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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die Römer in der Dobrudscha

der Kriegswissenschaften ein fruchtbares Bündnis geschlossen, fruchtbar aber
auch für die Methode jeder einzelnen Wissenschaft, die von der andern An¬
regung und neue Gesichtspunkte erhalt. Erfreulich ist es ferner, zu sehen,
welch ein großer Teil der neuesten Forschungen auf dem Gebiete der Altertums¬
wissenschaft gerade von deutschen Gelehrten geleistet worden ist. Andrerseits
ist aber gerade die Altertumsforschung eine Brücke, die fast alle Kulturvölker
der Welt zu friedlichem Wettstreit verbindet: Italiener, Franzosen, Eng¬
länder stehen zur Zeit den deutschen Altertumsforschern kaum nach. Eine ganz
besondre Freude aber ist es, auch in Österreich, und zwar besonders an der Uni¬
versität Wien, einen Mittelpunkt der Altertumsforschung erwachsen zu sehen,
der dem in Berlin ebenbürtig zur Seite tritt. Daß dem so ist, darüber kann
niemand in Zweifel sein, der 1893 die Philologenversammlung in der öster¬
reichischen Kaiserstadt mit offnem Auge besucht hat. Wien ist schon durch seine
Lage auf altem römischem Kulturboden, an der Pforte der ehemals illhrischen
Landschaften -- von der mittlern Donau bis zum Schwarzen Meer --, die
mehrere Jahrhunderte der römischen Kaiserzeit als Hauptbehälter der mili¬
tärischen und der staatsmännischen Kraft gegolten haben, dazu bestimmt, ein
Ausgangspunkt der Forschung über die römische Vergangenheit der Donau-
und Balkanländer zu werden. Seit einem Menschenalter werden dort die
Archäologen und Epigraphiker, sowie die zahlreichen Architekten, die sich für
die Baugeschichte und Rekonstruktion antiker Denkmäler interessiren, geschult
an den Ausgrabungen des nur wenige Meilen von Wien stromabwärts ge¬
legnen großen Lagers Carnuntum bei Deutsch-Altenburg und der unweit davon
gelegnen Zivilstadt (Petronell). Für die planmüßige Förderung der Ausgra¬
bungen und sür die Ordnung und Erhaltung der ausgegrabnen Gegenstünde
besteht seit 1886 ein besondrer "Carnnntumverein," dessen Organisation Theodor
Mommsen für musterhaft erklärt hat.

Aber das Interesse für solche Arbeiten ist in den letzten Jahrzehnten von
Wien auch donciuabwürts gedrungen, und zwar nicht nur nach Ungarn
und Siebenbürgen, wo der Ungar Karl Torma und der siebenbürger Sachse
Karl Goos die thätigsten Forscher sind, sondern auch über die Donau süd¬
wärts in die neuen österreichischen Provinzen Bosnien und die Herzegowina.
Dem österreichischen Soldaten und Ingenieur folgten österreichische Gelehrte,
allen voran Wilhelm Tomaschck, auf dem Fuße und richteten überall die ethno¬
graphische, die topographisch-archäologische und die historische Forschung ein.
Selbst in Dalmatien und Kroatien giebt es längst eine ernsthafte wissenschaftliche
Lokalforschung, die mit Wien in fortwährendem, fruchtbringenden Austausch
steht. Ihren litterarischen Mittelpunkt finden alle diese Bemühungen in den 1887
von Conze ins Leben gerufuen "Archüologisch-epigraphischen Mitteilungen aus
Österreich," die von Otto Benndorf und Otto Hirschfeld fortgesetzt wurden und
gegenwärtig unter der Leitung Benndorfs und Eugen Bvrmanns stehen. Auch


Die Römer in der Dobrudscha

der Kriegswissenschaften ein fruchtbares Bündnis geschlossen, fruchtbar aber
auch für die Methode jeder einzelnen Wissenschaft, die von der andern An¬
regung und neue Gesichtspunkte erhalt. Erfreulich ist es ferner, zu sehen,
welch ein großer Teil der neuesten Forschungen auf dem Gebiete der Altertums¬
wissenschaft gerade von deutschen Gelehrten geleistet worden ist. Andrerseits
ist aber gerade die Altertumsforschung eine Brücke, die fast alle Kulturvölker
der Welt zu friedlichem Wettstreit verbindet: Italiener, Franzosen, Eng¬
länder stehen zur Zeit den deutschen Altertumsforschern kaum nach. Eine ganz
besondre Freude aber ist es, auch in Österreich, und zwar besonders an der Uni¬
versität Wien, einen Mittelpunkt der Altertumsforschung erwachsen zu sehen,
der dem in Berlin ebenbürtig zur Seite tritt. Daß dem so ist, darüber kann
niemand in Zweifel sein, der 1893 die Philologenversammlung in der öster¬
reichischen Kaiserstadt mit offnem Auge besucht hat. Wien ist schon durch seine
Lage auf altem römischem Kulturboden, an der Pforte der ehemals illhrischen
Landschaften — von der mittlern Donau bis zum Schwarzen Meer —, die
mehrere Jahrhunderte der römischen Kaiserzeit als Hauptbehälter der mili¬
tärischen und der staatsmännischen Kraft gegolten haben, dazu bestimmt, ein
Ausgangspunkt der Forschung über die römische Vergangenheit der Donau-
und Balkanländer zu werden. Seit einem Menschenalter werden dort die
Archäologen und Epigraphiker, sowie die zahlreichen Architekten, die sich für
die Baugeschichte und Rekonstruktion antiker Denkmäler interessiren, geschult
an den Ausgrabungen des nur wenige Meilen von Wien stromabwärts ge¬
legnen großen Lagers Carnuntum bei Deutsch-Altenburg und der unweit davon
gelegnen Zivilstadt (Petronell). Für die planmüßige Förderung der Ausgra¬
bungen und sür die Ordnung und Erhaltung der ausgegrabnen Gegenstünde
besteht seit 1886 ein besondrer „Carnnntumverein," dessen Organisation Theodor
Mommsen für musterhaft erklärt hat.

