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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die offiziöse Presse

Von diesem Berichtigungsverfahren versprechen wir uns mancherlei Vor¬
teile. Erstens würden ihm gegenüber die Zeitungen in der Wiedergabe von
Gerüchten, die lediglich Vermutungen zur Voraussetzung haben, vorsichtiger
und zurückhaltender werden; sodann würde dadurch deu Blättern, die sich ge¬
wohnheitsmäßig aus die Erfindung und Verbreitung von Nachrichten legen,
die der Regierung Unannehmlichkeiten zu machen geeignet sind, dadurch das
Handwerk gelegt werden, und endlich empfinge dadurch derselbe Leserkreis die
Aufklärung und Berichtigung, der vorher durch die falsche Nachricht verwirrt
worden ist, während jetzt Blätter, die von ihrem Parteistandpunkte aus jede
Nachricht mit Vergnügen bringen, die der Regierung und ihren Absichten un-
bequem zu sein verspricht, die Berichtigungen, wenn diese dann endlich er¬
scheinen, entweder gar nicht oder doch nur in einer Form bringen, daß sie
selbst dadurch kaum getroffen scheinen. Das soll kein" Beschränkung der Pre߬
freiheit sein, im Gegenteil, je mehr wir für volle Preßfreiheit sind, desto mehr
möchten wir auch, daß sich die Presse der Freiheit würdig erwiese, das heißt,
daß die Freiheit ans Wahrhaftigkeit beruhte.

Weiter aber müßte das von dem Preßbüreau herausgegebne Organ -- und
zwar außer dem "Reichs- und Preußischen Staatsanzeiger" ein einziges für
alle maßgebenden Stellen der Reichs- und ein einziges für alle der Landes¬
regierung -- nicht nur, wie es jetzt die "Berliner Korrespondenz" thut, Per¬
sonalien, gesetzgeberische, statistische und dergleichen Mitteilungen bringen,
sondern es müßte zuerst über wichtige Gesetzentwürfe, über neue Etatsforde-
rungeu, über wirtschaftliche Pläne der Regierung, kurz über alle von der
Regierung ins Auge gefaßten Maßnahmen kurze, klar und rein fachlich ge¬
haltene Aufsätze bringen, und dann erst, getrennt davon, müßte das Organ
der Regierung die Beweggründe und Zwecke, von denen sich die Regierung
dabei hat leiten lassen, und die vermeintlichen Vorzüge der geplanten Ma߬
regel ebenfalls knapp und klar auseinandersetzen. Was jetzt die "Berliner
Korrespondenz" leistet, ist so sehr darauf berechnet, langweilig zu sein, daß mir
weniges von dem Gebrachten von den Zeitungen benutzt wird und benutzt
werden kann. Sachlich orientirende Aufsätze aber, wenn sie eben wirklich nur
auf die Orientirung berechnet und leicht und frisch geschrieben wären, würden
von der übergroßen Mehrzahl aller Zeitungen dankbar hingenommen und gern
benutzt und von dein Publikum mit Vergnügen gelesen werden. Vor kurzem
sind z. B. Gesetzentwürfe über unlauteres Geschäftsgebahren und über Er-
gänzungen der Gewerbeordnung von den Zeitungen abgedruckt und besprochen
worden. Gerade die Leser mittlerer und kleinerer Blätter aber wissen sich
nur schwer nach den Paragraphen eines Gesetzentwurfs mit ihren mannich-
fachen Verweisungen von dem, was der Entwurf bezweckt, ein klares Bild zu
machen, während sie sich durch eine geschickte und erschöpfende sachliche Um¬
schreibung leicht und bequem darüber unterrichten würden. Von dein andern,


Die offiziöse Presse

Von diesem Berichtigungsverfahren versprechen wir uns mancherlei Vor¬
teile. Erstens würden ihm gegenüber die Zeitungen in der Wiedergabe von
Gerüchten, die lediglich Vermutungen zur Voraussetzung haben, vorsichtiger
und zurückhaltender werden; sodann würde dadurch deu Blättern, die sich ge¬
wohnheitsmäßig aus die Erfindung und Verbreitung von Nachrichten legen,
die der Regierung Unannehmlichkeiten zu machen geeignet sind, dadurch das
Handwerk gelegt werden, und endlich empfinge dadurch derselbe Leserkreis die
Aufklärung und Berichtigung, der vorher durch die falsche Nachricht verwirrt
worden ist, während jetzt Blätter, die von ihrem Parteistandpunkte aus jede
Nachricht mit Vergnügen bringen, die der Regierung und ihren Absichten un-
bequem zu sein verspricht, die Berichtigungen, wenn diese dann endlich er¬
scheinen, entweder gar nicht oder doch nur in einer Form bringen, daß sie
selbst dadurch kaum getroffen scheinen. Das soll kein« Beschränkung der Pre߬
freiheit sein, im Gegenteil, je mehr wir für volle Preßfreiheit sind, desto mehr
möchten wir auch, daß sich die Presse der Freiheit würdig erwiese, das heißt,
daß die Freiheit ans Wahrhaftigkeit beruhte.

