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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Zur Würdigung der gegeuwcirtigeu Kuustbestrebungeu

Sigm Dreizack auf der Schulter, aber der Dreizack allem macht es doch nicht!
Von dem übrigen will ich gar nicht reden.

Fragt man sich schließlich, was denn Herrn Begns eigentlich bewogen haben
mag, seine "Aphorismen" der Öffentlichkeit zu übergeben, so wird man den
Grund wohl in ihnen selbst zu suchen haben, zwar nicht in den Teilen, wo
sie von künstlerischen Dingen sprechen, denn da ist allzuviel Widerspruch,
Verwirrung und Oberflächlichkeit, als daß man annehmen könnte, der Drang,
solche Unzulänglichkeiten der Welt darzubieten, sei unwiderstehlich gewesen,
wohl aber in den Teilen, wo des Verfassers Person mitspielt. Das sind die
Stellen, wo er von den Kritikern und von den Kommissionen spricht.

Die Kritiker, d. h. natürlich die, die nicht unbedingte Bewundrer der
Begasschen Arbeiten sind, kommen schlecht weg; freilich wird ihnen nur wieder
das alte, abgedrvschne Lied vorgepfiffen, daß eigentlich doch nur der Künstler
ein Kunstwerk zu beurteilen verstehe. Aber Herr Vegas legt doch ein neues,
heiteres Sätzche" ein. Er vergleicht die Kunst mit dem Nennsport und meint:
"Auf einem Rennplatz würde derjenige, welcher den Männern des Sports einen
Nortrag hielte über den Sitz zu Pferde, Haltung der Zügel u. s. w., selbst
aber in seinem Leben höchstens einen Eselsritt mitgemacht hat, verlacht oder
ignorirt werden, während die bescheidnen Künstler um die Gunst dieser Herren
buhlen." Ich habe diese "Eselreiter," d. h. die Kunstkritiker hier nicht zu ver¬
teidigen, aber der Einfall, die Kunst mit dem Sport, die Kimstlcrwerkstütte
mit dem Rennplätze zu vergleichen, verdient ein Wort der Huldigung. In der
That sehr geistreich! Wenn ein Künstler von der Kunst nicht höher denkt,
als wie vom Nennplatz und Sport, wenn er nur an seine Stellung vor dem
Mvdcllirstuhle, an die Haltung des Modellirsteckens denkt und seine Ziele nur
in der Bethätigung einer sportmäßigen Geschicklichkeit, in der Befriedigung
sinnlichen Augengenusses sucht, so wird man schnell über ihn zur Tagesordnung
übergehen dürfen. Oder ist es nur eine Verirrung wider besseres Wissen, aus
gekränkten Künstlerstolz, wegen einiger dem Verfasser mißliebigen Beurteilungen
seiner Arbeiten?

Wenn es aber schon dem Kritiker so ergeht, so kommen die armen Kom¬
missionen erst recht schlecht weg. Soll ein Denkmal errichtet werden, so
"nimmt man es in Deutschland mit dem Weiterleben (des großen Mannes)
nicht so genau. Da ist die Hauptsache, daß ein Komitee sich entschließt n. s. w."
In solchen Komitees oder Kommissionen "findet mitunter auch der Neid seinen
Platz." Hauptsächlich aber siud solche Ausschüsse "mit Männern ans allen
möglichen Berufszweigen besetzt, und der Geschmack dieser bunt zusammen¬
gewürfelten Menge schreibt den Künstlern die Wege vor, die sie gehen sollen.
Schon oft haben bedeutende Künstler es erklärt, daß ihre Entwürfe als Hengste
in die Kommissionsställe gingen und als Walache wieder herauskamen." Herr
Begas hat gewisse Kommissionen im Sinne, die an seinen Entwürfen nicht


Zur Würdigung der gegeuwcirtigeu Kuustbestrebungeu

Sigm Dreizack auf der Schulter, aber der Dreizack allem macht es doch nicht!
Von dem übrigen will ich gar nicht reden.

Fragt man sich schließlich, was denn Herrn Begns eigentlich bewogen haben
mag, seine „Aphorismen" der Öffentlichkeit zu übergeben, so wird man den
Grund wohl in ihnen selbst zu suchen haben, zwar nicht in den Teilen, wo
sie von künstlerischen Dingen sprechen, denn da ist allzuviel Widerspruch,
Verwirrung und Oberflächlichkeit, als daß man annehmen könnte, der Drang,
solche Unzulänglichkeiten der Welt darzubieten, sei unwiderstehlich gewesen,
wohl aber in den Teilen, wo des Verfassers Person mitspielt. Das sind die
Stellen, wo er von den Kritikern und von den Kommissionen spricht.

