Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.Die rechtliche Stellung des Arztes urteilte gefallen; in einer einzigen deutschen Stadt sind innerhalb zweier Jahre Gegen die soeben erwähnte Unzuträglichkeit, gegen den oben geschilderten Die Annahme, daß sich die verbündeten Regierungen weigern würden, ein Die rechtliche Stellung des Arztes urteilte gefallen; in einer einzigen deutschen Stadt sind innerhalb zweier Jahre Gegen die soeben erwähnte Unzuträglichkeit, gegen den oben geschilderten Die Annahme, daß sich die verbündeten Regierungen weigern würden, ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219279"/> <fw type="header" place="top"> Die rechtliche Stellung des Arztes</fw><lb/> <p xml:id="ID_798" prev="#ID_797"> urteilte gefallen; in einer einzigen deutschen Stadt sind innerhalb zweier Jahre<lb/> unter reichlich dreihundert Ärzten zweien wegen Betrugs Gefängnisstrafen auf¬<lb/> erlegt worden, und einem dritten hat die Universität wegen seines unwissen¬<lb/> schaftlichen und gewinnsüchtigen Verhaltens die ohren IsAsmii entzogen. Keiner<lb/> von diesen ist aber gehinderte gewesen, zu seiner Berufsthätigkeit zurückzukehren,<lb/> während es doch sehr zweifelhaft ist, ob ein Kranker nicht einem wegen gröb¬<lb/> licher Unsittlichsten mit Zuchthaus bestraften einen Arzt noch vorziehen würde,<lb/> den die Psychiatrie bei ihren heutigen Gepflogenheiten für einen Querulanten<lb/> ansieht. 7/,' ,--7-- v'--^ ^ ^'^^</p><lb/> <p xml:id="ID_799"> Gegen die soeben erwähnte Unzuträglichkeit, gegen den oben geschilderten<lb/> und andre ebenso tadelnswerte Gebräuche, die vielfach gerügten Über¬<lb/> teuerungen, den manchmal geradezu unanständigen Geschäftsbetrieb, wie er sich<lb/> aus der Kochschen Entdeckung entwickelte, die unwürdige Art des gegenseitigen<lb/> Wettbewerbs, die vertraulichen Herabsetzungen und die öffentlichen Zänkereien,<lb/> die unter den Mitgliedern des Ärzteftcmdes so oft in Persönlichkeiten ausarten<lb/> und in Sachen des Diphtherieheilserum dem Professor Behring, der Virchow<lb/> kluges, aber nutzloses Sprechen und dem Dr. Aronson geschäftliche Ausbeutung<lb/> vorwirft, geradeso zur Last fallen, als seinem Kollegen Virchow, der wissenschaft¬<lb/> lichen Gegnern geistige Störung und bewußte Charlatanerie nachredet, gegen die<lb/> Fesselung Irrer durch Ketten, wie sie im Frühjahr 1890 an dem Amtsgerichte<lb/> Bonn, die Behandlung der Nervenkranken mit Ohrfeigen und Peitschenhieben,<lb/> wie sie im Sommer 1892 vom Landgericht Kassel festgestellt worden ist, und die<lb/> Operation Wider den erklärten Willen der Beteiligten, die um 2. Februar 1894<lb/> das Landgericht Hamburg beschäftigt hat, ferner gegen die Begutachtung einer<lb/> seit dreißig Monaten überhaupt vom Arzte nicht gesehenen Person zum Zweck<lb/> ihrer Einlieferung in ein Irrenhaus, oder gar die bewußt wahrheitswidrige Aus¬<lb/> fertigung des ärztlichen Zeugnisses zu demselben Zweck, die nach der Ermittlung<lb/> des zuständigen Provinzialausschusses im August 1886 zu Bonn und nach dem<lb/> Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. März 1888 in Hamburg stattgefunden<lb/> haben, sowie gegen sonstige Mißstände, deren strafrechtliche Ahndung nicht<lb/> möglich oder schon erfolgt ist, giebt es nach den bisherigen Erfahrungen nur<lb/> ein einziges durchschlagendes Mittel: die Einrichtung einer selbstgewählten<lb/> Standesvertretung, insbesondre die Regelung eines ehrengerichtlichen Ver¬<lb/> fahrens, in dem der Schuldige nicht nnr aus den Bezirks- und Kreis¬<lb/> vereinen der Ärztekammern entfernt, sondern zu Ehren- und Vermögensstrafen<lb/> verurteilt und von der fernern Ausübung, des ärztlichen Berufs ausgeschlossen<lb/> werden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_800" next="#ID_801"> Die Annahme, daß sich die verbündeten Regierungen weigern würden, ein<lb/> Gesetz ähnlich der Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 auf Verlangen<lb/> der Mehrzahl der deutschen Ärzte vorzulegen^ und der Reichstag, einem solchen<lb/> Gesetze zuzustimmen, ist in nichts begründet; zur Zeit sind es die Ärzte, die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0277]