Weiter aber müßte das von dem Preßbüreau herausgegebne Organ — und
zwar außer dem „Reichs- und Preußischen Staatsanzeiger" ein einziges für
alle maßgebenden Stellen der Reichs- und ein einziges für alle der Landes¬
regierung — nicht nur, wie es jetzt die „Berliner Korrespondenz" thut, Per¬
sonalien, gesetzgeberische, statistische und dergleichen Mitteilungen bringen,
sondern es müßte zuerst über wichtige Gesetzentwürfe, über neue Etatsforde-
rungeu, über wirtschaftliche Pläne der Regierung, kurz über alle von der
Regierung ins Auge gefaßten Maßnahmen kurze, klar und rein fachlich ge¬
haltene Aufsätze bringen, und dann erst, getrennt davon, müßte das Organ
der Regierung die Beweggründe und Zwecke, von denen sich die Regierung
dabei hat leiten lassen, und die vermeintlichen Vorzüge der geplanten Ma߬
regel ebenfalls knapp und klar auseinandersetzen. Was jetzt die „Berliner
Korrespondenz" leistet, ist so sehr darauf berechnet, langweilig zu sein, daß mir
weniges von dem Gebrachten von den Zeitungen benutzt wird und benutzt
werden kann. Sachlich orientirende Aufsätze aber, wenn sie eben wirklich nur
auf die Orientirung berechnet und leicht und frisch geschrieben wären, würden
von der übergroßen Mehrzahl aller Zeitungen dankbar hingenommen und gern
benutzt und von dein Publikum mit Vergnügen gelesen werden. Vor kurzem
sind z. B. Gesetzentwürfe über unlauteres Geschäftsgebahren und über Er-
gänzungen der Gewerbeordnung von den Zeitungen abgedruckt und besprochen
worden. Gerade die Leser mittlerer und kleinerer Blätter aber wissen sich
nur schwer nach den Paragraphen eines Gesetzentwurfs mit ihren mannich-
fachen Verweisungen von dem, was der Entwurf bezweckt, ein klares Bild zu
machen, während sie sich durch eine geschickte und erschöpfende sachliche Um¬
schreibung leicht und bequem darüber unterrichten würden. Von dein andern,


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[0205] Die offiziöse Presse Von diesem Berichtigungsverfahren versprechen wir uns mancherlei Vor¬ teile. Erstens würden ihm gegenüber die Zeitungen in der Wiedergabe von Gerüchten, die lediglich Vermutungen zur Voraussetzung haben, vorsichtiger und zurückhaltender werden; sodann würde dadurch deu Blättern, die sich ge¬ wohnheitsmäßig aus die Erfindung und Verbreitung von Nachrichten legen, die der Regierung Unannehmlichkeiten zu machen geeignet sind, dadurch das Handwerk gelegt werden, und endlich empfinge dadurch derselbe Leserkreis die Aufklärung und Berichtigung, der vorher durch die falsche Nachricht verwirrt worden ist, während jetzt Blätter, die von ihrem Parteistandpunkte aus jede Nachricht mit Vergnügen bringen, die der Regierung und ihren Absichten un- bequem zu sein verspricht, die Berichtigungen, wenn diese dann endlich er¬ scheinen, entweder gar nicht oder doch nur in einer Form bringen, daß sie selbst dadurch kaum getroffen scheinen. Das soll kein« Beschränkung der Pre߬ freiheit sein, im Gegenteil, je mehr wir für volle Preßfreiheit sind, desto mehr möchten wir auch, daß sich die Presse der Freiheit würdig erwiese, das heißt, daß die Freiheit ans Wahrhaftigkeit beruhte. Weiter aber müßte das von dem Preßbüreau herausgegebne Organ — und zwar außer dem „Reichs- und Preußischen Staatsanzeiger" ein einziges für alle maßgebenden Stellen der Reichs- und ein einziges für alle der Landes¬ regierung — nicht nur, wie es jetzt die „Berliner Korrespondenz" thut, Per¬ sonalien, gesetzgeberische, statistische und dergleichen Mitteilungen bringen, sondern es müßte zuerst über wichtige Gesetzentwürfe, über neue Etatsforde- rungeu, über wirtschaftliche Pläne der Regierung, kurz über alle von der Regierung ins Auge gefaßten Maßnahmen kurze, klar und rein fachlich ge¬ haltene Aufsätze bringen, und dann erst, getrennt davon, müßte das Organ der Regierung die Beweggründe und Zwecke, von denen sich die Regierung dabei hat leiten lassen, und die vermeintlichen Vorzüge der geplanten Ma߬ regel ebenfalls knapp und klar auseinandersetzen. Was jetzt die „Berliner Korrespondenz" leistet, ist so sehr darauf berechnet, langweilig zu sein, daß mir weniges von dem Gebrachten von den Zeitungen benutzt wird und benutzt werden kann. Sachlich orientirende Aufsätze aber, wenn sie eben wirklich nur auf die Orientirung berechnet und leicht und frisch geschrieben wären, würden von der übergroßen Mehrzahl aller Zeitungen dankbar hingenommen und gern benutzt und von dein Publikum mit Vergnügen gelesen werden. Vor kurzem sind z. B. Gesetzentwürfe über unlauteres Geschäftsgebahren und über Er- gänzungen der Gewerbeordnung von den Zeitungen abgedruckt und besprochen worden. Gerade die Leser mittlerer und kleinerer Blätter aber wissen sich nur schwer nach den Paragraphen eines Gesetzentwurfs mit ihren mannich- fachen Verweisungen von dem, was der Entwurf bezweckt, ein klares Bild zu machen, während sie sich durch eine geschickte und erschöpfende sachliche Um¬ schreibung leicht und bequem darüber unterrichten würden. Von dein andern,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/205>, abgerufen am 26.05.2024.