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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die offiziöse Presse

empfehlenden Aufsatze könnten dann die Zeitungen nach Belieben Gebrauch
machen; aber auch wenn sie nicht bannt einverstanden sind, wird doch die
Anseiunudersetzuug und selbst die Bekämpfung ans den Boden sachlicher Er¬
örterung gerückt werden.

Freilich, um diese drei Aufgabelt erschöpfend und umsichtig zu lösen,
müßte mit dem amtliche" Preßbüreau eine andre Reorganisation vorgenommen
werden, als soeben allem Anschein nach damit vorgenommen worden ist. Der
junge Beamte, der von dem Minister von Köller nach Berlin gezogen wurde,
angeblich um die offiziöse Presse zu reformiren, soll fa ein ganz tüchtiger
und im allgemeinen leidlich unterrichteter Beamter sein; aber das genügt doch
wohl für das Riesenwerk einer Preßrefvrm nicht. So ist denn auch ans der
Reform nichts als, um im Stil der Presse zu reden, eine "Schlimmbessernng"
herausgekommen. Der erwähnte junge Beamte leitet unsers Wissens seine
ganze Kenntnis der Presse und des Journalismus ans einer verhältnismäßig
kurzen Thätigkeit im reichsländischen litterarischen Bürenu her. Nun sind
aber die geradezu harmlosen reichsländischen Preßverhältnisse mit denen des
Reichs schlechterdings nicht zu vergleichen, ganz abgesehen davon, daß anch
in die reichsländischen durch die Thätigkeit in einem Preßbüreau noch lange
kein Einblick gewonnen werden kann. Wer aber auf die Presse Einfluß aus¬
üben will, der muß doch als erste Bedingung die Presse, diesen so äußerst
verwickelten und empfindlichen Orgaiüsmus, aus eigner Erfahrung genau
kennen, darf nicht nur über die Organisation einer Kreisblattredaktivu, sondern
muß über die redaktionelle Führung in kleinern wie größern Zeitungen ans
eigner Thätigkeit Bescheid wisse", muß aus persönlicher Erfahrung wisse",
welche Gesichtspunkte für die Haltung der Blätter im allgemeinen wie im
einzelnen maßgebend zu sein pflegen, welche Wechselbeziehungen zwischen Presse
und Publikum bestehen, wie sich die Parteitaktik zur Presse wie zum Leser¬
kreis verhält, und was dergleichen Faden, die sich in der öffentlichen Mei¬
nung herüber- und hinüberspinnen, mehr sind. Es muß also, um es mit
einem Worte zu sagen, ein begabter, kenntnisreicher, erfahrner Journalist sein
und auch organisatorisches Geschick und Energie genng haben, um den viel¬
köpfigen Apparat erfolgreich zu leiten.

Die Organisation dieses Apparats ergiebt sich ans den Aufgaben, die
ihm zu stellen sind. Er würde sich ans produktiven und rezeptive" Beamten
zusammensetzen. Die rezeptive" hätte" alle Zeitungen des Inlands und die
maßgebenden des Auslands zu lesen, bemerkenswerte Auslassungen nach Ressorts
geordnet zu sammeln und der Berichtigung bedürftige Mitteilungen unmittelbar
so schnell als möglich den betreffenden Stellen der produktiven Abteilung zu
übermitteln, die dann notwendige Erkundigungen einzuziehen und die Berich¬
tigung schnell und unmittelbar zu besorgen' hätte. Diese Abteilung würde
auch die orientirenden und begründenden Artikel an das amtliche Zentral-


Die offiziöse Presse

empfehlenden Aufsatze könnten dann die Zeitungen nach Belieben Gebrauch
machen; aber auch wenn sie nicht bannt einverstanden sind, wird doch die
Anseiunudersetzuug und selbst die Bekämpfung ans den Boden sachlicher Er¬
örterung gerückt werden.

Freilich, um diese drei Aufgabelt erschöpfend und umsichtig zu lösen,
müßte mit dem amtliche» Preßbüreau eine andre Reorganisation vorgenommen
werden, als soeben allem Anschein nach damit vorgenommen worden ist. Der
junge Beamte, der von dem Minister von Köller nach Berlin gezogen wurde,
angeblich um die offiziöse Presse zu reformiren, soll fa ein ganz tüchtiger
und im allgemeinen leidlich unterrichteter Beamter sein; aber das genügt doch
wohl für das Riesenwerk einer Preßrefvrm nicht. So ist denn auch ans der
Reform nichts als, um im Stil der Presse zu reden, eine „Schlimmbessernng"
herausgekommen. Der erwähnte junge Beamte leitet unsers Wissens seine
ganze Kenntnis der Presse und des Journalismus ans einer verhältnismäßig
kurzen Thätigkeit im reichsländischen litterarischen Bürenu her. Nun sind
aber die geradezu harmlosen reichsländischen Preßverhältnisse mit denen des
Reichs schlechterdings nicht zu vergleichen, ganz abgesehen davon, daß anch
in die reichsländischen durch die Thätigkeit in einem Preßbüreau noch lange
kein Einblick gewonnen werden kann. Wer aber auf die Presse Einfluß aus¬
üben will, der muß doch als erste Bedingung die Presse, diesen so äußerst
verwickelten und empfindlichen Orgaiüsmus, aus eigner Erfahrung genau
kennen, darf nicht nur über die Organisation einer Kreisblattredaktivu, sondern
muß über die redaktionelle Führung in kleinern wie größern Zeitungen ans
eigner Thätigkeit Bescheid wisse», muß aus persönlicher Erfahrung wisse»,
welche Gesichtspunkte für die Haltung der Blätter im allgemeinen wie im
einzelnen maßgebend zu sein pflegen, welche Wechselbeziehungen zwischen Presse
und Publikum bestehen, wie sich die Parteitaktik zur Presse wie zum Leser¬
kreis verhält, und was dergleichen Faden, die sich in der öffentlichen Mei¬
nung herüber- und hinüberspinnen, mehr sind. Es muß also, um es mit
einem Worte zu sagen, ein begabter, kenntnisreicher, erfahrner Journalist sein
und auch organisatorisches Geschick und Energie genng haben, um den viel¬
köpfigen Apparat erfolgreich zu leiten.

