Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der erste Beste

Denn erst recht müssen Sie sich jetzt ruhig halten, daß Sie nich zu heiß
im Wasser kommen. Das is ja eine Luft heute wieder, nich zu glauben.
Wenns nach mir gegangen wär, hätten Sie heute nich aus Ihrer Stube
rausgedurft. Aber da hilft ja kein Zureden; alles müssen Sie mitmachen,
obs Ihnen bekommt oder nich.

Ja, sagte Margarete und nickte ihr mit einem schelmisch eigensinnigen
Lächeln zu. Das muß ich. Denn nur so kann ich lernen, was ich lernen
muß, das geben Sie selber zu.

Ja ja, aber alles mit Maßen. Bohnen pflücken Sie doch heute nich
zum erstenmal. Das nenn ich Übertreibung, wenn man nich gesund is.

Ich bin ja gesund, was wollen Sie?

Aber nich ganz. Waren Sie nich heute Vormittag hundeelend?

Nur vorübergehend. Und auch nicht hundeelend, nur ein bischen jäm¬
merlich. Ist das ein Wunder bei der Hitze? Ihnen wurde ja auch wun¬
derlich zu Mute am Backofen. Und jetzt ist mir ganz gut.

Und morgens haben Sie immer gar keine Farbe im Gesicht. Das frühe
Aufstehen bekommt Ihnen nich.

Aber es gehört sich so, und ich werd mich schon daran gewöhnen. Je
schneller ich mich überwinde und je eher ich mich in alles eingearbeitet und
hineingefunden habe, desto eher darf ich auch Mama einladen.

Darf?

Das hab ich mir so vorgenommen.

Hin! Das Altchen blinzelte sie freundlich von der Seite an. -- So'n
Vornehmen, das gefallt mir, das machen Sie richtig.

Sie hatten beide eifrig weitergepflückt, nahe bei einander, die Bohnen¬
ranken zwischen sich.

Wir haben genug, entschied jetzt Mamselling. Kommen Sie raus aus
das Gemüse, Frau Heilborn, und setzen Sie sich noch ein bischen ruhig hin.
Da -- sehen Sie woll, da sind auch die Dirns schon bei mit das Bade¬
wasser.

Sie wies nach dem Hause hin, wo man über Spargelbeete weg und
zwischen Obstbäumen hindurch den beiden Mägden zusehen konnte, wie sie mit
einer kleinen Winde die Wassereimer außen am Hause vom Küchenfenster zum
Badestubenfenster anf und nieder führten. Stine war unten, Liese oben mit
Anhängen, Abnehmen, Füllen und Aufgießen beschäftigt. Da die Pumpe
neben dem Küchenfenster stand, wurde auch die Beförderung des kalten Wassers
auf die gleiche Weise betrieben.

Jedesmal freu ich mich von neuem an dieser Badesache, sagte Margarete,
nachdem sie ein Weilchen lächelnd zugesehen hatte; das ist doch gar zu nett
ausgedacht. Anfangs hatte ichs nicht bemerkt -- wie so vieles nicht --, ich
denke noch daran, wie verblüfft ich war, als ich zum erstenmal darüberkam.

Ja, das war auch wieder mein Hansing, der das so fein ausspintisirt hat.

Margarete lächelte.

Ihr Hansing! Das ist doch wohl Ihr Liebstes und Bestes, was?

Das soll er woll. Das heißt -- wie mans nimmt. Den Hans, den
hab ich ja freilich zuerst herumgeschleppt und gehütet, wie er ankam, und
aufgefüttert auch, denn unsre arme Frau die starb ja denn gleich.

Ja ja, das hab ich immer so traurig gefunden, wenn mein Mann mir
davon erzählt hat. Viel spricht er ja freilich nicht darüber.


