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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die offiziöse Presse

reichen, endlich aber auch, daß man schon sehr tief schneiden muß, wenn es
gelingen soll, ihre Auswüchse wirklich zu beseitigen.

Die offiziöse Presse hat nun die Aufgabe, die öffentliche Meinung über
die Absichten der Regierung aufzuklären und diese Absichten zu verteidigen.
Was sonst noch mit unterläuft an Angriffen, Unterstellungen, Schiebungen (?),
geschieht in den allermeisten Fällen ohne unmittelbares Zuthun maßgebender
Kreise der Regierung. Viel wichtiger als die ganze Stimmungsmachcrci aber
wäre es, wenn die Hauptaufgabe der offiziösen Presse in einem Anfklärnugs-
und Benachrichtigungsdienst bestünde, also vor allem darin, falschen Angaben
über Absichten oder Handlungen der Regierung unmittelbar nach deren Ent¬
stehung entgegenzutreten. Greifen wir auf eines der jüngsten Ereignisse zurück.
Seit Wochen wurde in der Presse aller liberalen Parteien die Ansicht ver¬
treten, die für das neue Neichstagsgebäude geplante Inschrift "Dem deutschen
Volke," die allerdings nicht sehr "ach politischer Weisheit schmeckt, sei auf
den Einspruch des Kaisers weggelassen worden, und wie es heute nun einmal
Sitte ist, aus den Mücken politischer Verstimmung Elefanten von nahezu re¬
volutionärer Unzufriedenheit zu machen, so wurde denu auch dieser Einspruch
in allen Tonarten als ein neues Anzeichen von Cäsarismus hingestellt. Las
denn niemand in dem offiziösen Preßbüreau des preußischen Ministeriums
des Innern diese spöttischen und höhnischen Bemerkungen, und fiel es keinem
der Litteraten dieses Bureaus auf, daß es sich hier um eine Angelegenheit
handelte, die der schleunigsten Aufklärung bedürfte, wenn nicht viel Schaden
angerichtet werden sollte? Statt dessen ließ man die Nachricht ruhig weiter
tragen, hörte alle Schlußfolgerungen still mit an und überließ es dem Kaiser
selbst, eine Berichtigung zu geben, die, so dankenswert sie auch jetzt uoch war,
doch die durch jene Gerüchte hervorgerufenen Verstimmungen nicht mehr zu
beseitigen vermochte.

Die offiziöse Journalistik, als die wir allein die von den Mitgliedern
des amtliche" litterarischen oder Preßbüreans ausgeübte Preßthätigkeit ver¬
standen wissen möchten, hat unsers Trachtens in erster Linie die Aufgabe,
falsche Angaben der Presse über die Thätigkeit oder die Absichten der Re¬
gierung unmittelbar nach dem Auftauchen festzustellen, sie nnfzuklären und zu
berichtigen und die Berichtigungen unmittelbar den Blättern zur Veröffent¬
lichung zuzuschicken, die die falsche Nachricht gebracht haben. Außerdem müßte
dieselbe Berichtigung von dem amtlichen Organ des Preßbüreans, das sämt¬
lichen Zeitungen aller Parteien unentgeltlich zuzustellen wäre, mir der Be¬
merkung gebracht werden: "Die X-Zeitung veröffentlicht folgende Berichtigung."
Die Aufnahme der Berichtigung wäre von den betreffenden Blättern auf Grund
des Preßgesetzes zu erzwingen und müßte in wichtigen Fällen sogar tele¬
graphisch vermittelt werden; denn je schneller die Berichtigung erfolgt, um
so besser verhindert sie die Weiterverbreitung der falschen Nachricht.


Die offiziöse Presse

reichen, endlich aber auch, daß man schon sehr tief schneiden muß, wenn es
gelingen soll, ihre Auswüchse wirklich zu beseitigen.

Die offiziöse Presse hat nun die Aufgabe, die öffentliche Meinung über
die Absichten der Regierung aufzuklären und diese Absichten zu verteidigen.
Was sonst noch mit unterläuft an Angriffen, Unterstellungen, Schiebungen (?),
geschieht in den allermeisten Fällen ohne unmittelbares Zuthun maßgebender
Kreise der Regierung. Viel wichtiger als die ganze Stimmungsmachcrci aber
wäre es, wenn die Hauptaufgabe der offiziösen Presse in einem Anfklärnugs-
und Benachrichtigungsdienst bestünde, also vor allem darin, falschen Angaben
über Absichten oder Handlungen der Regierung unmittelbar nach deren Ent¬
stehung entgegenzutreten. Greifen wir auf eines der jüngsten Ereignisse zurück.
Seit Wochen wurde in der Presse aller liberalen Parteien die Ansicht ver¬
treten, die für das neue Neichstagsgebäude geplante Inschrift „Dem deutschen
Volke," die allerdings nicht sehr »ach politischer Weisheit schmeckt, sei auf
den Einspruch des Kaisers weggelassen worden, und wie es heute nun einmal
Sitte ist, aus den Mücken politischer Verstimmung Elefanten von nahezu re¬
volutionärer Unzufriedenheit zu machen, so wurde denu auch dieser Einspruch
in allen Tonarten als ein neues Anzeichen von Cäsarismus hingestellt. Las
denn niemand in dem offiziösen Preßbüreau des preußischen Ministeriums
des Innern diese spöttischen und höhnischen Bemerkungen, und fiel es keinem
der Litteraten dieses Bureaus auf, daß es sich hier um eine Angelegenheit
handelte, die der schleunigsten Aufklärung bedürfte, wenn nicht viel Schaden
angerichtet werden sollte? Statt dessen ließ man die Nachricht ruhig weiter
tragen, hörte alle Schlußfolgerungen still mit an und überließ es dem Kaiser
selbst, eine Berichtigung zu geben, die, so dankenswert sie auch jetzt uoch war,
doch die durch jene Gerüchte hervorgerufenen Verstimmungen nicht mehr zu
beseitigen vermochte.

Die offiziöse Journalistik, als die wir allein die von den Mitgliedern
des amtliche» litterarischen oder Preßbüreans ausgeübte Preßthätigkeit ver¬
standen wissen möchten, hat unsers Trachtens in erster Linie die Aufgabe,
falsche Angaben der Presse über die Thätigkeit oder die Absichten der Re¬
gierung unmittelbar nach dem Auftauchen festzustellen, sie nnfzuklären und zu
berichtigen und die Berichtigungen unmittelbar den Blättern zur Veröffent¬
lichung zuzuschicken, die die falsche Nachricht gebracht haben. Außerdem müßte
dieselbe Berichtigung von dem amtlichen Organ des Preßbüreans, das sämt¬
lichen Zeitungen aller Parteien unentgeltlich zuzustellen wäre, mir der Be¬
merkung gebracht werden: „Die X-Zeitung veröffentlicht folgende Berichtigung."
Die Aufnahme der Berichtigung wäre von den betreffenden Blättern auf Grund
des Preßgesetzes zu erzwingen und müßte in wichtigen Fällen sogar tele¬
graphisch vermittelt werden; denn je schneller die Berichtigung erfolgt, um
so besser verhindert sie die Weiterverbreitung der falschen Nachricht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/204>, abgerufen am 17.06.2024.