke, das
ein eifriger fiskalischer Beamter zufällig zu Gesicht bekommt, eine unverstem-
pelte „Quittung" entdeckt wird, und daß er dann vor Gericht gestellt und
gestraft wird. Geringe Geschäftsleute werden auch leicht darüber zu Falle
kommen, daß sie die nach § 29et des Entwurfs vorzuschreibenden Formalitäten
für Kassiruug der Stempel uicht zu wahren verstehen.

Nun sagt man freilich: die Kosten der Heeresverwaltuug müssen doch
durch neue Steuern gedeckt werden. Woher diese neue Steuern nehme»?
Gewiß müsse» jene Kohle» gedeckt, und es muß auch das deutsche Reich auf
eine selbständige finanzielle Grundlage gestellt werden. Sind wir denn aber
schon so weit heruntergekommen, daß wir eine so häßliche Steuer, wie diese
Quittuugsstener, ans uns nehmen müßten? Ich will hier etwas ausspreche»,
was Unzählige denken, aber kaum jema»d anszuspreche» wagt. Der richtigste
Gegenstand der Besteuerung zur Deckung der vermehrten Ausgaben des Reichs
wäre — das Bier. Es ist el» Schicksal gewesen, daß bei den letzten Reichs¬
tagsverhandlungen der Reichskanzler, gedrängt dnrch einige unsrer Volksmänner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/508>, abgerufen am 22.05.2024.