Der erste Beste

Denn erst recht müssen Sie sich jetzt ruhig halten, daß Sie nich zu heiß
im Wasser kommen. Das is ja eine Luft heute wieder, nich zu glauben.
Wenns nach mir gegangen wär, hätten Sie heute nich aus Ihrer Stube
rausgedurft. Aber da hilft ja kein Zureden; alles müssen Sie mitmachen,
obs Ihnen bekommt oder nich.

Ja, sagte Margarete und nickte ihr mit einem schelmisch eigensinnigen
Lächeln zu. Das muß ich. Denn nur so kann ich lernen, was ich lernen
muß, das geben Sie selber zu.

Ja ja, aber alles mit Maßen. Bohnen pflücken Sie doch heute nich
zum erstenmal. Das nenn ich Übertreibung, wenn man nich gesund is.

Ich bin ja gesund, was wollen Sie?

Aber nich ganz. Waren Sie nich heute Vormittag hundeelend?

Nur vorübergehend. Und auch nicht hundeelend, nur ein bischen jäm¬
merlich. Ist das ein Wunder bei der Hitze? Ihnen wurde ja auch wun¬
derlich zu Mute am Backofen. Und jetzt ist mir ganz gut.

Und morgens haben Sie immer gar keine Farbe im Gesicht. Das frühe
Aufstehen bekommt Ihnen nich.

Aber es gehört sich so, und ich werd mich schon daran gewöhnen. Je
schneller ich mich überwinde und je eher ich mich in alles eingearbeitet und
hineingefunden habe, desto eher darf ich auch Mama einladen.

Darf?

Das hab ich mir so vorgenommen.

Hin! Das Altchen blinzelte sie freundlich von der Seite an. — So'n
Vornehmen, das gefallt mir, das machen Sie richtig.

Sie hatten beide eifrig weitergepflückt, nahe bei einander, die Bohnen¬
ranken zwischen sich.

Wir haben genug, entschied jetzt Mamselling. Kommen Sie raus aus
das Gemüse, Frau Heilborn, und setzen Sie sich noch ein bischen ruhig hin.
Da — sehen Sie woll, da sind auch die Dirns schon bei mit das Bade¬
wasser.

Sie wies nach dem Hause hin, wo man über Spargelbeete weg und
zwischen Obstbäumen hindurch den beiden Mägden zusehen konnte, wie sie mit
einer kleinen Winde die Wassereimer außen am Hause vom Küchenfenster zum
Badestubenfenster anf und nieder führten. Stine war unten, Liese oben mit
Anhängen, Abnehmen, Füllen und Aufgießen beschäftigt. Da die Pumpe
neben dem Küchenfenster stand, wurde auch die Beförderung des kalten Wassers
auf die gleiche Weise betrieben.

Jedesmal freu ich mich von neuem an dieser Badesache, sagte Margarete,
nachdem sie ein Weilchen lächelnd zugesehen hatte; das ist doch gar zu nett
ausgedacht. Anfangs hatte ichs nicht bemerkt — wie so vieles nicht —, ich
denke noch daran, wie verblüfft ich war, als ich zum erstenmal darüberkam.

Ja, das war auch wieder mein Hansing, der das so fein ausspintisirt hat.

Margarete lächelte.

Ihr Hansing! Das ist doch wohl Ihr Liebstes und Bestes, was?

Das soll er woll. Das heißt — wie mans nimmt. Den Hans, den
hab ich ja freilich zuerst herumgeschleppt und gehütet, wie er ankam, und
aufgefüttert auch, denn unsre arme Frau die starb ja denn gleich.

