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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Der Gouverneurivechsel in der Kapkolonie

mit der diese erfolgte, auf vorheriges Einverständnis hin. Sir Henry Loch
hat vermutlich sehr bald gemerkt, welcher Wind von London wehte, und hat
deshalb, da die Amtszeit, die gewöhnlich nur fünf Jahre dauert, so gut wie
abgelaufen war, nur die Rückkehr des Premierministers abgewartet, um sein
Abschiedsgesuch einzureichen. Gerüchte, die in letzter Zeit mit großer Bestimmt¬
heit in der Kolonie auftauchten, wollten sogar wissen, daß dieser Rücktritt
keineswegs ganz freiwillig war. Selbst die Unterredung, die Sir Henry kürz¬
lich in London und einem Vertreter der Se. James Gazette hatte, wird an
dieser Auffassung der Lage wenig ändern können. Da ihm voraussichtlich sehr
bald ein neues Amt übertragen werden wird, so konnte er sich unmöglich zu
seiner Regierung in Widerspruch setzen, wie es bei> einer sachgemäßen Dar¬
stellung der Ereignisse unvermeidlich gewesen wäre.*)

Auch die Deutschen Südafrikas, denen Sir Henry immer rege Teilnahme
widmete, sahen ihn mit dem größten Bedauern scheiden, und wenn er auch
als Engländer dem deutschen Einfluß auf südafrikanischen Boden nicht günstig
gegenüberstand, so haben wir in ihm wenigstens einen ehrlichen Gegner ver¬
loren, der in seltener Weise englische Staatskunst mit strengem Gerechtigkeits¬
sinne zu vereinigen wußte, und der sich mit Erfolg den Vergcwaltigungs-
gelüsten des Herr" Rhodes in Südafrika entgegengestellt haben würde.

War das Bedauern über die Abberufung Sir Henry Lochs fast allgemein,
so sind die Gefühle, die man dem neuen Gouverneur entgegenbringt, keines¬
wegs besonders freundschaftlicher Natur. Sir Hercules ist, wie gesagt, ein
alter Bekannter der Südafrikaner. Er war Statthalter von Neuseeland, als
er im Jahre 1880 zum erstenmale auf den Kapstädter Posten berufen wurde,
und es kann nicht geleugnet werden, daß er dort während feiner neunjährigen
Verwaltung den englisch-südafrikanischen Beziehungen vielfach gute Dienste ge¬
leistet hat. In der ersten Zeit war er allerdings nicht vom Glück begünstigt,
der englische Einfluß in Südafrika sank damals merklich, doch kann die Schuld
daran nicht ihm beigemessen werden, der Niedergang war eine unvermeidliche Folge
früherer Sünden der mutterlündischen Politik. Dagegen lebte in den letzten
Jahren vor seinem Rücktritt, hauptsächlich durch seine Thatkraft, die englische
Machtstellung rasch wieder auf. In diese Zeit fallen Wohl die wichtigsten und
am tiefsten in die staatliche Gestaltung Südafrikas eingreifenden Ereignisse, die
das Land in diesen: Jahrhundert gesehen hat. Als Sir Hercules nach der
.Kolonie kam, war eben der Zulukrieg beendet, dessen siegreicher Ausgang doch



Sir Henry Loch ist anläßlich des Geburtstags der Königin zum Staatsrat (Privy
Councillor) ernannt worden. Ein neues Amt -- man sprach anfangs von dem erledigten
Statthalterpvsten von Neu-Südwales -- scheint ihm bis jetzt noch nicht angeboten worden
zu sein, dagegen soll er die Stelle eines Direktors der London- und Westminstcrbank ange¬
nommen haben, die eins der vielen Geldllmter ist, die bis vor kurzem sein Nachfolger, Sir
Herkules Robinson, innehatte.
Der Gouverneurivechsel in der Kapkolonie

mit der diese erfolgte, auf vorheriges Einverständnis hin. Sir Henry Loch
hat vermutlich sehr bald gemerkt, welcher Wind von London wehte, und hat
deshalb, da die Amtszeit, die gewöhnlich nur fünf Jahre dauert, so gut wie
abgelaufen war, nur die Rückkehr des Premierministers abgewartet, um sein
Abschiedsgesuch einzureichen. Gerüchte, die in letzter Zeit mit großer Bestimmt¬
heit in der Kolonie auftauchten, wollten sogar wissen, daß dieser Rücktritt
keineswegs ganz freiwillig war. Selbst die Unterredung, die Sir Henry kürz¬
lich in London und einem Vertreter der Se. James Gazette hatte, wird an
dieser Auffassung der Lage wenig ändern können. Da ihm voraussichtlich sehr
bald ein neues Amt übertragen werden wird, so konnte er sich unmöglich zu
seiner Regierung in Widerspruch setzen, wie es bei> einer sachgemäßen Dar¬
stellung der Ereignisse unvermeidlich gewesen wäre.*)

Auch die Deutschen Südafrikas, denen Sir Henry immer rege Teilnahme
widmete, sahen ihn mit dem größten Bedauern scheiden, und wenn er auch
als Engländer dem deutschen Einfluß auf südafrikanischen Boden nicht günstig
gegenüberstand, so haben wir in ihm wenigstens einen ehrlichen Gegner ver¬
loren, der in seltener Weise englische Staatskunst mit strengem Gerechtigkeits¬
sinne zu vereinigen wußte, und der sich mit Erfolg den Vergcwaltigungs-
gelüsten des Herr» Rhodes in Südafrika entgegengestellt haben würde.

War das Bedauern über die Abberufung Sir Henry Lochs fast allgemein,
so sind die Gefühle, die man dem neuen Gouverneur entgegenbringt, keines¬
wegs besonders freundschaftlicher Natur. Sir Hercules ist, wie gesagt, ein
alter Bekannter der Südafrikaner. Er war Statthalter von Neuseeland, als
er im Jahre 1880 zum erstenmale auf den Kapstädter Posten berufen wurde,
und es kann nicht geleugnet werden, daß er dort während feiner neunjährigen
Verwaltung den englisch-südafrikanischen Beziehungen vielfach gute Dienste ge¬
leistet hat. In der ersten Zeit war er allerdings nicht vom Glück begünstigt,
der englische Einfluß in Südafrika sank damals merklich, doch kann die Schuld
daran nicht ihm beigemessen werden, der Niedergang war eine unvermeidliche Folge
früherer Sünden der mutterlündischen Politik. Dagegen lebte in den letzten
Jahren vor seinem Rücktritt, hauptsächlich durch seine Thatkraft, die englische
Machtstellung rasch wieder auf. In diese Zeit fallen Wohl die wichtigsten und
am tiefsten in die staatliche Gestaltung Südafrikas eingreifenden Ereignisse, die
das Land in diesen: Jahrhundert gesehen hat. Als Sir Hercules nach der
.Kolonie kam, war eben der Zulukrieg beendet, dessen siegreicher Ausgang doch



Sir Henry Loch ist anläßlich des Geburtstags der Königin zum Staatsrat (Privy
Councillor) ernannt worden. Ein neues Amt — man sprach anfangs von dem erledigten
Statthalterpvsten von Neu-Südwales — scheint ihm bis jetzt noch nicht angeboten worden
zu sein, dagegen soll er die Stelle eines Direktors der London- und Westminstcrbank ange¬
nommen haben, die eins der vielen Geldllmter ist, die bis vor kurzem sein Nachfolger, Sir
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/164>, abgerufen am 23.05.2024.