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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Gu Wort a" unsre Marineverwaltung

bekommt Geschmack daran und lernt in Marinefragen urteilen. Fordert dann
die Regierung die Mittel zur Ergänzung der Flotte, so werden sie ihr nicht
verweigert; ist es doch in den letzten Jahrzehnten in England bei jedem liberalen
Kabinett vorgekommen, daß die Regierung von der öffentlichen Meinung zur
Vergrößerung der Marine gedrängt wurde!

Ganz anders bei uns. Nur spärlich und unzureichend berichten die Zei¬
tungen über die Vorgänge in der Marine, den Redaktionen sind solche Nach¬
richten offenbar nicht zugänglich. Als vor ein paar Monaten die Jllustrirte
Zeitung eine Abbildung der neuen "Gefion" brachte, hieß es in der dazu ge¬
hörigen Beschreibung, das Schiff laufe 18 bis 1!) Knoten und sei mit sech¬
zehn Schnellladekanonen verschiednen Kalibers bewaffnet. Die erste Angabe ist
offenbar falsch; für ein Schiff, dessen langgestreckter Rumpf für Entwicklung einer
sehr großen Fahrgeschwindigkeit gebaut ist, dessen Maschinenstärke so bedeutend
ist, wäre eine derartige Schnelligkeit zu gering. Die andre Angabe ist nichts¬
sagend, denn von der Gefcchtskrcift eines Fahrzeugs bekomme ich erst dann einen
Begriff und kann es erst dann mit gleichartigen Schiffen andrer Mariner ver¬
gleichen, wenn ich über Kaliber, Aufstellung und Schutz der einzelnen Geschütze
näheres weiß. Der Verfasser jeuer Beschreibung ist offenbar nicht in der Lage
gewesen, sich zuverlässige Nachrichten zu verschaffen. Als die "Kaiserin Augustci"
von ihrer nordamerikanischen Festreise zurückgekehrt war, wurde sie einer Re¬
paratur unterzogen. Man hat dann wohl auch gelesen, Kessel und Maschinen
hätten sich nicht bewährt. Eine zuverlässige Mitteilung darüber hat man aber
vergeblich erwartet, und es bleibt der Phantasie, je nachdem sie optimistisch
oder pessimistisch angelegt ist, überlassen, ob sie sich ausmalen will, daß es
sich um geringfügige Änderungen gehandelt habe, oder daß der ganze Bau
verpfuscht sei. Jedenfalls war der Kreuzer nicht seebereit, als es galt,
ein Flaggschiff für Ostasien auszusuchen. Auch was über Armiruug und
Panzerschutz des Schiffes bekannt geworden ist, reicht durchaus nicht aus,
sich von der Gefechtskraft dieses mächtigen Fahrzeugs, das die Hauptstärke unsrer
kleinen Kreuzerflottc ausmacht, ein klares Bild zu verschaffen. Was wir
von der "Gefion" und "Kaiserin Augusta" gesagt bilden, gilt natürlich auch
von andern Kriegsschiffen; wir haben diese beiden Fahrzeuge deshalb heraus¬
gegriffen, weil es sich gerade jetzt empfohlen haben würde, dem unwissenden
deutschen Publikum an den modernen Kreuzern, die sich so gewaltig von den
Kreuzern älterer Bauart unterscheiden, Interesse zu erwecken.

Als vor vier Jahren die vom Reichsmariuccimt herausgegebne "Marine-
rnndschan" zu erscheinen begann, da mochte Wohl mancher glauben, es handle
sich hauptsächlich mit um die Bekämpfung der Tcilnahmslosigkeit des deutschen
Publikums maritimen Angelegenheiten gegenüber. Weit gefehlt. Es wird
darin über Vorgänge in fremden Marineu, über das Eingreifen unsrer Kriegs¬
schiffe in den Kolonien, über die Geschicke alter, ausrangirter Schiffe unsrer Flotte


Gu Wort a» unsre Marineverwaltung

bekommt Geschmack daran und lernt in Marinefragen urteilen. Fordert dann
die Regierung die Mittel zur Ergänzung der Flotte, so werden sie ihr nicht
verweigert; ist es doch in den letzten Jahrzehnten in England bei jedem liberalen
Kabinett vorgekommen, daß die Regierung von der öffentlichen Meinung zur
Vergrößerung der Marine gedrängt wurde!