Ja ja, das hab ich immer so traurig gefunden, wenn mein Mann mir
davon erzählt hat. Viel spricht er ja freilich nicht darüber.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0101" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220427"/>
            <fw type="header" place="top"> Der erste Beste</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_348"> Denn erst recht müssen Sie sich jetzt ruhig halten, daß Sie nich zu heiß<lb/>
im Wasser kommen. Das is ja eine Luft heute wieder, nich zu glauben.<lb/>
Wenns nach mir gegangen wär, hätten Sie heute nich aus Ihrer Stube<lb/>
rausgedurft. Aber da hilft ja kein Zureden; alles müssen Sie mitmachen,<lb/>
obs Ihnen bekommt oder nich.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_349"> Ja, sagte Margarete und nickte ihr mit einem schelmisch eigensinnigen<lb/>
Lächeln zu. Das muß ich. Denn nur so kann ich lernen, was ich lernen<lb/>
muß, das geben Sie selber zu.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_350"> Ja ja, aber alles mit Maßen. Bohnen pflücken Sie doch heute nich<lb/>
zum erstenmal.  Das nenn ich Übertreibung, wenn man nich gesund is.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_351"> Ich bin ja gesund, was wollen Sie?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_352"> Aber nich ganz.  Waren Sie nich heute Vormittag hundeelend?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_353"> Nur vorübergehend. Und auch nicht hundeelend, nur ein bischen jäm¬<lb/>
merlich. Ist das ein Wunder bei der Hitze? Ihnen wurde ja auch wun¬<lb/>
derlich zu Mute am Backofen.  Und jetzt ist mir ganz gut.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_354"> Und morgens haben Sie immer gar keine Farbe im Gesicht. Das frühe<lb/>
Aufstehen bekommt Ihnen nich.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_355"> Aber es gehört sich so, und ich werd mich schon daran gewöhnen. Je<lb/>
schneller ich mich überwinde und je eher ich mich in alles eingearbeitet und<lb/>
hineingefunden habe, desto eher darf ich auch Mama einladen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_356"> Darf?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_357"> Das hab ich mir so vorgenommen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_358"> Hin! Das Altchen blinzelte sie freundlich von der Seite an. &#x2014; So'n<lb/>
Vornehmen, das gefallt mir, das machen Sie richtig.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_359"> Sie hatten beide eifrig weitergepflückt, nahe bei einander, die Bohnen¬<lb/>
ranken zwischen sich.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_360"> Wir haben genug, entschied jetzt Mamselling. Kommen Sie raus aus<lb/>
das Gemüse, Frau Heilborn, und setzen Sie sich noch ein bischen ruhig hin.<lb/>
Da &#x2014; sehen Sie woll, da sind auch die Dirns schon bei mit das Bade¬<lb/>
wasser.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_361"> Sie wies nach dem Hause hin, wo man über Spargelbeete weg und<lb/>
zwischen Obstbäumen hindurch den beiden Mägden zusehen konnte, wie sie mit<lb/>
einer kleinen Winde die Wassereimer außen am Hause vom Küchenfenster zum<lb/>
Badestubenfenster anf und nieder führten. Stine war unten, Liese oben mit<lb/>
Anhängen, Abnehmen, Füllen und Aufgießen beschäftigt. Da die Pumpe<lb/>
neben dem Küchenfenster stand, wurde auch die Beförderung des kalten Wassers<lb/>
auf die gleiche Weise betrieben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_362"> Jedesmal freu ich mich von neuem an dieser Badesache, sagte Margarete,<lb/>
nachdem sie ein Weilchen lächelnd zugesehen hatte; das ist doch gar zu nett<lb/>
ausgedacht. Anfangs hatte ichs nicht bemerkt &#x2014; wie so vieles nicht &#x2014;, ich<lb/>
