Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Hans Sachs und sein Kätzchen

poetische Selbstbiographie, die zwar schon im Jahre 1568 geschrieben, aber
damals (1576) eben erst im Druck erschienen war. Sie hatte dem Maler so
sehr gefallen, daß er sie sich dringend zu dem angedeuteten Zweck zum Geschenk
erbat. Hocherfreut über die Gewährung dieser Bitte, hat dann Herneisen,
wie er in seinem Spruch (Danksagung des Malers für das Valete) berichtet,
den greisen Dichter gemalt in einem Bilde, das dieser selbst sehr ähnlich fand.

Weiter heißt es:

Das dritte von Herneisen herrührende Bild des Nürnberger Meister¬
sängers ist nun das, von dem hier eine etwas ausführlichere Nachricht gegeben
werden soll. Wie schon bemerkt, ist es das einzige von den drei Hans-Sachs¬
bildnissen des Künstlers, das sich noch heute bestimmt nachweisen läßt, ja mut¬
maßlich das einzige Originalporträt überhaupt, das sich von ihm erhalten hat.
Schon dies wird eine eingehendere Besprechung rechtfertigen. Aber es ist auch
unstreitig das merkwürdigste von allen bisher bekannt gewordnen Bildnissen
des Dichters, mit dem sich kein andres vergleichen kann, weder von denen, die
in den jetzt so beliebten illustrirten Litteraturgeschichten begegnen, noch von
denen, die bei Gelegenheit seines dreihundertjührigen Geburtstags in den ver-
schiednen Zeitschriften nachgedruckt worden sind. Denn es bietet uns nicht nur ein
gleichzeitiges authentisches Bildnis des Nürnberger Dichters, sondern es giebt
uns auch eine lebendige Anschauung von der Häuslichkeit, in der er lebte.
Vor allem erfreut es durch seine naiv-kindliche Auffassung: es stellt uns nämlich
den Dichter zusammen mit dem ihn konterfeienden Künstler in einer eigen¬
tümlich gemütlichen Situation vor Augen. Dennoch hat es bisher so gut wie
gar keine Beachtung gefunden. Meines Wissens hat seiner nur Schönemann
in seinen "Dreihundert Merkwürdigkeiten der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfen-
büttel"*) gedacht, ihm aber nicht mehr als drei Zeilen gewidmet, denn die



*) Ur. 96.
Hans Sachs und sein Kätzchen

poetische Selbstbiographie, die zwar schon im Jahre 1568 geschrieben, aber
damals (1576) eben erst im Druck erschienen war. Sie hatte dem Maler so
sehr gefallen, daß er sie sich dringend zu dem angedeuteten Zweck zum Geschenk
erbat. Hocherfreut über die Gewährung dieser Bitte, hat dann Herneisen,
wie er in seinem Spruch (Danksagung des Malers für das Valete) berichtet,
den greisen Dichter gemalt in einem Bilde, das dieser selbst sehr ähnlich fand.

Weiter heißt es:

Das dritte von Herneisen herrührende Bild des Nürnberger Meister¬
sängers ist nun das, von dem hier eine etwas ausführlichere Nachricht gegeben
werden soll. Wie schon bemerkt, ist es das einzige von den drei Hans-Sachs¬
bildnissen des Künstlers, das sich noch heute bestimmt nachweisen läßt, ja mut¬
maßlich das einzige Originalporträt überhaupt, das sich von ihm erhalten hat.
Schon dies wird eine eingehendere Besprechung rechtfertigen. Aber es ist auch
unstreitig das merkwürdigste von allen bisher bekannt gewordnen Bildnissen
des Dichters, mit dem sich kein andres vergleichen kann, weder von denen, die
in den jetzt so beliebten illustrirten Litteraturgeschichten begegnen, noch von
denen, die bei Gelegenheit seines dreihundertjührigen Geburtstags in den ver-
schiednen Zeitschriften nachgedruckt worden sind. Denn es bietet uns nicht nur ein
gleichzeitiges authentisches Bildnis des Nürnberger Dichters, sondern es giebt
uns auch eine lebendige Anschauung von der Häuslichkeit, in der er lebte.
Vor allem erfreut es durch seine naiv-kindliche Auffassung: es stellt uns nämlich
den Dichter zusammen mit dem ihn konterfeienden Künstler in einer eigen¬
tümlich gemütlichen Situation vor Augen. Dennoch hat es bisher so gut wie
gar keine Beachtung gefunden. Meines Wissens hat seiner nur Schönemann
in seinen „Dreihundert Merkwürdigkeiten der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfen-
büttel"*) gedacht, ihm aber nicht mehr als drei Zeilen gewidmet, denn die