Die Kritiker, d. h. natürlich die, die nicht unbedingte Bewundrer der
Begasschen Arbeiten sind, kommen schlecht weg; freilich wird ihnen nur wieder
das alte, abgedrvschne Lied vorgepfiffen, daß eigentlich doch nur der Künstler
ein Kunstwerk zu beurteilen verstehe. Aber Herr Vegas legt doch ein neues,
heiteres Sätzche» ein. Er vergleicht die Kunst mit dem Nennsport und meint:
„Auf einem Rennplatz würde derjenige, welcher den Männern des Sports einen
Nortrag hielte über den Sitz zu Pferde, Haltung der Zügel u. s. w., selbst
aber in seinem Leben höchstens einen Eselsritt mitgemacht hat, verlacht oder
ignorirt werden, während die bescheidnen Künstler um die Gunst dieser Herren
buhlen." Ich habe diese „Eselreiter," d. h. die Kunstkritiker hier nicht zu ver¬
teidigen, aber der Einfall, die Kunst mit dem Sport, die Kimstlcrwerkstütte
mit dem Rennplätze zu vergleichen, verdient ein Wort der Huldigung. In der
That sehr geistreich! Wenn ein Künstler von der Kunst nicht höher denkt,
als wie vom Nennplatz und Sport, wenn er nur an seine Stellung vor dem
Mvdcllirstuhle, an die Haltung des Modellirsteckens denkt und seine Ziele nur
in der Bethätigung einer sportmäßigen Geschicklichkeit, in der Befriedigung
sinnlichen Augengenusses sucht, so wird man schnell über ihn zur Tagesordnung
übergehen dürfen. Oder ist es nur eine Verirrung wider besseres Wissen, aus
gekränkten Künstlerstolz, wegen einiger dem Verfasser mißliebigen Beurteilungen
seiner Arbeiten?

Wenn es aber schon dem Kritiker so ergeht, so kommen die armen Kom¬
missionen erst recht schlecht weg. Soll ein Denkmal errichtet werden, so
„nimmt man es in Deutschland mit dem Weiterleben (des großen Mannes)
nicht so genau. Da ist die Hauptsache, daß ein Komitee sich entschließt n. s. w."
In solchen Komitees oder Kommissionen „findet mitunter auch der Neid seinen
Platz." Hauptsächlich aber siud solche Ausschüsse „mit Männern ans allen
möglichen Berufszweigen besetzt, und der Geschmack dieser bunt zusammen¬
gewürfelten Menge schreibt den Künstlern die Wege vor, die sie gehen sollen.
Schon oft haben bedeutende Künstler es erklärt, daß ihre Entwürfe als Hengste
in die Kommissionsställe gingen und als Walache wieder herauskamen." Herr
Begas hat gewisse Kommissionen im Sinne, die an seinen Entwürfen nicht


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[0189] Zur Würdigung der gegeuwcirtigeu Kuustbestrebungeu Sigm Dreizack auf der Schulter, aber der Dreizack allem macht es doch nicht! Von dem übrigen will ich gar nicht reden. Fragt man sich schließlich, was denn Herrn Begns eigentlich bewogen haben mag, seine „Aphorismen" der Öffentlichkeit zu übergeben, so wird man den Grund wohl in ihnen selbst zu suchen haben, zwar nicht in den Teilen, wo sie von künstlerischen Dingen sprechen, denn da ist allzuviel Widerspruch, Verwirrung und Oberflächlichkeit, als daß man annehmen könnte, der Drang, solche Unzulänglichkeiten der Welt darzubieten, sei unwiderstehlich gewesen, wohl aber in den Teilen, wo des Verfassers Person mitspielt. Das sind die Stellen, wo er von den Kritikern und von den Kommissionen spricht. Die Kritiker, d. h. natürlich die, die nicht unbedingte Bewundrer der Begasschen Arbeiten sind, kommen schlecht weg; freilich wird ihnen nur wieder das alte, abgedrvschne Lied vorgepfiffen, daß eigentlich doch nur der Künstler ein Kunstwerk zu beurteilen verstehe. Aber Herr Vegas legt doch ein neues, heiteres Sätzche» ein. Er vergleicht die Kunst mit dem Nennsport und meint: „Auf einem Rennplatz würde derjenige, welcher den Männern des Sports einen Nortrag hielte über den Sitz zu Pferde, Haltung der Zügel u. s. w., selbst aber in seinem Leben höchstens einen Eselsritt mitgemacht hat, verlacht oder ignorirt werden, während die bescheidnen Künstler um die Gunst dieser Herren buhlen." Ich habe diese „Eselreiter," d. h. die Kunstkritiker hier nicht zu ver¬ teidigen, aber der Einfall, die Kunst mit dem Sport, die Kimstlcrwerkstütte mit dem Rennplätze zu vergleichen, verdient ein Wort der Huldigung. In der That sehr geistreich! Wenn ein Künstler von der Kunst nicht höher denkt, als wie vom Nennplatz und Sport, wenn er nur an seine Stellung vor dem Mvdcllirstuhle, an die Haltung des Modellirsteckens denkt und seine Ziele nur in der Bethätigung einer sportmäßigen Geschicklichkeit, in der Befriedigung sinnlichen Augengenusses sucht, so wird man schnell über ihn zur Tagesordnung übergehen dürfen. Oder ist es nur eine Verirrung wider besseres Wissen, aus gekränkten Künstlerstolz, wegen einiger dem Verfasser mißliebigen Beurteilungen seiner Arbeiten? Wenn es aber schon dem Kritiker so ergeht, so kommen die armen Kom¬ missionen erst recht schlecht weg. Soll ein Denkmal errichtet werden, so „nimmt man es in Deutschland mit dem Weiterleben (des großen Mannes) nicht so genau. Da ist die Hauptsache, daß ein Komitee sich entschließt n. s. w." In solchen Komitees oder Kommissionen „findet mitunter auch der Neid seinen Platz." Hauptsächlich aber siud solche Ausschüsse „mit Männern ans allen möglichen Berufszweigen besetzt, und der Geschmack dieser bunt zusammen¬ gewürfelten Menge schreibt den Künstlern die Wege vor, die sie gehen sollen. Schon oft haben bedeutende Künstler es erklärt, daß ihre Entwürfe als Hengste in die Kommissionsställe gingen und als Walache wieder herauskamen." Herr Begas hat gewisse Kommissionen im Sinne, die an seinen Entwürfen nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/189>, abgerufen am 12.05.2024.