Ganz anders bei uns. Nur spärlich und unzureichend berichten die Zei¬
tungen über die Vorgänge in der Marine, den Redaktionen sind solche Nach¬
richten offenbar nicht zugänglich. Als vor ein paar Monaten die Jllustrirte
Zeitung eine Abbildung der neuen „Gefion" brachte, hieß es in der dazu ge¬
hörigen Beschreibung, das Schiff laufe 18 bis 1!) Knoten und sei mit sech¬
zehn Schnellladekanonen verschiednen Kalibers bewaffnet. Die erste Angabe ist
offenbar falsch; für ein Schiff, dessen langgestreckter Rumpf für Entwicklung einer
sehr großen Fahrgeschwindigkeit gebaut ist, dessen Maschinenstärke so bedeutend
ist, wäre eine derartige Schnelligkeit zu gering. Die andre Angabe ist nichts¬
sagend, denn von der Gefcchtskrcift eines Fahrzeugs bekomme ich erst dann einen
Begriff und kann es erst dann mit gleichartigen Schiffen andrer Mariner ver¬
gleichen, wenn ich über Kaliber, Aufstellung und Schutz der einzelnen Geschütze
näheres weiß. Der Verfasser jeuer Beschreibung ist offenbar nicht in der Lage
gewesen, sich zuverlässige Nachrichten zu verschaffen. Als die „Kaiserin Augustci"
von ihrer nordamerikanischen Festreise zurückgekehrt war, wurde sie einer Re¬
paratur unterzogen. Man hat dann wohl auch gelesen, Kessel und Maschinen
hätten sich nicht bewährt. Eine zuverlässige Mitteilung darüber hat man aber
vergeblich erwartet, und es bleibt der Phantasie, je nachdem sie optimistisch
oder pessimistisch angelegt ist, überlassen, ob sie sich ausmalen will, daß es
sich um geringfügige Änderungen gehandelt habe, oder daß der ganze Bau
verpfuscht sei. Jedenfalls war der Kreuzer nicht seebereit, als es galt,
ein Flaggschiff für Ostasien auszusuchen. Auch was über Armiruug und
Panzerschutz des Schiffes bekannt geworden ist, reicht durchaus nicht aus,
sich von der Gefechtskraft dieses mächtigen Fahrzeugs, das die Hauptstärke unsrer
kleinen Kreuzerflottc ausmacht, ein klares Bild zu verschaffen. Was wir
von der „Gefion" und „Kaiserin Augusta" gesagt bilden, gilt natürlich auch
von andern Kriegsschiffen; wir haben diese beiden Fahrzeuge deshalb heraus¬
gegriffen, weil es sich gerade jetzt empfohlen haben würde, dem unwissenden
deutschen Publikum an den modernen Kreuzern, die sich so gewaltig von den
Kreuzern älterer Bauart unterscheiden, Interesse zu erwecken.

