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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Eiserne Brücken

aufgeführt, dabei aber, wie es heißt, die Fundamente der alten Pfeiler zum
Teil unbenutzt worden waren. Die neuen Pfeiler hatten sich ungleich gesetzt,
und infolge dessen war ein Strompfeiler, vom Frühjahrshochwafser unter¬
waschen, zusammengestürzt und hatte die auf ihm ruhenden Brückenkörper mit
sich gerissen; die Eisenkoustruktion selbst also war nicht schuld an dem Unfälle.
Bekanntlich konnte ein Bahnzug, der über die neue Brücke zur Zeit ihres Ein¬
sturzes fahren sollte, noch rechtzeitig gewarnt und so vor Vernichtung bewahrt
werden. Endlich ist noch ein vierter Unglücksfall zu erwähnen, der sich erst
vor zwei Jahren (am 11. Februar 1893) während des Baues einer schmal¬
spurigen Eisenbahnbrücke, einer sogenannten Lübeckischen Hängebrücke, auf dem
Militärbahnhofe von Schöneberg bei Berlin zugetragen hat, und bei dem leider
auch eine größere Anzahl der mit dem Bau beschäftigten Mannschaften der
Eisenbahnbrigade teils getötet, teils schwer verwundet wurde. Man wird nicht
fehlgehen, wenn man die Ursache dieses Unglücks in der Schnelligkeit der Ar¬
beit sucht, mit der militärische Übungsbauten ausgeführt werden müssen. Im
vorliegenden Falle war unausgesetzt vom frühen Morgen bis zum späten
Abend und nachts bei Fackellicht gearbeitet worden, um die Brücke bis zu dem
bestimmten Zeitpunkte zu vollenden.

Derartige Unglücksfälle werden sich hoffentlich nicht wiederholen. Unsre
Eisenbrücken sind durchschnittlich auf eine bedeutend höhere Tragfähigkeit be¬
rechnet und mit weniger Kühnheit ausgeführt als z. B. die amerikanischen, sie
werden regelmäßigen Prüfungen unterworfen und werden da, wo sie im Laufe
der Zeit rissig geworden sind oder sich verbogen oder geschwächt haben, ent¬
weder verstärkt oder ganz erneuert. Ebenso werden lose nieder und ver¬
witterte Anstriche durch neue ersetzt, und um die Durchbiegung der Brücken
im Auge zu behalten, werden von Zeit zu Zeit besondre Belastungsproben
vorgenommen. Alle diese Arbeiten geschehen unter Aufsicht und Kontrolle des
Staats, und wir dürfen wohl hoffen, daß neben den bestehenden strafgesetzlichen
Bestimmungen noch weitere werden erlassen werden, damit jede die Sicherheit
der Brücken gefährdende Abweichung von den Vorschriften und sonstigen Vor¬
sichtsmaßregeln streng gecchudet wird.

Nun giebt es unter den 12000 Eisenbahnbrücken, die in Deutschland vor¬
handen sein mögen, freilich noch einige, die Gußeisenteile haben. Seit der Be¬
kanntmachung der auf Grund der Artikel 42 und 43 der Reichsverfassung vom
Bundesrat vorgeschriebnen Regeln für den Eisenbahnbau Deutschlands vom
12. Juni 1878, wonach die tragenden Überbaukonstruktionen von Brücken (auf
die es hier hauptsächlich ankommt) aus Walzeisen hergestellt werden müssen,
ist das Gußeisen im Brückenbau nicht mehr verwendet worden. Aber auf
Brücken, die vor dem Jahre 1878 errichtet worden sind, und bei denen Gu߬
eisen unbenutzt worden ist, kann die Bestimmung keine rückwirkende Kraft
haben. Dennoch hegen wir die Hoffnung, daß auch deren Gußeisenteile, selbst


Eiserne Brücken

aufgeführt, dabei aber, wie es heißt, die Fundamente der alten Pfeiler zum
Teil unbenutzt worden waren. Die neuen Pfeiler hatten sich ungleich gesetzt,
und infolge dessen war ein Strompfeiler, vom Frühjahrshochwafser unter¬
waschen, zusammengestürzt und hatte die auf ihm ruhenden Brückenkörper mit
sich gerissen; die Eisenkoustruktion selbst also war nicht schuld an dem Unfälle.
Bekanntlich konnte ein Bahnzug, der über die neue Brücke zur Zeit ihres Ein¬
sturzes fahren sollte, noch rechtzeitig gewarnt und so vor Vernichtung bewahrt
werden. Endlich ist noch ein vierter Unglücksfall zu erwähnen, der sich erst
vor zwei Jahren (am 11. Februar 1893) während des Baues einer schmal¬
spurigen Eisenbahnbrücke, einer sogenannten Lübeckischen Hängebrücke, auf dem
Militärbahnhofe von Schöneberg bei Berlin zugetragen hat, und bei dem leider
auch eine größere Anzahl der mit dem Bau beschäftigten Mannschaften der
Eisenbahnbrigade teils getötet, teils schwer verwundet wurde. Man wird nicht
fehlgehen, wenn man die Ursache dieses Unglücks in der Schnelligkeit der Ar¬
beit sucht, mit der militärische Übungsbauten ausgeführt werden müssen. Im
vorliegenden Falle war unausgesetzt vom frühen Morgen bis zum späten
Abend und nachts bei Fackellicht gearbeitet worden, um die Brücke bis zu dem
bestimmten Zeitpunkte zu vollenden.