Die Organisation dieses Apparats ergiebt sich ans den Aufgaben, die
ihm zu stellen sind. Er würde sich ans produktiven und rezeptive» Beamten
zusammensetzen. Die rezeptive» hätte» alle Zeitungen des Inlands und die
maßgebenden des Auslands zu lesen, bemerkenswerte Auslassungen nach Ressorts
geordnet zu sammeln und der Berichtigung bedürftige Mitteilungen unmittelbar
so schnell als möglich den betreffenden Stellen der produktiven Abteilung zu
übermitteln, die dann notwendige Erkundigungen einzuziehen und die Berich¬
tigung schnell und unmittelbar zu besorgen' hätte. Diese Abteilung würde
auch die orientirenden und begründenden Artikel an das amtliche Zentral-


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[0206] Die offiziöse Presse empfehlenden Aufsatze könnten dann die Zeitungen nach Belieben Gebrauch machen; aber auch wenn sie nicht bannt einverstanden sind, wird doch die Anseiunudersetzuug und selbst die Bekämpfung ans den Boden sachlicher Er¬ örterung gerückt werden. Freilich, um diese drei Aufgabelt erschöpfend und umsichtig zu lösen, müßte mit dem amtliche» Preßbüreau eine andre Reorganisation vorgenommen werden, als soeben allem Anschein nach damit vorgenommen worden ist. Der junge Beamte, der von dem Minister von Köller nach Berlin gezogen wurde, angeblich um die offiziöse Presse zu reformiren, soll fa ein ganz tüchtiger und im allgemeinen leidlich unterrichteter Beamter sein; aber das genügt doch wohl für das Riesenwerk einer Preßrefvrm nicht. So ist denn auch ans der Reform nichts als, um im Stil der Presse zu reden, eine „Schlimmbessernng" herausgekommen. Der erwähnte junge Beamte leitet unsers Wissens seine ganze Kenntnis der Presse und des Journalismus ans einer verhältnismäßig kurzen Thätigkeit im reichsländischen litterarischen Bürenu her. Nun sind aber die geradezu harmlosen reichsländischen Preßverhältnisse mit denen des Reichs schlechterdings nicht zu vergleichen, ganz abgesehen davon, daß anch in die reichsländischen durch die Thätigkeit in einem Preßbüreau noch lange kein Einblick gewonnen werden kann. Wer aber auf die Presse Einfluß aus¬ üben will, der muß doch als erste Bedingung die Presse, diesen so äußerst verwickelten und empfindlichen Orgaiüsmus, aus eigner Erfahrung genau kennen, darf nicht nur über die Organisation einer Kreisblattredaktivu, sondern muß über die redaktionelle Führung in kleinern wie größern Zeitungen ans eigner Thätigkeit Bescheid wisse», muß aus persönlicher Erfahrung wisse», welche Gesichtspunkte für die Haltung der Blätter im allgemeinen wie im einzelnen maßgebend zu sein pflegen, welche Wechselbeziehungen zwischen Presse und Publikum bestehen, wie sich die Parteitaktik zur Presse wie zum Leser¬ kreis verhält, und was dergleichen Faden, die sich in der öffentlichen Mei¬ nung herüber- und hinüberspinnen, mehr sind. Es muß also, um es mit einem Worte zu sagen, ein begabter, kenntnisreicher, erfahrner Journalist sein und auch organisatorisches Geschick und Energie genng haben, um den viel¬ köpfigen Apparat erfolgreich zu leiten. Die Organisation dieses Apparats ergiebt sich ans den Aufgaben, die ihm zu stellen sind. Er würde sich ans produktiven und rezeptive» Beamten zusammensetzen. Die rezeptive» hätte» alle Zeitungen des Inlands und die maßgebenden des Auslands zu lesen, bemerkenswerte Auslassungen nach Ressorts geordnet zu sammeln und der Berichtigung bedürftige Mitteilungen unmittelbar so schnell als möglich den betreffenden Stellen der produktiven Abteilung zu übermitteln, die dann notwendige Erkundigungen einzuziehen und die Berich¬ tigung schnell und unmittelbar zu besorgen' hätte. Diese Abteilung würde auch die orientirenden und begründenden Artikel an das amtliche Zentral-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/206>, abgerufen am 12.05.2024.