Als vor vier Jahren die vom Reichsmariuccimt herausgegebne „Marine-
rnndschan" zu erscheinen begann, da mochte Wohl mancher glauben, es handle
sich hauptsächlich mit um die Bekämpfung der Tcilnahmslosigkeit des deutschen
Publikums maritimen Angelegenheiten gegenüber. Weit gefehlt. Es wird
darin über Vorgänge in fremden Marineu, über das Eingreifen unsrer Kriegs¬
schiffe in den Kolonien, über die Geschicke alter, ausrangirter Schiffe unsrer Flotte


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[0077] Gu Wort a» unsre Marineverwaltung bekommt Geschmack daran und lernt in Marinefragen urteilen. Fordert dann die Regierung die Mittel zur Ergänzung der Flotte, so werden sie ihr nicht verweigert; ist es doch in den letzten Jahrzehnten in England bei jedem liberalen Kabinett vorgekommen, daß die Regierung von der öffentlichen Meinung zur Vergrößerung der Marine gedrängt wurde! Ganz anders bei uns. Nur spärlich und unzureichend berichten die Zei¬ tungen über die Vorgänge in der Marine, den Redaktionen sind solche Nach¬ richten offenbar nicht zugänglich. Als vor ein paar Monaten die Jllustrirte Zeitung eine Abbildung der neuen „Gefion" brachte, hieß es in der dazu ge¬ hörigen Beschreibung, das Schiff laufe 18 bis 1!) Knoten und sei mit sech¬ zehn Schnellladekanonen verschiednen Kalibers bewaffnet. Die erste Angabe ist offenbar falsch; für ein Schiff, dessen langgestreckter Rumpf für Entwicklung einer sehr großen Fahrgeschwindigkeit gebaut ist, dessen Maschinenstärke so bedeutend ist, wäre eine derartige Schnelligkeit zu gering. Die andre Angabe ist nichts¬ sagend, denn von der Gefcchtskrcift eines Fahrzeugs bekomme ich erst dann einen Begriff und kann es erst dann mit gleichartigen Schiffen andrer Mariner ver¬ gleichen, wenn ich über Kaliber, Aufstellung und Schutz der einzelnen Geschütze näheres weiß. Der Verfasser jeuer Beschreibung ist offenbar nicht in der Lage gewesen, sich zuverlässige Nachrichten zu verschaffen. Als die „Kaiserin Augustci" von ihrer nordamerikanischen Festreise zurückgekehrt war, wurde sie einer Re¬ paratur unterzogen. Man hat dann wohl auch gelesen, Kessel und Maschinen hätten sich nicht bewährt. Eine zuverlässige Mitteilung darüber hat man aber vergeblich erwartet, und es bleibt der Phantasie, je nachdem sie optimistisch oder pessimistisch angelegt ist, überlassen, ob sie sich ausmalen will, daß es sich um geringfügige Änderungen gehandelt habe, oder daß der ganze Bau verpfuscht sei. Jedenfalls war der Kreuzer nicht seebereit, als es galt, ein Flaggschiff für Ostasien auszusuchen. Auch was über Armiruug und Panzerschutz des Schiffes bekannt geworden ist, reicht durchaus nicht aus, sich von der Gefechtskraft dieses mächtigen Fahrzeugs, das die Hauptstärke unsrer kleinen Kreuzerflottc ausmacht, ein klares Bild zu verschaffen. Was wir von der „Gefion" und „Kaiserin Augusta" gesagt bilden, gilt natürlich auch von andern Kriegsschiffen; wir haben diese beiden Fahrzeuge deshalb heraus¬ gegriffen, weil es sich gerade jetzt empfohlen haben würde, dem unwissenden deutschen Publikum an den modernen Kreuzern, die sich so gewaltig von den Kreuzern älterer Bauart unterscheiden, Interesse zu erwecken. Als vor vier Jahren die vom Reichsmariuccimt herausgegebne „Marine- rnndschan" zu erscheinen begann, da mochte Wohl mancher glauben, es handle sich hauptsächlich mit um die Bekämpfung der Tcilnahmslosigkeit des deutschen Publikums maritimen Angelegenheiten gegenüber. Weit gefehlt. Es wird darin über Vorgänge in fremden Marineu, über das Eingreifen unsrer Kriegs¬ schiffe in den Kolonien, über die Geschicke alter, ausrangirter Schiffe unsrer Flotte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/77>, abgerufen am 23.05.2024.