denke noch daran, wie verblüfft ich war, als ich zum erstenmal darüberkam.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_363"> Ja, das war auch wieder mein Hansing, der das so fein ausspintisirt hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_364"> Margarete lächelte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_365"> Ihr Hansing!  Das ist doch wohl Ihr Liebstes und Bestes, was?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_366"> Das soll er woll. Das heißt &#x2014; wie mans nimmt. Den Hans, den<lb/>
hab ich ja freilich zuerst herumgeschleppt und gehütet, wie er ankam, und<lb/>
aufgefüttert auch, denn unsre arme Frau die starb ja denn gleich.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_367"> Ja ja, das hab ich immer so traurig gefunden, wenn mein Mann mir<lb/>
davon erzählt hat.  Viel spricht er ja freilich nicht darüber.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0101] Der erste Beste Denn erst recht müssen Sie sich jetzt ruhig halten, daß Sie nich zu heiß im Wasser kommen. Das is ja eine Luft heute wieder, nich zu glauben. Wenns nach mir gegangen wär, hätten Sie heute nich aus Ihrer Stube rausgedurft. Aber da hilft ja kein Zureden; alles müssen Sie mitmachen, obs Ihnen bekommt oder nich. Ja, sagte Margarete und nickte ihr mit einem schelmisch eigensinnigen Lächeln zu. Das muß ich. Denn nur so kann ich lernen, was ich lernen muß, das geben Sie selber zu. Ja ja, aber alles mit Maßen. Bohnen pflücken Sie doch heute nich zum erstenmal. Das nenn ich Übertreibung, wenn man nich gesund is. Ich bin ja gesund, was wollen Sie? Aber nich ganz. Waren Sie nich heute Vormittag hundeelend? Nur vorübergehend. Und auch nicht hundeelend, nur ein bischen jäm¬ merlich. Ist das ein Wunder bei der Hitze? Ihnen wurde ja auch wun¬ derlich zu Mute am Backofen. Und jetzt ist mir ganz gut. Und morgens haben Sie immer gar keine Farbe im Gesicht. Das frühe Aufstehen bekommt Ihnen nich. Aber es gehört sich so, und ich werd mich schon daran gewöhnen. Je schneller ich mich überwinde und je eher ich mich in alles eingearbeitet und hineingefunden habe, desto eher darf ich auch Mama einladen. Darf? Das hab ich mir so vorgenommen. Hin! Das Altchen blinzelte sie freundlich von der Seite an. — So'n Vornehmen, das gefallt mir, das machen Sie richtig. Sie hatten beide eifrig weitergepflückt, nahe bei einander, die Bohnen¬ ranken zwischen sich. Wir haben genug, entschied jetzt Mamselling. Kommen Sie raus aus das Gemüse, Frau Heilborn, und setzen Sie sich noch ein bischen ruhig hin. Da — sehen Sie woll, da sind auch die Dirns schon bei mit das Bade¬ wasser. Sie wies nach dem Hause hin, wo man über Spargelbeete weg und zwischen Obstbäumen hindurch den beiden Mägden zusehen konnte, wie sie mit einer kleinen Winde die Wassereimer außen am Hause vom Küchenfenster zum Badestubenfenster anf und nieder führten. Stine war unten, Liese oben mit Anhängen, Abnehmen, Füllen und Aufgießen beschäftigt. Da die Pumpe neben dem Küchenfenster stand, wurde auch die Beförderung des kalten Wassers auf die gleiche Weise betrieben. Jedesmal freu ich mich von neuem an dieser Badesache, sagte Margarete, nachdem sie ein Weilchen lächelnd zugesehen hatte; das ist doch gar zu nett ausgedacht. Anfangs hatte ichs nicht bemerkt — wie so vieles nicht —, ich denke noch daran, wie verblüfft ich war, als ich zum erstenmal darüberkam. Ja, das war auch wieder mein Hansing, der das so fein ausspintisirt hat. Margarete lächelte. Ihr Hansing! Das ist doch wohl Ihr Liebstes und Bestes, was? Das soll er woll. Das heißt — wie mans nimmt. Den Hans, den hab ich ja freilich zuerst herumgeschleppt und gehütet, wie er ankam, und aufgefüttert auch, denn unsre arme Frau die starb ja denn gleich. Ja ja, das hab ich immer so traurig gefunden, wenn mein Mann mir davon erzählt hat. Viel spricht er ja freilich nicht darüber.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/101
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/101>, abgerufen am 06.06.2024.