Aber das Interesse für solche Arbeiten ist in den letzten Jahrzehnten von
Wien auch donciuabwürts gedrungen, und zwar nicht nur nach Ungarn
und Siebenbürgen, wo der Ungar Karl Torma und der siebenbürger Sachse
Karl Goos die thätigsten Forscher sind, sondern auch über die Donau süd¬
wärts in die neuen österreichischen Provinzen Bosnien und die Herzegowina.
Dem österreichischen Soldaten und Ingenieur folgten österreichische Gelehrte,
allen voran Wilhelm Tomaschck, auf dem Fuße und richteten überall die ethno¬
graphische, die topographisch-archäologische und die historische Forschung ein.
Selbst in Dalmatien und Kroatien giebt es längst eine ernsthafte wissenschaftliche
Lokalforschung, die mit Wien in fortwährendem, fruchtbringenden Austausch
steht. Ihren litterarischen Mittelpunkt finden alle diese Bemühungen in den 1887
von Conze ins Leben gerufuen „Archüologisch-epigraphischen Mitteilungen aus
Österreich," die von Otto Benndorf und Otto Hirschfeld fortgesetzt wurden und
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[0578] Die Römer in der Dobrudscha der Kriegswissenschaften ein fruchtbares Bündnis geschlossen, fruchtbar aber auch für die Methode jeder einzelnen Wissenschaft, die von der andern An¬ regung und neue Gesichtspunkte erhalt. Erfreulich ist es ferner, zu sehen, welch ein großer Teil der neuesten Forschungen auf dem Gebiete der Altertums¬ wissenschaft gerade von deutschen Gelehrten geleistet worden ist. Andrerseits ist aber gerade die Altertumsforschung eine Brücke, die fast alle Kulturvölker der Welt zu friedlichem Wettstreit verbindet: Italiener, Franzosen, Eng¬ länder stehen zur Zeit den deutschen Altertumsforschern kaum nach. Eine ganz besondre Freude aber ist es, auch in Österreich, und zwar besonders an der Uni¬ versität Wien, einen Mittelpunkt der Altertumsforschung erwachsen zu sehen, der dem in Berlin ebenbürtig zur Seite tritt. Daß dem so ist, darüber kann niemand in Zweifel sein, der 1893 die Philologenversammlung in der öster¬ reichischen Kaiserstadt mit offnem Auge besucht hat. Wien ist schon durch seine Lage auf altem römischem Kulturboden, an der Pforte der ehemals illhrischen Landschaften — von der mittlern Donau bis zum Schwarzen Meer —, die mehrere Jahrhunderte der römischen Kaiserzeit als Hauptbehälter der mili¬ tärischen und der staatsmännischen Kraft gegolten haben, dazu bestimmt, ein Ausgangspunkt der Forschung über die römische Vergangenheit der Donau- und Balkanländer zu werden. Seit einem Menschenalter werden dort die Archäologen und Epigraphiker, sowie die zahlreichen Architekten, die sich für die Baugeschichte und Rekonstruktion antiker Denkmäler interessiren, geschult an den Ausgrabungen des nur wenige Meilen von Wien stromabwärts ge¬ legnen großen Lagers Carnuntum bei Deutsch-Altenburg und der unweit davon gelegnen Zivilstadt (Petronell). Für die planmüßige Förderung der Ausgra¬ bungen und sür die Ordnung und Erhaltung der ausgegrabnen Gegenstünde besteht seit 1886 ein besondrer „Carnnntumverein," dessen Organisation Theodor Mommsen für musterhaft erklärt hat. Aber das Interesse für solche Arbeiten ist in den letzten Jahrzehnten von Wien auch donciuabwürts gedrungen, und zwar nicht nur nach Ungarn und Siebenbürgen, wo der Ungar Karl Torma und der siebenbürger Sachse Karl Goos die thätigsten Forscher sind, sondern auch über die Donau süd¬ wärts in die neuen österreichischen Provinzen Bosnien und die Herzegowina. Dem österreichischen Soldaten und Ingenieur folgten österreichische Gelehrte, allen voran Wilhelm Tomaschck, auf dem Fuße und richteten überall die ethno¬ graphische, die topographisch-archäologische und die historische Forschung ein. Selbst in Dalmatien und Kroatien giebt es längst eine ernsthafte wissenschaftliche Lokalforschung, die mit Wien in fortwährendem, fruchtbringenden Austausch steht. Ihren litterarischen Mittelpunkt finden alle diese Bemühungen in den 1887 von Conze ins Leben gerufuen „Archüologisch-epigraphischen Mitteilungen aus Österreich," die von Otto Benndorf und Otto Hirschfeld fortgesetzt wurden und gegenwärtig unter der Leitung Benndorfs und Eugen Bvrmanns stehen. Auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/578>, abgerufen am 13.05.2024.