Die rechtliche Stellung des Arztes
urteilte gefallen; in einer einzigen deutschen Stadt sind innerhalb zweier Jahre
unter reichlich dreihundert Ärzten zweien wegen Betrugs Gefängnisstrafen auf¬
erlegt worden, und einem dritten hat die Universität wegen seines unwissen¬
schaftlichen und gewinnsüchtigen Verhaltens die ohren IsAsmii entzogen. Keiner
von diesen ist aber gehinderte gewesen, zu seiner Berufsthätigkeit zurückzukehren,
während es doch sehr zweifelhaft ist, ob ein Kranker nicht einem wegen gröb¬
licher Unsittlichsten mit Zuchthaus bestraften einen Arzt noch vorziehen würde,
den die Psychiatrie bei ihren heutigen Gepflogenheiten für einen Querulanten
ansieht. 7/,' ,--7-- v'--^ ^ ^'^^
Gegen die soeben erwähnte Unzuträglichkeit, gegen den oben geschilderten
und andre ebenso tadelnswerte Gebräuche, die vielfach gerügten Über¬
teuerungen, den manchmal geradezu unanständigen Geschäftsbetrieb, wie er sich
aus der Kochschen Entdeckung entwickelte, die unwürdige Art des gegenseitigen
Wettbewerbs, die vertraulichen Herabsetzungen und die öffentlichen Zänkereien,
die unter den Mitgliedern des Ärzteftcmdes so oft in Persönlichkeiten ausarten
und in Sachen des Diphtherieheilserum dem Professor Behring, der Virchow
kluges, aber nutzloses Sprechen und dem Dr. Aronson geschäftliche Ausbeutung
vorwirft, geradeso zur Last fallen, als seinem Kollegen Virchow, der wissenschaft¬
lichen Gegnern geistige Störung und bewußte Charlatanerie nachredet, gegen die
Fesselung Irrer durch Ketten, wie sie im Frühjahr 1890 an dem Amtsgerichte
Bonn, die Behandlung der Nervenkranken mit Ohrfeigen und Peitschenhieben,
wie sie im Sommer 1892 vom Landgericht Kassel festgestellt worden ist, und die
Operation Wider den erklärten Willen der Beteiligten, die um 2. Februar 1894
das Landgericht Hamburg beschäftigt hat, ferner gegen die Begutachtung einer
seit dreißig Monaten überhaupt vom Arzte nicht gesehenen Person zum Zweck
ihrer Einlieferung in ein Irrenhaus, oder gar die bewußt wahrheitswidrige Aus¬
fertigung des ärztlichen Zeugnisses zu demselben Zweck, die nach der Ermittlung
des zuständigen Provinzialausschusses im August 1886 zu Bonn und nach dem
Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. März 1888 in Hamburg stattgefunden
haben, sowie gegen sonstige Mißstände, deren strafrechtliche Ahndung nicht
möglich oder schon erfolgt ist, giebt es nach den bisherigen Erfahrungen nur
ein einziges durchschlagendes Mittel: die Einrichtung einer selbstgewählten
Standesvertretung, insbesondre die Regelung eines ehrengerichtlichen Ver¬
fahrens, in dem der Schuldige nicht nnr aus den Bezirks- und Kreis¬
vereinen der Ärztekammern entfernt, sondern zu Ehren- und Vermögensstrafen
verurteilt und von der fernern Ausübung, des ärztlichen Berufs ausgeschlossen
werden kann.
Die Annahme, daß sich die verbündeten Regierungen weigern würden, ein
Gesetz ähnlich der Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 auf Verlangen
der Mehrzahl der deutschen Ärzte vorzulegen^ und der Reichstag, einem solchen
Gesetze zuzustimmen, ist in nichts begründet; zur Zeit sind es die Ärzte, die
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