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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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daß England seine kaum haltbaren Ansprüche auf das Land aufgab und es
gegen gewisse Vorbehalte über die Behandlung der Swasi und gegen einige
Zugeständnisse, die den britischen Unterthanen in Transvaal gewährt wurden,
diesem zur Besetzung überließ. Der Vertrag hierüber, der vor einem halben
Jahre in einer persönlichen Zusammenkunft des Präsidenten Krüger und des
High Commissioners zu Volksrust an der Grenze von Natal und Transvaal
abgeschlossen wurde, hat nicht verfehlt, auf die amtlichen Kreise der südafrika¬
nischen Republik den günstigsten Eindruck zu machen und die engländerfeind¬
lichen Strömungen in diesem Lande etwas versöhnlicher zu stimmen. Sicherlich
konnte diese kluge und staatsmännische Nachgiebigkeit für die englischen Be¬
ziehungen zu Transvaal nur von Nutzen sein, und wie anerkennend man die
Thätigkeit Sir Henrys in Pretoria beurteilte, beweist der teilnehmende Brief,
den ihm Präsident Krüger Vor seiner Abreise von Südafrika zusandte.

Anders wird der Volksruster Vertrag in einigen hiesigen englischen Kreisen
und wahrscheinlich auch im Kapstädter Ministerium beurteilt. Bei den vielen
Ungerechtigkeiten, die sich England im Laufe dieses Jahrhunderts gegen die
beiden Vurenstaaten erlaubt hat, kommt es diesen Herren anscheinend auf einen
Gewaltstreich mehr oder weniger nicht an, und so mochte nach ihrer Ansicht
Swasiland schon längst zu jenem fast unbegrenzten englischen Einslußgebiete
gehören. Mag man nun diese Ansicht thatsächlich im Kapstädter Ministerium
geteilt haben oder nicht, jedenfalls wurde schon vor der Abreise des Herrn
Rhodes nach Europa bekannt, daß das ehemalige gute Einvernehmen zwischen
Premier und High Commissioner getrübt sei. Der Ausbruch des Zwiespalts
wurde vielleicht noch beschleunigt durch Meinungsverschiedenheiten über die
Verhältnisse der Britisch-südafrikanischen Gesellschaft, deren Thätigkeit Sir
Henry, wie erwähnt, als High Commissioner ebenfalls zu beaufsichtigen hatte.
Thatsache ist, daß er sich in richtigem Verständnis für das Wohlergehen der
Kapkolonie dagegen sträubte, daß man im Norden immer neue Ländergebiete
erschließe, ohne das Notwendigste für die Entwicklung der ältern Besitzungen
zu thun. Herr Rhodes wird sich dessen bewußt geworden sein, daß ein ferneres
ersprießliches Zusammenarbeiten mit einem Manne von Sir Henrys Grund¬
sätzen und Gerechtigkeitssinne nicht mehr möglich sei, daß sein Traum von der
Gründung eines großen südafrikanischen Reichs unter britischer Flagge unter
einem so gewissenhaften High Commissioner nicht so bald in Erfüllung gehen
könne. Bei dem Einflüsse, den der Premier durch seine angeblichen südafrika¬
nischen Erfolge und besonders durch den glücklichen Ausgang des Matebele-
kriegs in den leitenden Londoner Kreisen erlangt hat, kostete es ihn gewiß
nicht viel Mühe, die jetzt am Ruder befindlichen Männer von der Notwendig¬
keit eines Wechsels im südafrikanischen High Commissioneramt zu überzeugen.
Zugleich wird er es nicht unterlassen haben, anzudeuten, auf welche Persön¬
lichkeit sich die Neuwahl zu lenken habe. Wenigstens deutet die Schnelligkeit,


daß England seine kaum haltbaren Ansprüche auf das Land aufgab und es
gegen gewisse Vorbehalte über die Behandlung der Swasi und gegen einige
Zugeständnisse, die den britischen Unterthanen in Transvaal gewährt wurden,
diesem zur Besetzung überließ. Der Vertrag hierüber, der vor einem halben
Jahre in einer persönlichen Zusammenkunft des Präsidenten Krüger und des
High Commissioners zu Volksrust an der Grenze von Natal und Transvaal
abgeschlossen wurde, hat nicht verfehlt, auf die amtlichen Kreise der südafrika¬
nischen Republik den günstigsten Eindruck zu machen und die engländerfeind¬
lichen Strömungen in diesem Lande etwas versöhnlicher zu stimmen. Sicherlich
konnte diese kluge und staatsmännische Nachgiebigkeit für die englischen Be¬
ziehungen zu Transvaal nur von Nutzen sein, und wie anerkennend man die
Thätigkeit Sir Henrys in Pretoria beurteilte, beweist der teilnehmende Brief,
den ihm Präsident Krüger Vor seiner Abreise von Südafrika zusandte.

Anders wird der Volksruster Vertrag in einigen hiesigen englischen Kreisen
und wahrscheinlich auch im Kapstädter Ministerium beurteilt. Bei den vielen
Ungerechtigkeiten, die sich England im Laufe dieses Jahrhunderts gegen die
beiden Vurenstaaten erlaubt hat, kommt es diesen Herren anscheinend auf einen
Gewaltstreich mehr oder weniger nicht an, und so mochte nach ihrer Ansicht
Swasiland schon längst zu jenem fast unbegrenzten englischen Einslußgebiete
gehören. Mag man nun diese Ansicht thatsächlich im Kapstädter Ministerium
geteilt haben oder nicht, jedenfalls wurde schon vor der Abreise des Herrn
Rhodes nach Europa bekannt, daß das ehemalige gute Einvernehmen zwischen
Premier und High Commissioner getrübt sei. Der Ausbruch des Zwiespalts
wurde vielleicht noch beschleunigt durch Meinungsverschiedenheiten über die
Verhältnisse der Britisch-südafrikanischen Gesellschaft, deren Thätigkeit Sir
Henry, wie erwähnt, als High Commissioner ebenfalls zu beaufsichtigen hatte.
Thatsache ist, daß er sich in richtigem Verständnis für das Wohlergehen der
Kapkolonie dagegen sträubte, daß man im Norden immer neue Ländergebiete
erschließe, ohne das Notwendigste für die Entwicklung der ältern Besitzungen
zu thun. Herr Rhodes wird sich dessen bewußt geworden sein, daß ein ferneres
ersprießliches Zusammenarbeiten mit einem Manne von Sir Henrys Grund¬
sätzen und Gerechtigkeitssinne nicht mehr möglich sei, daß sein Traum von der
Gründung eines großen südafrikanischen Reichs unter britischer Flagge unter
einem so gewissenhaften High Commissioner nicht so bald in Erfüllung gehen
könne. Bei dem Einflüsse, den der Premier durch seine angeblichen südafrika¬
nischen Erfolge und besonders durch den glücklichen Ausgang des Matebele-
kriegs in den leitenden Londoner Kreisen erlangt hat, kostete es ihn gewiß
nicht viel Mühe, die jetzt am Ruder befindlichen Männer von der Notwendig¬
keit eines Wechsels im südafrikanischen High Commissioneramt zu überzeugen.
Zugleich wird er es nicht unterlassen haben, anzudeuten, auf welche Persön¬
lichkeit sich die Neuwahl zu lenken habe. Wenigstens deutet die Schnelligkeit,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/163>, abgerufen am 26.05.2024.