Derartige Unglücksfälle werden sich hoffentlich nicht wiederholen. Unsre
Eisenbrücken sind durchschnittlich auf eine bedeutend höhere Tragfähigkeit be¬
rechnet und mit weniger Kühnheit ausgeführt als z. B. die amerikanischen, sie
werden regelmäßigen Prüfungen unterworfen und werden da, wo sie im Laufe
der Zeit rissig geworden sind oder sich verbogen oder geschwächt haben, ent¬
weder verstärkt oder ganz erneuert. Ebenso werden lose nieder und ver¬
witterte Anstriche durch neue ersetzt, und um die Durchbiegung der Brücken
im Auge zu behalten, werden von Zeit zu Zeit besondre Belastungsproben
vorgenommen. Alle diese Arbeiten geschehen unter Aufsicht und Kontrolle des
Staats, und wir dürfen wohl hoffen, daß neben den bestehenden strafgesetzlichen
Bestimmungen noch weitere werden erlassen werden, damit jede die Sicherheit
der Brücken gefährdende Abweichung von den Vorschriften und sonstigen Vor¬
sichtsmaßregeln streng gecchudet wird.

Nun giebt es unter den 12000 Eisenbahnbrücken, die in Deutschland vor¬
handen sein mögen, freilich noch einige, die Gußeisenteile haben. Seit der Be¬
kanntmachung der auf Grund der Artikel 42 und 43 der Reichsverfassung vom
Bundesrat vorgeschriebnen Regeln für den Eisenbahnbau Deutschlands vom
12. Juni 1878, wonach die tragenden Überbaukonstruktionen von Brücken (auf
die es hier hauptsächlich ankommt) aus Walzeisen hergestellt werden müssen,
ist das Gußeisen im Brückenbau nicht mehr verwendet worden. Aber auf
Brücken, die vor dem Jahre 1878 errichtet worden sind, und bei denen Gu߬
eisen unbenutzt worden ist, kann die Bestimmung keine rückwirkende Kraft
haben. Dennoch hegen wir die Hoffnung, daß auch deren Gußeisenteile, selbst


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[0133] Eiserne Brücken aufgeführt, dabei aber, wie es heißt, die Fundamente der alten Pfeiler zum Teil unbenutzt worden waren. Die neuen Pfeiler hatten sich ungleich gesetzt, und infolge dessen war ein Strompfeiler, vom Frühjahrshochwafser unter¬ waschen, zusammengestürzt und hatte die auf ihm ruhenden Brückenkörper mit sich gerissen; die Eisenkoustruktion selbst also war nicht schuld an dem Unfälle. Bekanntlich konnte ein Bahnzug, der über die neue Brücke zur Zeit ihres Ein¬ sturzes fahren sollte, noch rechtzeitig gewarnt und so vor Vernichtung bewahrt werden. Endlich ist noch ein vierter Unglücksfall zu erwähnen, der sich erst vor zwei Jahren (am 11. Februar 1893) während des Baues einer schmal¬ spurigen Eisenbahnbrücke, einer sogenannten Lübeckischen Hängebrücke, auf dem Militärbahnhofe von Schöneberg bei Berlin zugetragen hat, und bei dem leider auch eine größere Anzahl der mit dem Bau beschäftigten Mannschaften der Eisenbahnbrigade teils getötet, teils schwer verwundet wurde. Man wird nicht fehlgehen, wenn man die Ursache dieses Unglücks in der Schnelligkeit der Ar¬ beit sucht, mit der militärische Übungsbauten ausgeführt werden müssen. Im vorliegenden Falle war unausgesetzt vom frühen Morgen bis zum späten Abend und nachts bei Fackellicht gearbeitet worden, um die Brücke bis zu dem bestimmten Zeitpunkte zu vollenden. Derartige Unglücksfälle werden sich hoffentlich nicht wiederholen. Unsre Eisenbrücken sind durchschnittlich auf eine bedeutend höhere Tragfähigkeit be¬ rechnet und mit weniger Kühnheit ausgeführt als z. B. die amerikanischen, sie werden regelmäßigen Prüfungen unterworfen und werden da, wo sie im Laufe der Zeit rissig geworden sind oder sich verbogen oder geschwächt haben, ent¬ weder verstärkt oder ganz erneuert. Ebenso werden lose nieder und ver¬ witterte Anstriche durch neue ersetzt, und um die Durchbiegung der Brücken im Auge zu behalten, werden von Zeit zu Zeit besondre Belastungsproben vorgenommen. Alle diese Arbeiten geschehen unter Aufsicht und Kontrolle des Staats, und wir dürfen wohl hoffen, daß neben den bestehenden strafgesetzlichen Bestimmungen noch weitere werden erlassen werden, damit jede die Sicherheit der Brücken gefährdende Abweichung von den Vorschriften und sonstigen Vor¬ sichtsmaßregeln streng gecchudet wird. Nun giebt es unter den 12000 Eisenbahnbrücken, die in Deutschland vor¬ handen sein mögen, freilich noch einige, die Gußeisenteile haben. Seit der Be¬ kanntmachung der auf Grund der Artikel 42 und 43 der Reichsverfassung vom Bundesrat vorgeschriebnen Regeln für den Eisenbahnbau Deutschlands vom 12. Juni 1878, wonach die tragenden Überbaukonstruktionen von Brücken (auf die es hier hauptsächlich ankommt) aus Walzeisen hergestellt werden müssen, ist das Gußeisen im Brückenbau nicht mehr verwendet worden. Aber auf Brücken, die vor dem Jahre 1878 errichtet worden sind, und bei denen Gu߬ eisen unbenutzt worden ist, kann die Bestimmung keine rückwirkende Kraft haben. Dennoch hegen wir die Hoffnung, daß auch deren Gußeisenteile, selbst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/133>, abgerufen am 09.05.2024.