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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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berichtet, es finden sich mich Aufsätze allgemeiner" Inhalts. Wer sich aber
über den gegenwärtigen Zustand unsrer Flotte, über die Gefechtskraft ihrer neuern
Fahrzeuge Belehrung holen wollte, der würde vergeblich suchen; nicht einmal
des Stapellaufs der neuen Schiffe wird gedacht. Die allgemeiner" Aufsätze
sind, soweit sie unsre Flotte angehen, meist von einer ausgesuchten Ledernheit,
ich erinnere nur an den Bericht über die Grippenepidemie in der deutschen
Marine (Jahrgang 1891). Es kommt einem vor, als wäre man ängstlich be¬
müht, alles fern zu halten, was dem deutschen Volke Interesse für seine junge
Marine einflößen konnte. Es scheint zwar, als ob man sich jetzt im Reichs¬
marineamt davon überzeugt hätte, daß der bisher eingeschlagne Weg falsch war;
wenigstens finden sich in den letzten Nummern der Rundschau Berichte über
die Panzerschiffe erster Klasse "Wörth" und "Kurfürst Friedrich Wilhelm."
So knapp und vorsichtig diese Mitteilungen sind, so begrüßen wir sie doch als
Anfang zum Bessern; möchten uur bald weitere Nachrichten folgen über die
andern Panzer und namentlich über die neuern geschützte" Kreuzer.

Die Gründe, die unsre Marineverwaltung bis jetzt bestimmt haben, ge¬
nauere Nachrichten über die Flotte der Öffentlichkeit vorzuenthalten, sind ja
nicht schlechthin zu tadeln; sie will verhindern, daß derartige Mitteilungen ins
Anstand dringen und dort zu unserm Schaden verwendet werden, Es fragt
sich nur, ob die Nachteile dieser Schweigsamkeit nicht größer sind als ihr
Nutzen. Vermutlich sind die Marinebehörden der uus feindlich gesinnten
Staaten über unsre Flotte genauer unterrichtet als wir Deutschen selbst; zwei
spionirende französische Seeoffiziere sind ja vor einiger Zeit glücklich abgefaßt
worden, wer weiß aber, wie viele schon außer ihnen unerkannt thätig waren
oder es noch sind; auch jene beiden, so früh begnadigten, haben gewiß wert¬
volle Nachrichten mit nach Hause gebracht. Daß die ausländischen Marine¬
behörden, namentlich auch die französischen, nichts bedenkliches in der Be¬
sprechung heimischer Marineverhältnisfe finden, zeigen sie dadurch, daß sie ihr
keine Hindernisse in den Weg legen.

Viel bedenklicher scheint uns die andauernde Teilnahmlosigkeit des Publi¬
kums. Von Jahr zu Jahr wächst unsre Schiffahrt, durch unsre Kolonien
und die stetig sich erweiternden Handelsbeziehungen werden wir immer mehr
in den großen Weltverkehr gezogen, unaufhaltsam vollzieht sich die Umwand¬
lung Deutschlands ans einer europäischen Großmacht in eine Weltmacht; dem¬
gemäß werden die Aufgaben unsrer Kriegsmarine immer wichtiger. Da gilt
es doch wahrhaftig, unser Volk über die wachsende Bedeutung seiner Flotte
aufzuklären, der schwächlichen Ansicht entgegen zu treten, daß wir Wohl ein
starkes Landheer, aber nur eine unbedeutende Flotte unterhalten könnten. Das
ist aber nur möglich, wenn die Marineverwaltnng dazu die Hand bietet und
das Material liefert. Die Marinerundschau müßte für unsre Presse eine Fund¬
grube marinetechnischer Nachrichten werden. Wir Deutschen haben das Zeug


berichtet, es finden sich mich Aufsätze allgemeiner« Inhalts. Wer sich aber
über den gegenwärtigen Zustand unsrer Flotte, über die Gefechtskraft ihrer neuern
Fahrzeuge Belehrung holen wollte, der würde vergeblich suchen; nicht einmal
des Stapellaufs der neuen Schiffe wird gedacht. Die allgemeiner» Aufsätze
sind, soweit sie unsre Flotte angehen, meist von einer ausgesuchten Ledernheit,
ich erinnere nur an den Bericht über die Grippenepidemie in der deutschen
Marine (Jahrgang 1891). Es kommt einem vor, als wäre man ängstlich be¬
müht, alles fern zu halten, was dem deutschen Volke Interesse für seine junge
Marine einflößen konnte. Es scheint zwar, als ob man sich jetzt im Reichs¬
marineamt davon überzeugt hätte, daß der bisher eingeschlagne Weg falsch war;
wenigstens finden sich in den letzten Nummern der Rundschau Berichte über
die Panzerschiffe erster Klasse „Wörth" und „Kurfürst Friedrich Wilhelm."
So knapp und vorsichtig diese Mitteilungen sind, so begrüßen wir sie doch als
Anfang zum Bessern; möchten uur bald weitere Nachrichten folgen über die
andern Panzer und namentlich über die neuern geschützte» Kreuzer.

Die Gründe, die unsre Marineverwaltung bis jetzt bestimmt haben, ge¬
nauere Nachrichten über die Flotte der Öffentlichkeit vorzuenthalten, sind ja
nicht schlechthin zu tadeln; sie will verhindern, daß derartige Mitteilungen ins
Anstand dringen und dort zu unserm Schaden verwendet werden, Es fragt
sich nur, ob die Nachteile dieser Schweigsamkeit nicht größer sind als ihr
Nutzen. Vermutlich sind die Marinebehörden der uus feindlich gesinnten
Staaten über unsre Flotte genauer unterrichtet als wir Deutschen selbst; zwei
spionirende französische Seeoffiziere sind ja vor einiger Zeit glücklich abgefaßt
worden, wer weiß aber, wie viele schon außer ihnen unerkannt thätig waren
oder es noch sind; auch jene beiden, so früh begnadigten, haben gewiß wert¬
volle Nachrichten mit nach Hause gebracht. Daß die ausländischen Marine¬
behörden, namentlich auch die französischen, nichts bedenkliches in der Be¬
sprechung heimischer Marineverhältnisfe finden, zeigen sie dadurch, daß sie ihr
keine Hindernisse in den Weg legen.

Viel bedenklicher scheint uns die andauernde Teilnahmlosigkeit des Publi¬
kums. Von Jahr zu Jahr wächst unsre Schiffahrt, durch unsre Kolonien
und die stetig sich erweiternden Handelsbeziehungen werden wir immer mehr
in den großen Weltverkehr gezogen, unaufhaltsam vollzieht sich die Umwand¬
lung Deutschlands ans einer europäischen Großmacht in eine Weltmacht; dem¬
gemäß werden die Aufgaben unsrer Kriegsmarine immer wichtiger. Da gilt
es doch wahrhaftig, unser Volk über die wachsende Bedeutung seiner Flotte
aufzuklären, der schwächlichen Ansicht entgegen zu treten, daß wir Wohl ein
starkes Landheer, aber nur eine unbedeutende Flotte unterhalten könnten. Das
ist aber nur möglich, wenn die Marineverwaltnng dazu die Hand bietet und
das Material liefert. Die Marinerundschau müßte für unsre Presse eine Fund¬
grube marinetechnischer Nachrichten werden. Wir Deutschen haben das Zeug


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/78>, abgerufen am 11.05.2024.