*) Ur. 96.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219180"/>
          <fw type="header" place="top"> Hans Sachs und sein Kätzchen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_506" prev="#ID_505" next="#ID_507"> poetische Selbstbiographie, die zwar schon im Jahre 1568 geschrieben, aber<lb/>
damals (1576) eben erst im Druck erschienen war. Sie hatte dem Maler so<lb/>
sehr gefallen, daß er sie sich dringend zu dem angedeuteten Zweck zum Geschenk<lb/>
erbat. Hocherfreut über die Gewährung dieser Bitte, hat dann Herneisen,<lb/>
wie er in seinem Spruch (Danksagung des Malers für das Valete) berichtet,<lb/>
den greisen Dichter gemalt in einem Bilde, das dieser selbst sehr ähnlich fand.</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_2" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_507" prev="#ID_506"> Weiter heißt es:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_3" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_508" next="#ID_509"> Das dritte von Herneisen herrührende Bild des Nürnberger Meister¬<lb/>
sängers ist nun das, von dem hier eine etwas ausführlichere Nachricht gegeben<lb/>
werden soll. Wie schon bemerkt, ist es das einzige von den drei Hans-Sachs¬<lb/>
bildnissen des Künstlers, das sich noch heute bestimmt nachweisen läßt, ja mut¬<lb/>
maßlich das einzige Originalporträt überhaupt, das sich von ihm erhalten hat.<lb/>
Schon dies wird eine eingehendere Besprechung rechtfertigen. Aber es ist auch<lb/>
unstreitig das merkwürdigste von allen bisher bekannt gewordnen Bildnissen<lb/>
des Dichters, mit dem sich kein andres vergleichen kann, weder von denen, die<lb/>
in den jetzt so beliebten illustrirten Litteraturgeschichten begegnen, noch von<lb/>
denen, die bei Gelegenheit seines dreihundertjührigen Geburtstags in den ver-<lb/>
schiednen Zeitschriften nachgedruckt worden sind. Denn es bietet uns nicht nur ein<lb/>
gleichzeitiges authentisches Bildnis des Nürnberger Dichters, sondern es giebt<lb/>
uns auch eine lebendige Anschauung von der Häuslichkeit, in der er lebte.<lb/>
Vor allem erfreut es durch seine naiv-kindliche Auffassung: es stellt uns nämlich<lb/>
den Dichter zusammen mit dem ihn konterfeienden Künstler in einer eigen¬<lb/>
tümlich gemütlichen Situation vor Augen. Dennoch hat es bisher so gut wie<lb/>
gar keine Beachtung gefunden. Meines Wissens hat seiner nur Schönemann<lb/>
in seinen &#x201E;Dreihundert Merkwürdigkeiten der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfen-<lb/>
büttel"*) gedacht, ihm aber nicht mehr als drei Zeilen gewidmet, denn die</p><lb/>
          <note xml:id="FID_26" place="foot"> *) Ur. 96.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0178] Hans Sachs und sein Kätzchen poetische Selbstbiographie, die zwar schon im Jahre 1568 geschrieben, aber damals (1576) eben erst im Druck erschienen war. Sie hatte dem Maler so sehr gefallen, daß er sie sich dringend zu dem angedeuteten Zweck zum Geschenk erbat. Hocherfreut über die Gewährung dieser Bitte, hat dann Herneisen, wie er in seinem Spruch (Danksagung des Malers für das Valete) berichtet, den greisen Dichter gemalt in einem Bilde, das dieser selbst sehr ähnlich fand. Weiter heißt es: Das dritte von Herneisen herrührende Bild des Nürnberger Meister¬ sängers ist nun das, von dem hier eine etwas ausführlichere Nachricht gegeben werden soll. Wie schon bemerkt, ist es das einzige von den drei Hans-Sachs¬ bildnissen des Künstlers, das sich noch heute bestimmt nachweisen läßt, ja mut¬ maßlich das einzige Originalporträt überhaupt, das sich von ihm erhalten hat. Schon dies wird eine eingehendere Besprechung rechtfertigen. Aber es ist auch unstreitig das merkwürdigste von allen bisher bekannt gewordnen Bildnissen des Dichters, mit dem sich kein andres vergleichen kann, weder von denen, die in den jetzt so beliebten illustrirten Litteraturgeschichten begegnen, noch von denen, die bei Gelegenheit seines dreihundertjührigen Geburtstags in den ver- schiednen Zeitschriften nachgedruckt worden sind. Denn es bietet uns nicht nur ein gleichzeitiges authentisches Bildnis des Nürnberger Dichters, sondern es giebt uns auch eine lebendige Anschauung von der Häuslichkeit, in der er lebte. Vor allem erfreut es durch seine naiv-kindliche Auffassung: es stellt uns nämlich den Dichter zusammen mit dem ihn konterfeienden Künstler in einer eigen¬ tümlich gemütlichen Situation vor Augen. Dennoch hat es bisher so gut wie gar keine Beachtung gefunden. Meines Wissens hat seiner nur Schönemann in seinen „Dreihundert Merkwürdigkeiten der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfen- büttel"*) gedacht, ihm aber nicht mehr als drei Zeilen gewidmet, denn die *) Ur. 96.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/178
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/178>, abgerufen am 28.05.2024.